Gaza ohne jede Hilfe
Von Wiebke Diehl
Es war die letzte Krebsklinik im Gazastreifen: Am Freitag gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bekannt, das Europäische Krankenhaus in Khan Junis habe nach israelischen Angriffen den Betrieb einstellen müssen. Am 13. Mai sei es so schwer beschädigt worden, dass es nicht mehr funktionsfähig sei, so WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Kommunikationsplattform X. »Lebenswichtige Leistungen wie Neurochirurgie, Herzbehandlung und Krebsbehandlung« würden damit nirgendwo in Gaza mehr angeboten. Die WHO habe die verbliebenen Mitarbeiter der Klinik in Sicherheit gebracht, während die Luftwaffe in der Nähe angegriffen habe – nach Angaben der Armee ein »präziser Angriff auf Hamas-Terroristen in einem Kommando- und Kontrollzentrum« unter dem Krankenhaus.
Jetzt ist in Khan Junis im südlichen Gazastreifen nur noch das Nasser-Krankenhaus in Betrieb. Auch diese Klinik nahm Israels Armee allerdings zeitgleich mit den verheerenden Attacken auf das Europäische Krankenhaus unter Beschuss. Seit eineinhalb Jahren werden Gesundheitseinrichtungen in der Küstenenklave gezielt angegriffen. Insbesondere in Nordgaza gibt es faktisch keine Gesundheitsversorgung mehr. Das Kamal-Adwan-Krankenhaus ist dem Erdboden gleichgemacht worden, das Schifa-Krankenhaus und das Awda-Krankenhaus wurden schwer beschädigt. Im Indonesischen Krankenhaus haben israelische Soldaten alle medizinischen Geräte zerstört.
Derweil verschärft sich die humanitäre Lage infolge der Komplettblockade des Gazastreifens immer weiter: Die gesamte Bevölkerung ist von akuter Ernährungsunsicherheit und einem Mangel an Trinkwasser betroffen. Fast die Hälfte davon ist entsprechend der internationalen Klassifizierung nur noch einen Schritt von der Hungersnot entfernt. Kinder leiden ganz besonders unter Hunger – mit oftmals irreversiblen Folgen. Am Freitag beklagte der UNICEF-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika zudem die anhaltend hohe Zahl getöteter Kinder. Allein in den vergangenen zwei Tagen seien es 45 gewesen, in den letzten zwei Monaten gar 950. Sie würden »in Krankenhäusern, in zu Notunterkünften umfunktionierten Schulen, in behelfsmäßigen Zelten oder in den Armen ihrer Eltern getötet oder verletzt«.
Allein zwischen Freitag morgen und Freitag mittag wurden bei israelischen Angriffen im Gazastreifen mindestens 100 Menschen getötet – am Donnerstag waren es bereits über 100. Dutzende sind nach Angaben der örtlichen Behörden noch unter den Trümmern begraben. Krankenwagen könnten wegen zerstörter Straßen und Gebäude die Verletzten nicht erreichen. In den vergangenen Tagen haben sich die israelischen Angriffe auf die Küstenenklave erheblich intensiviert. Unter Berufung auf Sicherheitsbeamte berichtet die israelische Nachrichtenseite Ynet, die Verstärkung der Bombardierungen sei eine Vorbereitung auf den Einmarsch weiterer Truppen. Am Dienstag hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die neue militärische Offensive angekündigt. Egal welche Zugeständnisse die Hamas mache, man werde »bis zum Ende« gehen.
Währenddessen stellte US-Präsident Donald Trump vor Journalisten in Abu Dhabi fest, dass in Gaza »viele Menschen am Verhungern sind«. Man werde sich »darum kümmern«. Nur einen Tag zuvor hatte Trump in Katar erklärt, er »wäre stolz darauf, wenn die USA (den Gazastreifen) bekommen, einnehmen und zu einer Freiheitszone machen«.
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