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Aus: Ausgabe vom 02.05.2025, Seite 10 / Feuilleton
Metal

Aus dem Beinhaus

Allegaeons siebtes Album »The Ossuary Lens«
Von Ken Merten
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Ernst, aber nicht tot: Allegaeon

Wer nur für seine eigene Gilde schafft, ist tot für die Welt: Der Writer’s Writer existiert im Grunde gar nicht. Er ist nur die Einbildung des Zirkels, eine Kleingruppenhalluzination. Allegaeon haben mit ihrem Album »The Ossuary Lens« zwar die Perspektive aus dem Beinhaus eingenommen, sie möchten damit aber hörbar an der Welt teilnehmen: »Die Herausforderung besteht darin, gitarrenorientiert zu sein und nicht nur Gitarristen anzusprechen«, sagte Greg Burgess dem New Noise Magazine im Gespräch über den siebten Langspieler innerhalb der gerade einmal zehnjährigen Bandgeschichte.

Einer wurde aber gezielt angehauen: Akustikgitarrist Adrian Bellue aus Sacramento (Kalifornien) sagte zu und lieferte für »Dark Matter Dynamics« ein flirrendes Intro, auf den beschwingt-melodischer Death Metal folgt. Bellue zupft nebenher, das Quintett aus Fort Collins (Colorado) saugt seinen Groove auf, verchromt ihn und fliegt mit ihm rüber zu »Imperial«.

Das sind keine edlen Häppchen fürs dutzendsaitige Fachpublikum, die das Armageddon verpassen würden, weil sie justament eine Liveperformance von Buckethead sezieren und für anderes Papperlapapp nicht ihre Zeit verschwenden. Profanpopelig aber sind Allegaeon keineswegs: Rezensent Patrick Olbrich findet auf metal.de zwar, die Perle des Albums, »Wake Circling Above«, »könnte mit seinem melodischen Charakter und hervorragenden klaren Vocals auch auf einer Soilwork-Platte stehen«, und das ist ja kein Tadel. Doch ist dafür die Komposition dann doch zu komplex: hintergründige Blechbläser und Streicher zu Anfang, der neue (und alte) Sänger Ezra Haynes murmelt sich bescheiden durch die Strophe, gibt im Refrain an Gitarrist und Cleansänger Michael Stancel ab, der durch das Dunkle seiner Stimme durchaus etwas an Björn Strid erinnert, aber bei Gott noch eine ganze Schippe drauflegt. Vom flackernden Licht geht es in steter, siebenminütiger Steigung zum wuchtigen Grand Final: »All I’d need again collapsed / Letting go, a fog without an end / Pale and buried hands writhing here forever / Vultures to see my end.« Einmal um den Erdkreis. Die Welt verlassen hat man trotzdem nicht – auch wenn man für manche eben tot, eigentlich aber nur versteckt ist, was der Bandname ausschildern mag. Auf Stancels ESP findet sich im Musikvideo die politische Aufforderung: »Stay queer as fuck.«

Allegaeon: »The Ossuary Lens« (Metal Blade Records)

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