Aufrüstung sofort
Von Arnold SchölzelKein Zufall, dass die AfD 2013 maßgeblich von Professoren der Wirtschaftswissenschaft gegründet wurde. Der damals beschworene Untergang Deutschlands wegen des Euros trat nicht ein, im Gegenteil: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt enteilte dem der Konkurrenten Frankreich und Britannien. Es stand 2023 hierzulande bei mehr als 4,5 Billionen US-Dollar, das französische bei gut drei Billionen Dollar, das britische bei 3,4 Billionen – 2013 waren die Verhältnisse noch 3,7 Billionen zu 2,8 Billionen zu 2,8 Billionen.
Nun aber drohen Russen und Trump-Amis gemeinsam. Es sei eine »Zeit wachsender geopolitischer Bedrohungen und globaler Unsicherheit«. Mit dieser Feststellung beginnt eine Art Tagesbefehl fürs politische Personal von vier deutschen »Stars« der Ökonomie – Clemens »Kanonen statt Butter« Fuest, Moritz Schularick, Armin Steinbach und Guntram Wolff – am Freitag in der FAZ. Überschrift: »Deutschland braucht mehr finanzielle Ressourcen für die Verteidigung – noch vor der Wahl«.
Die Hauptbedrohung geht für die vier von der erneuten Präsidentschaft Donald Trumps und seinen »Nominierungen für wichtige Posten« aus: Beides zusammen sende »Schockwellen durch Europa«. Die vier von der Wahrsageanstalt kennen nämlich die wie immer düstere Zukunft: »Schon bald könnte die Unterstützung der Ukraine allein von uns Europäern abhängen. Ein solches Szenario würde erhebliche zusätzliche finanzielle Ressourcen erfordern, die schnell und nur mit langfristiger Perspektive bereitgestellt werden müssen.« Anders gesagt: Waffenruhe, Waffenstillstand oder gar Frieden, also Landesverrat, haben die Sachverständigen für alles aus ihrer Preisberechnung ausgeschlossen. Oder vielleicht umgekehrt: Sollte Trump das gefährlich Verrückte wahrmachen und mit den Russen einen Ukraine-Deal verabreden, muss Deutschland zahlen. Weil der Russe nicht anders kann und wieder einmal Deutschland angreift. Wie 1945. Oder war das anders?
Egal, muss ein deutscher Professor knapp 80 Jahre später nicht wissen, die vier meißeln die Worte wie einst Moses die Zehn Gebote in Steintafeln. »Die Gefahr für die Sicherheit unserer Gesellschaft ist real.« Das Böse lauert. Es folgt bester Managernullsprech: »Die Herausforderung trifft auf ein Umfeld, in dem der Handlungsspielraum der demokratischen Mitte durch den Aufstieg populistischer Parteien zunehmend begrenzt wird.« In gewöhnlicher Sprache: Die Russenfreunde von AfD und BSW bekommen so viele Mandate, dass die auf Krieg versessene »Mitte« nicht mehr eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag für eine Verfassungsänderung zusammenbekommt. Wenn aber dieses radikale Zentrum gemeinsam noch vor der Wahl das Bundesverfassungsgericht vor der Übernahme durch Alice Weidel/Tino Chrupalla und Sahra Wagenknecht schützen kann, dann soll es gefälligst auch die Voraussetzungen schaffen, »dass Deutschland sicherheitspolitisch handlungsfähig bleibt«. Bedeutet: »Nettoinvestitionen für Verteidigung« von der Schuldenbremse ausnehmen und – zack, zack – »sofort mit der Umschichtung von Ausgaben zu beginnen«. Wenn schon Wahn, dann bitte nicht von Streichen, Kürzen und »Sparen« reden. Die Bevölkerung wird noch gebraucht – für Profitproduktion und/oder Krieg.
