Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 29.11.2024, Seite 8 / Ansichten

Bericht aus Brüssel

Parlament »bestätigt« EU-Kommission
Von Martin Sonneborn
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Da freut sich die Kommissionspräsidentin. Das Parlament hat ihre Kommissare bestätigt (Strasbourg, 27.11.2024)

Mit 52 Prozent der abgegebenen Stimmen ist vonderLeyens Kommission am Mittwoch vom EU-Parlament »bestätigt« worden – das schlechteste Ergebnis seit ungefähr 300 Jahren. Unsere Prognose: Es wird auch die schlechteste Kommission der Geschichte sein. Mittelmäßige Kommissare und von ihrem Beraterstab geschickt zugeschnittene überlappende Kompetenzbereiche sorgen dafür, dass vonderLeyen noch weniger Widerstand begegnet als in der vergangenen Legislatur. Dabei ist sie eigentlich nicht die absolutistische Regentin, als die sie sich geriert, sondern eine »prima inter pares«, lediglich dafür bestellt, die Beschlüsse ihres komischen Kommissar-Kollegs nach außen zu vertreten.

Zu verdanken ist diese degenerierte Fortschreibung des Status quo dem Geschick der konservativen Europäischen Volkspartei EVP, die mit Hinterzimmerdeals seit 25 Jahren in Brüssel regiert, der Lethargie & Selbstdemütigungsbereitschaft der Sozialdemokraten – und den Stimmen einer seltsamen Koalition eingefleischter ideologischer Feinde: der »rechtskonservativen« EKR-Fraktion und der »grünen« Grünen. Sie haben die fehlenden Stimmen geliefert – die EKR aus Überzeugung, die Grünen infolge eines Stimmenhandels um Exfraktionschef Philippe Lamberts, für den vonderLeyen eigens einen gutdotierten, mit Steuergeld bezahlten Beraterposten für Klimazeugs schuf. Die militärische Aufrüstung der EU (laut Lissabon-Vertrag verboten) und die – mit Kriegskommissar Kubilius & Außenbeauftragter Kallas – geradezu programmatische Feindseligkeit gegenüber Russland, China, Iran hat die Parlamentarier nicht gestört.

Das EU-Parlament (Friedensnobelpreis 2012) ist, ohne dass das in Deutschland so recht wahrgenommen würde, schon lange auf Kriegskurs. So aggressiv, dass die beklopptesten US-Neocons mit den Ohren schlackern würden. Meine Lieblingsresolution forderte im September finanzielle & militärische Unterstützung der Ukraine bis zum Sieg (!), Lieferung von TAURUS-Marschflugkörpern (= Kriegserklärung an Russland) und Kampfflugzeugen und eine jährliche Zusatzabgabe aller EU- und NATO-Staaten von 0,25 Prozent des BIP für direkte Waffenlieferungen an die Ukraine. Für das kaputte Deutschland wären das rund zehn bis zwölf Milliarden, falls Habeck das BIP durch Deindustrialisierung nicht noch weiter senkt.

Dass das EU-Parlament dies alles durch Bildung einer angeblich »proeuropäischen« Großkoalition stützt und – angesichts von Militarisierung, Deindustrialisierung, Austerität, Kommissionsmachtfülle, Krieg & Frieden – de facto auf die Formierung einer politischen Opposition und die ordnungsgemäße Ausübung seiner (parlamentarischen) Kontrollfunktion verzichtet, ist ein starkes Stück.

Oder in den Worten Jean-Claude Drunckers: »Meine Damen und Herren, das Europäische Parlament ist lächerlich. Sehr, sehr lächerlich.«

Martin Sonneborn ist Mitglied des EU-Parlaments und Vorsitzender der Partei Die PARTEI.

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  • Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (29. November 2024 um 16:34 Uhr)
    Der Artikel hat mir gut gefallen. Aus Brüssel kommt selten so Erhellendes. Ist Sonneborns Spaß- und Satirepartei etwa zur ernsthaften echten Friedenspartei geworden? Das wäre gut, denn es gibt zu wenige davon unter den deutschen Emissären in der EU-Hauptstadt.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (29. November 2024 um 09:08 Uhr)
    Man könnte ja geradezu erfreut sein, wenn das sogenannte Europäische Parlament »nur« lächerlich und das Ganze lediglich eine enorme Geldverschwendung wäre; es ist aber vielmehr und vor allem brandgefährlich. Brandgefährlich für die Demokratie, für den Frieden in Europa und in der übrigen Welt und somit für unser aller Zukunft und die unserer Kinder und Enkel.
  • Leserbrief von Norbert Seefeld aus Stockholm (Schweden) (29. November 2024 um 09:07 Uhr)
    Ein bemerkenswert bissiger Kommentar, den man gerne liest. Vom Autor Martin Sonneborn wünscht man sich in dieser Zeitung viele weitere Glossen, mit denen er die aktuelle Tagespolitik polemisch und spöttisch begleitet.

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