Auf halbem Wege
Von Leo Schwarz
Diese Geschichte der Kommunistischen Partei der USA (CPUSA) erfreut und enttäuscht zugleich. Erfreulich ist, dass der Historiker Maurice Isserman, der seit den 1980er Jahren mit Arbeiten zur Geschichte der kommunistischen Bewegung in den USA hervorgetreten ist und sich dabei von Anfang an als Gegner jener Schule von Historikern profiliert hat, die im Stile der Feindschaftserklärungen des Kalten Krieges die Geschichte der Partei als die einer »prosowjetischen Verschwörung« geschrieben haben, eine Überblicksdarstellung auf dem letzten Stand der Forschung vorgelegt hat. Und zwar eine, die unmissverständlich die Bedeutung der kleinen kommunistischen Partei in den USA für die gewerkschaftliche, antirassistische und antifaschistische Organisierung und die in diesem Zusammenhang geführten Kämpfe würdigt.
Enttäuschend ist, dass Isserman den antikommunistischen Hardlinern dann doch wieder auf halbem Wege entgegenkommt, indem er als zentrales Problem der Parteigeschichte ausmacht, dass sich in den entscheidenden Phasen letztlich immer die Kräfte innerhalb der Partei durchgesetzt haben, für die die Oktoberrevolution und die Sowjetunion die maßgebenden Orientierungspunkte waren. Die »Verteidigung der Sowjetunion« sei das »einzige gleichbleibende und zentrale« Element des Programms der CPUSA von den 20ern bis in die 80er Jahre gewesen, und dies habe alle »Hingabe, Disziplin, Selbstaufopferung und das organisatorische Können« ins Leere laufen lassen, resümiert er.
Hier versteckt sich eine rote Linie, die Isserman verklausuliert als »Widerspruch« begreift und nicht überschreitet: Die historische Würdigung gilt der »radikalen« Reformpartei, nicht aber der kommunistischen Partei. Die Frage, ob das eine vom anderen in einem historischen oder politischen Sinne sinnvoll getrennt werden kann, liegt jenseits des Horizonts dieses ansonsten gut informierten Buches.
In der typischen Erzählweise amerikanischer Historiker – um einzelne Personen gestrickte Anekdoten wechseln sich ab mit der eigentlichen Bearbeitung des Materials – spannt Isserman einen Bogen vom »Radikalismus« in den USA um 1900 bis zum Versinken der CPUSA in Isolation und Bedeutungslosigkeit nach 1980. Fünf von sechs Kapiteln befassen sich mit der Geschichte der Partei zwischen 1919, als gleich zwei kommunistische Parteien gegründet wurden, und dem Ende der 1950er Jahre, als die Partei nach mehreren Jahren schärfster Repression, in denen sie nie verboten, aber in einen Zustand der Halblegalität – und in Teilen des Landes in eine Art Illegalität – gedrängt wurde, faktisch zerschlagen und mit FBI-Informanten durchsetzt war.
Die Jahrzehnte ab 1959, in denen Gus Hall Generalsekretär bzw. Parteivorsitzender war, geraten bei Isserman zu einem langen, im Vergleich eher oberflächlichen Epilog, der mit dem Parteitag von Cleveland im Dezember 1991 endet. Dort erlitt – gegen den internationalen Trend jener Jahre – der Perestroika- und »Reformer«-Flügel der Partei, den Isserman mit sichtlicher Sympathie betrachtet, eine Niederlage und trat daraufhin aus. Dass sich das Hall-Lager 1991 durchsetzte, mag auch daran gelegen haben, dass die Partei ihr »1989«, also den Absturz auf einen Nullpunkt, längst hinter sich hatte.
Maurice Isserman: Reds. The Tragedy of American Communism. Basic Books, New York 2024, 384 Seiten, 35 US-Dollar
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