Die »alternative Lösung«: ein »Sondervermögen für die Bundeswehr von 300 Milliarden Euro oder mehr«. Das »würde ebenfalls sofort Aufrüstung ermöglichen«. Wobei die gleichzeitig auf lange Frist angelegt werden müsse, sonst baue die Rüstungsindustrie keine Kapazitäten auf.
Der kollektive Rappel der vier Koryphäen breitet sich in den oberen Etagen der Gesellschaft aus. Dort verschärfen sich Ton und »Lösungen«. »Aufrüstung sofort« ist eine passende Überschrift für die nächste Zukunft.
Der kollektive Rappel der vier Koryphäen breitet sich in den oberen Etagen der Gesellschaft aus. Dort verschärfen sich Ton und »Lösungen«. »Aufrüstung sofort« ist eine passende Überschrift für die nächste Zukunft.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Norbert S. aus München (30. November 2024 um 12:38 Uhr)Die Mietmäuler der westlichen Herrscher zeigen die erwartbaren Reaktionen des im Niedergang befindlichen westlichen Kapitals: »Wenn wir schmarotzenden Abzocker nicht die Welt beherrschen dürfen, dann darf das niemensch. Dann bomben wir sie halt alle kurz und klein und verrecken ›gemeinsam‹ im nuklearen Feuer und Eis.« Denn Ukraine / Russland ist ja nur vorgeschoben, ursprünglich gedacht als »drittes Afghanistan« mit Ziel, China zu schwächen, indem Russland als Atombombenmachtfaktor geschwächt wird. Das schlägt jetzt nicht nur zu ihren eigenen Ungunsten um – das Westkapital hat sich nicht nur – eigentlich sehr simple vorhersehbar, wenn mensch nicht in der aus kolonialen Zeiten rührenden Arroganz und entsprechender Blindheit gefangen ist – mittels ihres kriegstreiberischen Massenmords selbst geschwächt. Es hat im Gegensatz zu China auch keinerlei nachhaltig relevanten strategischen Potentiale, aus der Position der Schwäche herauszukommen. Daher die für Psychopathen eben sehr folgerichtige Reaktion a la: »Brennt alles nieder!«
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (29. November 2024 um 22:33 Uhr)Ein schlechter Treppenwitz der Aufrüstung: Die Idee, Deutschland durch eine gewaltige Aufrüstung wieder zur Schwerindustrienation im Stil vergangener Zeiten zu machen, mag auf dem Papier verlockend klingen. Doch woher sollen die dafür nötigen Energien und Rohstoffe kommen? Unter Tage zu schuften, wie es noch vor 100 Jahren gang und gäbe war, ist hierzulande längst eine aussterbende Kunst. Der Wunsch, sich die Hände schmutzig zu machen, schwindet ohnehin proportional zur Zunahme der Büroarbeitsplätze. Also alles importieren: Stahl, Seltene Erden, Energie? Hervorragend – so wird das Militärgerät teurer als jedes Kunstwerk. Dabei ist nicht nur die Bereitschaft zum Malochen rar, sondern auch die Zahl fähiger Ingenieure, die den ganzen Krempel entwerfen könnten. Die einstige »Arbeiterklasse« hat sich längst in Banken, Versicherungen und Consulting-Büros eingerichtet. Dort kann man sich gepflegt die Hände reiben, ohne jemals Maschinenfett an den Fingern zu haben. Die Realität: Die Zeiten der Schwerindustrie in Deutschland sind vorbei – genauso wie die Illusion, dass man mit teuren Importen und fehlenden Fachkräften eine florierende Rüstungswirtschaft aus dem Boden stampfen könnte. Aber wer will sich schon von solch lästigen Details die große Vision von »Kanonen statt Butter« verderben lassen? Fazit: Die große Aufrüstung ist nicht nur unrealistisch, sondern ein ökonomischer Schildbürgerstreich. Uns fehlen die Ressourcen, die Kapazitäten und, seien wir ehrlich, auch die Lust dazu.
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