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Aus: Ausgabe vom 20.05.2025, Seite 8 / Abgeschrieben
Berliner Senat

Berliner Senat will Ehrenbürgerwürde für sowjetischen Soldaten nicht wiederherstellen

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Am 2. Mai richtete Alexander King (BSW), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, an den Senat eine Schriftliche Anfrage zur Wiederanerkennung der Ehrenbürgerschaft für den sowjetischen Soldaten Nikolai Massalow (1922–2001). Am 16. Mai antwortete die Senatskanzlei:

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

Vorbemerkung: Der sowjetische Soldat Nikolai Massalow rettete im April 1945 während der Kämpfe um Berlin ein kleines deutsches Mädchen unter Einsatz seines Lebens vor dem Kugelhagel. Die Tat Nikolai Massalows steht beispielhaft für Menschlichkeit in unmenschlicher Zeit. Das Denkmal im Treptower Park, dessen Darstellung eines Soldaten mit einem Kind auf dem Arm auf dieser Handlung beruht, ist bis heute ein zen­trales Symbol der Erinnerungskultur in Berlin. Im Jahr 1965 wurde Massalow vom Ostberliner Magistrat die Berliner Ehrenbürgerschaft verliehen. Die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft im Jahr 1992 erscheint vielen Berlinern als historisch und moralisch fragwürdig. Eine Wiederanerkennung würde ein Zeichen setzen für Respekt, Gerechtigkeit und eine verantwortungsbewusste Erinnerungspolitik, die nicht durch ideologische Brillen verzerrt ist.

1. Ist dem Senat bekannt, dass der sowjetische Soldat Nikolai Massalow im April 1945 ein deutsches Mädchen rettete und dass diese Tat als symbolische Vorlage für das Denkmal im sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park diente?

Zu 1. Ja, dies ist dem Senat bekannt.

2. Trifft es zu, dass Massalow in der damaligen Hauptstadt der DDR (Ostberlin) aufgrund dieser Tat die Ehrenbürgerschaft der Stadt verliehen wurde, und hält der Senat diese Ehrung aus heutiger Sicht für angemessen?

3. Auf welcher rechtlichen oder politischen Grundlage wurde diese Ehrenbürgerschaft nach der Wiedervereinigung durch den nunmehr Gesamtberliner Senat aberkannt?

4. Welche Gründe wurden seitens des Senats für die Aberkennung angeführt und wie bewertet der heutige Senat diese Gründe?

Zu 2.–4. Nikolai Massalow wurde 1965 anlässlich des 20. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus mit zehn weiteren Militärangehörigen »in Anerkennung seiner großen Verdienste um die Befreiung Berlins von der Herrschaft des Faschismus mit der Ehrenbürgerschaft von Berlin, Hauptstadt der DDR«, geehrt. Aufgrund der Teilung Berlins gab es zwei unterschiedliche Ehrenbürgerlisten. Nach der Wiedervereinigung hat der Senat von Berlin 1992 mit Zustimmung des Abgeordnetenhauses beschlossen, Persönlichkeiten mit hervorragenden kulturellen und wissenschaftlichen Verdiensten um Berlin aus der Ehrenbürgerliste von Berlin (Ost) in die Ehrenbürgerliste des Landes und der Stadt Berlin zu übernehmen. Bei den übrigen Ehrenbürgern der »Hauptstadt der DDR« konnten solche hervorragenden Verdienste nicht festgestellt werden. Eine Aberkennung von Ehrenbürgerwürden war damit aber nicht verbunden.

5. In Anbetracht der historischen Bedeutung dieser humanitären Tat und der damit verbundenen Symbolkraft für Versöhnung und Frieden: Wäre der Berliner Senat bereit, eine Wiederanerkennung der Ehrenbürgerschaft für Nikolai Massalow ernsthaft zu prüfen?

Zu 5.: Eine erneute Prüfung ist nicht vorgesehen.

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