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Aus: Ausgabe vom 10.05.2025, Seite 8 / Ansichten

Alchemisten des Tages: Teilchenphysiker

Von Felix Bartels
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Mensch und Gold: Eine Liebe fürs Leben

Tiegel, Stößel, etwas Blei. Mehr brauchten sie nicht, die Goldkocher. Wie immer ging es darum, Arbeit zu sparen. Reichtum ohne Mühe, doch mit zwei ernüchternden Pointen: Das Herbeimixen von Gold war ähnlich anstrengend wie ein Brotjob, und der Lohn für die Mühen blieb aus. Nicht alles, wobei man schwitzt, ist Arbeit. Immerhin war das Glück des Flüchtigen einmal auf seiten der Gaukler. Der Alchemist Böttger wollte Gold herstellen und erfand aus Versehen das Porzellan. Man lächelt heute über die Schwarzkünstler, deren berühmtestes Exemplar in Goethes »Faust« zu poetischem Gold vermixt wurde. Was aber, wenn die Windhunde recht hatten?

Physiker am CERN in Genf melden Vollzug. Was Blei gewesen, wurde Gold. Allerdings nicht vermittels Tiegel und Stößel, sondern mit Hilfe des 27 Kilometer langen Teilchenbeschleunigers, der unterhalb des Gesteins liegt, auf dem sie ihre Kirche gebaut haben. Bei der Kollision von Bleikernen, die nahezu Lichtgeschwindigkeit hatten, sei die Umwandlung von Blei in Gold gemessen worden, teilte die Einrichtung mit. Durch solche Kollisionen kann Plasma entstehen, bekannt als vierter Aggregatzustand, der das Universum in der ersten Millionstel Sekunde nach dem Urknall ausfüllte. Im Plasma hat Materie ein hohes, instabiles Energieniveau und wird elektrisch äußerst leitfähig. Aller Regel nach fliegen Atomkerne im Beschleuniger aneinander vorbei, zwingt man sie zur Kollision, kann ein Bleikern drei Protonen abgeben, wodurch das Element Gold entsteht.

Es liegt in der Natur des Goldes, dass es seinen Wert verliert, wenn es vermehrbar wird. Zur Golddruckmaschine taugt der Beschleuniger indessen nicht. »Das Gold existiert nur für einen winzigen Bruchteil einer Sekunde.« Die Forscher haben also den Wunsch ihrer Vorfahren, schnelles Geld zu machen, gleich wörtlich genommen.

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