Futter für neue »Vornamendebatte«
Von Karim NatourNoch bevor die Böller gezündet waren, wurde die Kampagne zu kommenden Krawallen, Übergriffen und »Böllerexzessen« migrantischer Jugendlicher in Berlin in der Nacht zu Neujahr emsig vorbereitet. Doch wie im letzten Jahr, als das Narrativ im Gegensatz zum Jahreswechsel von 2022 auf 2023 nicht so richtig verfangen wollte, blieb auch dieses Mal der große Aufschrei aus.
Um aus dem Thema trotzdem irgendwie Kapital zu schlagen, haben Berliner Polizisten offenbar mit dem fremdenfeindlichen Portal Nius von Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt zusammengearbeitet. Inzwischen ermittelt das Dezernat für Polizei- und Korruptionsdelikte des Landeskriminalamtes, wer die Daten durchgestochen hat.
Am Dienstag veröffentlichte Nius eine vorläufige Liste mit Namen von deutschen Staatsbürgern, die in der Silvesternacht in Berlin festgenommen worden waren. Skandal! Auf der Liste mit 256 »Tätern«, die man »exklusiv« aus »Sicherheitskreisen« zugespielt bekommen habe, fänden sich »vergleichsweise wenige Vornamen deutschen Ursprungs wieder«. Die Liste beginne mit Namen wie Abdul Kerim, Abdulhamid, Abdulkadir, Abdul Karim und Abdullah. Ali sei achtmal auf der Liste, Hassan dreimal, Mohammed sogar zwölfmal! Nur »maximal 90 Vornamen« ließen sich als »deutsch« kategorisieren – zum Beispiel Frederick, Moritz, Ronny und Sebastian. »Das Problem muss man benennen – und darf es nicht aus Idealismusgründen ausschweigen«, wird ein Polizist zitiert, der anonym bleiben wollte.
Der Berliner Polizeisprecher Florian Nath versuchte am Mittwoch, den Schaden zu begrenzen. Es sei inakzeptabel, dass »offenbar illegal Namenslisten von Tatverdächtigen« herausgegeben wurden, erklärte er dem RBB. Das sei ein Verstoß gegen den Datenschutz und befeuere einen »diskriminierenden Erklärungsansatz für individuelle, strafrechtliche Verhaltensweisen«. Kritik kam auch von der SPD. Die »Herausgabe von Namen von Tatverdächtigen durch einzelne Polizeibeamte« sei »inakzeptabel, unabhängig, welche Motive dafür vorgebracht werden«, erklärte der SPD-Innenexperte Martin Matz laut Tagesspiegel (Donnerstag).
Profitieren dürfte nicht zuletzt die AfD. Die Berliner Fraktion wollte nach der diesjährigen Silvesternacht die Vornamen der festgenommenen Verdächtigen erfahren – wie im Vorjahr schon die CDU, die aber nach heftiger Kritik einen Rückzieher machte – und eine neue »Vornamendebatte« lostreten.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (9. Januar 2025 um 21:05 Uhr)Wie viele typische deutsche Vornamen wie Noah, Matteo, Elias, Luca, Leon, Theo, Finn, Paul, Emil, Henry, Emilia, Sophia, Hannah, Mia, Lina, Ella, Lia, Leni oder Mila waren dabei? (Namensquelle: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/beliebte-vornamen-2024-emilia-noah-100.html) . Aus der gleichen Quelle: »Rund um Berlin steht bei den Jungen Mohammed auf Platz eins.«
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