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Aus: Ausgabe vom 29.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
EU-Aufrüstung

Stelldichein im Schützengraben

EU-Aufrüstung lockt britische Waffenschmieden: Gemeinsames Gipfeltreffen am 19. Mai
Von Christian Bunke
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Der britische Premier Keir Starmer und sein Verteidigungsminister John Healey treffen sich mit Auszubildenden von BAE Systems (Barrow-in-Furness, 20.3.2025)

Die britische Regierung von Premierminister Keir Starmer verstärkt ihre Bemühungen, sich nach dem EU-Austritt Großbritanniens wieder an die Europäische Union anzunähern. Für den 19. Mai ist ein Gipfeltreffen zwischen Keir Starmer und der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in London geplant. Dabei geht es vor allem um Geschäftliches. Ziel soll sein, britischen Rüstungskonzernen Zugang zum 150 Milliarden Euro schweren und anteilig durch die EU-Mitgliedstaaten finanzierten Aufrüstungsprogramm zu ermöglichen. Britische Unternehmen wie zum Beispiel BAE Systems sollen künftig um Aufträge für EU-Aufrüstungsprogramme mitbieten beziehungsweise zu diesem Zweck Kooperationen mit der EU-Rüstungsindustrie eingehen können.

Die Europäische Union hätte die britische Rüstungsindustrie gerne mit im Boot. Ein am 19. März veröffentlichtes »Weißbuch zur europäischen Verteidigung« der EU-Kommission bezeichnet Großbritannien als »essentiellen europäischen Verbündeten«, mit welchem »Kooperationen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich im gegenseitigen Interesse« gestärkt werden sollen. Im Londoner Regierungsviertel wird man solche Äußerungen wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Doch es gibt Bananenschalen mit Ausrutschpotential. Dazu gehört, dass eine Annäherung Großbritanniens an die EU einen Preis haben wird. Verschiedenen Medienberichten zufolge wird ein Thema auf dem Londoner Gipfeltreffen die Frage sein, wie viel Geld der britische Staat in das Aufrüstungsprogramm Brüssels hineinschießen muss, um sich damit die Aufnahme in diesen Klub zu erkaufen. Außerdem stellen manche europäische Einzelstaaten zusätzliche Bedingungen, darunter Frankreich, welches für seine Fischereiflotten ungehinderten Zugang zu britischen Gewässern einfordert. Zusätzlich wünscht die EU als Ganzes einen vereinfachten Zugang von EU-Bürgern zum britischen Arbeits- und Ausbildungsmarkt.

All dies sind rote Tücher für die britische konservative und extreme Rechte. Sie fürchtet, dass Starmer drauf und dran sei, »Verrat« am Brexit zu üben. Dies könne für den Premierminister »toxisch« sein, kommentierte etwa die nationalkonservative Tageszeitung Daily Mail am 25. April in einem Leitartikel. Außerdem bedrohe die Annäherung an die EU die Unterzeichnung eines Handelsabkommens mit den USA, so das Blatt weiter. Für Reform UK, die von dem Exbanker Nigel Farage geführte Rechtsaußenpartei, sei dies mit Blick auf die für den kommenden Donnerstag in England angesetzten Kommunalwahlen »Manna vom Himmel«.

Tatsächlich weisen Umfrageergebnisse die Möglichkeit deutlicher Zugewinne für die Rechtsextremen auf. Doch Starmers Aufrüstungsoffensive ist zumindest teilweise als der Versuch einer Antwort auf deren mögliche kommende Erfolge zu verstehen. Denn laut Angaben des Büros des Premiers liegt ein großer Teil der Produktionsstätten der britischen Rüstungsindustrie außerhalb des wohlhabenden Südens Englands, und zwar in den seit den 1980er Jahren durch aufeinanderfolgende neoliberale Regierungen dezimierten Industriegürteln des Nordens. Starmers Wirtschaftspolitik beruht zu einem großen Teil darauf, über staatlich finanzierte Aufrüstung einen Boom herbeizuführen, welcher neue Jobs und in direkter Folge stabile Mehrheiten für die britische Sozialdemokratie schaffen soll. Ob diese Milchmädchenrechnung aufgeht, muss sich aber erst zeigen.

Die britische Rüstungsindustrie ist mit »ihrer« Regierung jedenfalls mehr als zufrieden. Die Confederation of British Industry (CBI), Großbritanniens mächtigster Unternehmerverband, kündigte am 23. April in einer Pressemitteilung die Gründung einer »Taskforce« an, um dafür zu sorgen, dass »Rüstungsausgaben auch zu Wirtschaftswachstum führen«. Diese Taskforce ist mit den CEOs der wichtigsten britischen Rüstungskonzerne, darunter BAE Systems und Airbus Defence and Space, bestückt. Ziel sei es, der britischen Regierung dabei zu helfen, dass die neuen »privaten und staatlichen Kapitalflüsse« auch »zielgerichtet« eingesetzt werden.

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