Ein neuer König
Von René Hamann
So sieht das aus nach der Tischtennis-WM (17. bis 25. Mai) in der katarischen Hauptstadt Doha. Die Weltmeister kommen mal wieder hauptsächlich aus China. Bilanz: Gold der Männer und Frauen, im Mixed und im Doppel der Frauen. Erstaunlicherweise keine einzige Medaille im Doppel der Männer. Insgesamt eindeutig, aber nicht ganz so eindeutig wie sonst. Man könnte sagen, die Vorherrschaft der Chinesen im Tischtennis bröckelt weiter. Aber sehr langsam.
Bei den Frauen gab es eine Besonderheit: Ab dem Viertelfinale spielten die ersten acht der Weltrangliste den Titel unter sich aus. Vier Chinesinnen gegen vier Japanerinnen. Die Japanerin Mima Ito gewann als Nummer acht gegen die Nummer vier, die Chinesin Wang Yidi – eine kleine Sensation. Danach setzten sich die chinesischen Favoritinnen durch. Das Finale gewann die überragende Sun Yingsha gegen Wang Manyu in einem Drama von sieben Sätzen (4:3).
Bei den Frauen dominierten Rückhandduelle und harte Konterschläge. In puncto Geschwindigkeit beim Haudrauf nimmt es keine mit Sun Yingsha oder Wang Manyu auf, auch die junge Japanerin Miwa Harimoto nicht, der ich persönlich einen weiteren Schritt nach vorn zugetraut hätte. Vermutlich gehen die Dinge im Tischtennis doch nicht so schnell, wie man meinen könnte.
Das gilt auch für den Wettbewerb der Männer. Bestes Beispiel sind die französischen Brüder Lebrun, deren einst rasante Entwicklung derzeit stagniert. Alexis Lebrun, amtierender Europameister, gab wegen einer im Bruderkampf um den Thron Frankreichs erlittenen Verletzung im Einzelwettbewerb auf. Félix Lebrun, der talentiertere jüngere Bruder, dem es allerdings noch an Feingefühl und Durchsetzungsvermögen zu mangeln scheint, verlor einigermaßen tragisch gegen den Koreaner An Jaeh Yun im Achtelfinale. Im Doppel indessen schien der Boden für die zwei bereitet: keine Chinesen, nirgends. Gleichwohl sind auch die Spieler aus Taiwan Chinesen – Kao Cheng-Jui und Lin Yun-Ju waren im Halbfinale zu stark für die Lebruns. Der Titel im Doppel ging schließlich nach Japan, an Hiroto Shinozuka und Shunsuke Togami.
Ein anderes ewiges Talent hingegen bewährte sich: Truls Möregårdh aus Schweden, Vizeweltmeister 2021, Silbermedaillengewinner von Paris, also eine Art Ein-Mann-Vizekusen, bewies in epischen Schlachten gegen den Koreaner Jang Woo Jin, danach gegen den Japaner Shunsuke Togami großen Kampfeswillen. Im Halbfinale gegen Wang Chuqin hatte er durchaus Chancen, der Chinese hatte jedoch mehr Karmapunkte auf dem Konto. Und außerdem mit Möregårdh noch eine olympische Rechnung offen – wäre aber fast an seinen Nerven gescheitert.
So wie Hugo Calderano aus Brasilien, der sich im anderen Halbfinale mit Liang Jingkun ein unfassbares Riesenmatch lieferte. Er gewann den ersten Satz mit 15:13, zog danach mit 3:1 in Sätzen davon. Doch Liang schlug zurück: 3:3. Als man dachte, das vielbeschworene »Momentum« sei auf dessen Seite, mit 3:0-Führung im Entscheidungssatz, haute Calderano zehn Punkte in Folge raus. Zehn Punkte! Aber das war es noch lange nicht, denn jetzt schlug die Stunde von Old Zitterhand Calderano, der nach sechs abgewehrten Matchbällen erst bei 10:9 wieder einen harten Rückhandschlag auf den Tisch brachte. Und so das Match gewann.
Im Finale stieß auch »The Thrill from Brasil« an seine Grenzen. Wang Chuqin war quick, entschlossen, nahezu fehlerfrei. Calderano konnte sein Niveau nach dem kräftezehrenden Halbfinale nicht mehr steigern. Chuqin wiederum – das Wunderkind, der lang erkorene Thronfolger, der nach Olympia in Paris in tiefste Tiefen gestürzt war – ist endlich angekommen. Er ist der neue Weltmeister.
Die Deutschen schlugen unter ferner liefen auf. Besonders die Männer enttäuschten. Patrick Franziska biss sich bis ins Achtelfinale durch, scheiterte hier aber nicht zuletzt an seinen Nerven. Die Damen hatten ein Doppel im Viertelfinale und ein paar gute Ansätze. Da wartet viel Konsolidierungsarbeit auf den DTTB. Bei den Männern muss so einiges auf den Prüfstein.
Man darf die WM in Doha ruhig als Fest bezeichnen. Das gilt vor allem fürs Tischtennis der Männer. Selten so viele packende, irre Matches, unfassbare Ballwechsel gesehen. Mit Tom Jarvis aus England schaffte es sogar ein »Underdog« ins Achtelfinale. Wenn Möregårdh und die Lebruns von Calderano noch das Chinesen-Besiegen lernen, erwarten uns Jahre schieren Entzückens. Von den deutschen Männern wollen wir an dieser Stelle lieber schweigen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (28. Mai 2025 um 10:05 Uhr)Tischtennis ist in Deutschland eine beliebte und weit verbreitete Sportart. Mehrere Hunderttausend Spielerinnen und Spieler sind nach dem Andro-Punktsystem registriert. Gespielt und trainiert wird überwiegend in Schulsporthallen. Aus eigener Erfahrung – insbesondere aus Baden-Württemberg – möchte ich zwei Anmerkungen machen: Erstens: Die Hallen stehen aufgrund von Feiertagen und Schulferien oft nur für etwa ein halbes Jahr zur Verfügung. Zweitens: Der bauliche Zustand vieler Hallen ist problematisch. Die Beleuchtung ist unzureichend, im Winter sind die Hallen zu kalt, im Sommer dagegen überhitzt – kurz gesagt: technisch veraltet und kaum auf einem modernen Stand. Während der Sommerferien reisen wir regelmäßig zu Trainingslagern nach Serbien und Kroatien. Dort scheint zwar die Sonne intensiver, doch die Sporthallen sind hervorragend klimatisiert und angenehm temperiert – selbst bei hohen Außentemperaturen. Warum dies in Deutschland nicht möglich ist, bleibt unverständlich. Hidy Istvan TTC Stuttgart
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