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Aus: Ausgabe vom 12.05.2025, Seite 16 / Sport
Radsport

Vier im Burgfrieden

Die Tour bestimmt den Kalender. Auch den Giro
Von Felix Bartels
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Roglič auf der Rampe: Der Kampf gegen die Uhr beginnt

Alles auf Rosa. Wir haben Mai, der Giro d’Italia rollt wieder durch das zweitschönste Land der Welt. Nur Frankreich, bekanntlich, ist schöner. In Rosa schon jetzt fährt Primož Roglič, der große Favorit der diesjährigen Ausgabe. Auf der zweiten Etappe am Sonnabend, dem 13,7 Kilometer langen Einzelzeitfahren in Tirana – auf der anderen Seite der Adria, in Albanien, wo die Rundfahrt dieses Jahrs ihren Start hat – verpasste Roglič den Tagessieg um Wolframdrahtbreite. Für die Führung im Gesamtklassement hat es dennoch gereicht. Er könnte sie am Sonntag schon wieder verloren haben, leider interessieren sich Radsportveranstalter nicht für Redaktionsschlusszeiten.

Dass Roglič das Trikot erst einmal wieder verliert, ist nicht unwahrscheinlich, der Kurs der dritten Etappe scheint dem Profil nach für einen Ausreißersieg geeignet, und nach dem ersten kurzen Zeitfahren sind die Abstände im Gesamtklassement noch gering. Ohnehin wird es darauf ankommen, wie Rogličs Team Red Bull–BORA–Hansgrohe das Rennen kontrolliert. Der slowenische Klassementfahrer hat keine Konkurrenz auf Augenhöhe im Peleton, es obliegt seinen Entscheidungen, wieviel Kraft er und seine Mannschaft verausgaben, bereits in leichteren Passagen der Rundfahrt, wo die großen Abstände zwischen den Spitzenfahrern noch nicht gemacht werden, das Rosa Trikot zu verteidigen.

Die Saisonplanung derjenigen Fahrer, die bei den dreiwöchigen Rundfahrten ganz vorne landen, ist bemerkenswert. Und es gibt deren eigentlich bloß vier im gegenwärtigen Zirkus: Primož Roglič, Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und Tadej Pogačar – selbviert komplette Fahrer: herausragend am Berg, stark beim Zeitfahren, solide in Sprintankünften. Roglič ist der älteste von ihnen, seine Karriere klingt langsam aus. Die Tour de France hat er nie gewonnen, doch viermal die Vuelta und einmal den Giro. Er wird bei der Tour versuchen, was in seiner Macht steht. Ein Sieg insonders gegen den alles überragenden Pogačar und gegen den sich allein auf die Tour fokussierenden Vingegaard scheint eher unwahrscheinlich. Folgerichtig daher, ganz auf den Giro zu gehen und bei der Tour zu schauen, wie weit man kommt.

Es fällt auf, dass die Big Four sich in der Vorbereitung der Tour nach Möglichkeit aus dem Weg gehen. Roglič fährt den Giro, Vingegaard war bei ­Paris–Nizza am Start, Evenepoel bei der Tour de Romandie, Pogačar startete bei den Frühjahrsklassikern. Lediglich bei der Dauphiné Liberé werden die drei aufeinandertreffen, während Roglič die Pause zwischen Giro und Tour zur Regeneration nutzen wird. Eine Art Burgfrieden, die vier scheinen sich den Kalender aufzuteilen, so dass abseits der Tour ein jeder auf seine Saisonsiege kommen kann. Vielleicht drücken sich hierin die gegenwärtigen Machtverhältnisse aus. Wer mit Pogačar an den Start tritt, hat deutlich weniger Chancen, und Pogačars Dominanz ist weniger von der Art eines Indurain oder Armstrong, sie erinnert vielmehr an die des Kannibalen Eddy Merckx. So muss man sehen, was übrigbleibt.

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