Gegründet 1947 Mittwoch, 21. Mai 2025, Nr. 116
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 21.05.2025, Seite 8 / Abgeschrieben

»Polizei und Behörden wollen rechte Gewalt nicht erkennen«

Opferberatungsstelle_85833384.jpg

Clara Bünger, innenpolitische Expertin, und Ferat Koçak, Experte für antifaschistische Politik der Fraktion Die Linke im Bundestag, erklärten am Dienstag zur Vorstellung neuer Zahlen zu politisch motivierter Kriminalität durch Innenminister Dobrindt:

»Die heute vorgestellten Zahlen zu politisch motivierter Kriminalität zeigen einen dramatischen Anstieg rechter Gewalt. Rechte Straftaten sind im vergangenen Jahr um 48 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Einführung der Statistik. (…)«, sagt Clara Bünger (…).

Ferat Koçak (…) erklärt: »Die Dunkelziffer ist noch weitaus höher, das zeigen die ebenfalls heute vorgestellten Zahlen der Opferberatungsstellen. Polizei und Behörden erkennen rechte Gewalt oft nicht – oder wollen sie nicht erkennen. Der Umgang mit dem rassistischen Brandanschlag in Solingen ist nur das jüngste Beispiel für dieses systemische Versagen.«

Bünger weiter: »Statt die Gefahr klar zu benennen, verharmlost Innenminister Dobrindt sie. Er spricht von politischen Rändern und will eine nebulöse politische Mitte stärken. Fakt ist: Die meisten Taten sind rechts motiviert. Rassismus ist das häufigste Tatmotiv. Wir haben kein Problem mit Rändern, wir haben ein Problem mit der extremen Rechten (…).«

Koçak ergänzt: »Der Innenminister will vor dem Hintergrund der Zahlen schlicht das Koalitionsprogramm umsetzen: Mehr Befugnisse für Polizei und Geheimdienste, aggressivere Asylpolitik. Was wir hingegen brauchen, ist ein entschlossenes Vorgehen gegen rechte Gewalttäter und eine Unterstützung der demokratischen Zivilgesellschaft. (…).«

Zu den Vorschlägen von Bundesfamilienministerin Karin Prien zur Einführung eines Pflegegeldes als Lohnersatz für pflegende Angehörige erklärte Evelyn Schötz, Pflegeexpertin der Fraktion Die Linke im Bundestag, am Dienstag:

Ministerin Prien wird zur Ankündigungsministerin. Was sie als großen Wurf verkauft, ist bislang kaum mehr als eine planlose Überschrift mit Fußnote. Es fehlen konkrete Rahmenbedingungen, ein klarer Zeitplan – und es gibt einen massiven Finanzierungsvorbehalt. (…) Für Millionen pflegende Angehörige ist das ein Schlag ins Gesicht. Wer ernsthaft helfen will, muss mehr liefern als eine Bankrotterklärung, getarnt als vage Absichtsbekundung. Pflege darf kein Armutsrisiko mehr sein und nicht weiter auf dem Rücken von Frauen abgeladen werden. Unsere Konzepte liegen längst auf dem Tisch. Wir fordern die Einführung einer sechswöchigen bezahlten Freistellung mit vollem Lohnausgleich für pflegende Angehörige bei Eintritt eines Pflegefalls in der Familie. Wir fordern eine finanzielle Anerkennung der Pflegearbeit durch Geldleistungen und Rentenpunkte – sowie die Einführung einer Pflegevollversicherung, die Schluss macht mit dem Teilkaskoprinzip eines so immensen Lebensrisikos. Kurz gesagt: Wir brauchen eine Sozialisierung der Pflege.

In Deutschland sind rund 5,7 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen, davon beziehen 3,1 Millionen ausschließlich Pflegegeld. Das zeigt deutlich: Die private Pflege ist das Rückgrat unseres Pflegesystems. Neun von zehn Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Besonders betroffen sind Frauen: Sie stellen mit großem Abstand den größten Teil der pflegenden Angehörigen – meist unbezahlt, häufig in Teilzeit gedrängt und mit erheblichen Folgen für ihre eigene Altersvorsorge. (…)

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Nebenkläger Ferat Kocak (links) am Donnerstag vor dem Landgerich...
    13.12.2024

    Haftstrafe für Neonazis

    Urteile im Berufungsprozess zu rechtem Brandanschlag auf Linke-Politiker in Berlin-Neukölln
  • Kundgebung gegen rechten Terror nach den Morden von Hanau (Berli...
    06.04.2024

    Spitze des Eisbergs

    Rund 1.500 Faschisten und »Reichsbürger« mit Waffenerlaubnis in der BRD. Gruppe Die Linke im Bundestag beklagt stockende Entwaffnung