Kahlschlag bleibt Kahlschlag
Von Max OngsiekAls die Kollegen der Kölner Ford-Werke am Mittwoch zur Betriebsversammlung zusammenkamen, herrschte unter den 8.000 Teilnehmern beinahe Totenstille. Die Nachrichten der vergangenen Woche saßen ihnen vermutlich noch in den Knochen, Zukunftsangst war deutlich zu spüren. Der nicht mehr kämpferische, sondern resigniert wirkende Gesamtbetriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka erklärte auf der anschließenden Pressekonferenz, »es ist ein schwerer Tag für uns in Köln«. Das Ford-Management forderte er abermals auf, endlich ein Zukunftskonzept zu entwickeln. »Man müsse das Auto neu denken«, sagte Gruschka, der zugleich Vorsitzender des europäischen Ford-Betriebsrats ist.
Am Mittwoch voriger Woche hatte der US-Autobauer den Kollegen verkündet, Arbeitsplätze in seinen europäischen Werken kompromisslos zusammenzustreichen: insgesamt 4.000 Stellen, davon allein in Köln 2.900. Das Werk in der Domstadt sei »nicht mehr profitabel«, der Absatz der beiden neuen E-Autos »funktioniere nicht«. In direkter Reaktion darauf hatte Gruschka das rücksichtslose Vorgehen des Konzerns kritisiert. Als Gesamtbetriebsrat habe man keinerlei Verständnis dafür, zum »vierten oder fünften Mal« die Werke zu »restrukturieren«. »Massiver Stellenbau« sei »keine nachhaltige Gesamtstrategie«. Das Unternehmen habe es sich anscheinend zum Ziel gesetzt, die Arbeitsplätze in Deutschland »mehrheitlich« zu vernichten. Zwischen 2018 und 2020 hat Ford bereits 5.400 Arbeitsplätze beseitigt, die Fahrzeugfertigung im Werk in Saarlouis soll bis November 2025 endgültig eingestellt werden. Insgesamt fallen dort 4.200 Arbeitsplätze weg, 1.000 bleiben am Standort. Eine Kahlschlagpolitik.
Der Umbau der europäischen Werke kommt einer Demontage gleich. Alles, was nicht zum klassischen Kerngeschäft, also dem Bau von Autos, gehört, fliegt raus. Nach den eher vagen Angaben von Gruschka geht es dabei um Stellen in der Verwaltung, der Produktentwicklung, bei den fertigungsnahen Dienstleistungen und jenen außerhalb des Fahrzeugbaus.
In der vergangenen Woche hatte der Gesamtbetriebratsvorsitzende noch einigermaßen kämpferisch geklungen, das »rücksichtslose Vorgehen« des Autobauers verurteilt und erklärt: »Ford selbst wird bald merken, dass die vorgestellten Pläne ein Fehler sind.« Am gestrigen Mittwoch war er dann deutlich zurückhaltender. Denn der Konzern schickte gleich eine Drohung hinterher: »Weitere Maßnahmen können kommen«, wenn dies erforderlich sei, teilte das deutsche Ford-Management gleichen Tags mit.
Damit bleibt unklar, wie der Betriebsrat nun weiter gegen den Kahlschlag bei Ford vorgehen will. Einspringen soll der Staat. Die in Köln produzierten Elektroautos verkaufen sich ausgesprochen schlecht, weshalb die Kollegen schon längst Kurzarbeit zugestimmt hatten. Daher sei es jetzt an der Zeit, sagte Gruschka, dass die Politik den Kauf von E-Autos durch Prämien und den Ausbau der Ladeinfrastruktur attraktiver mache. Die nächste Betriebsversammlung bei Ford in Köln findet am 10. Dezember statt. Ob die Unternehmensleitung das von Gruschka geforderte Zukunftskonzept vorlegen wird und ob das dann eine auch nur minimal befriedigende Lösung für die Kollegen bereithalten wird, ist völlig offen.
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Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (28. November 2024 um 09:17 Uhr)Umweltschützer und unter ihnen die Verfechter der »Verkehrswende« werden die Situation wohl nicht ganz so negativ sehen: Weniger Autos verschmutzen die Umwelt weniger!–Außerdem leben wir im Kapitalismus, und ein Unternehmen kann die Arbeiter nur von den Verkaufserlösen entlohnen. Sinkt die Nachfrage, bringen die auf Halde produzierten Waren nichts ein. Und wieso sinkt die Nachfrage? Klar, Verkehrswende! Aber hinzu kommt die chinesische Konkurrenz, die selbst die teuren E-Autos deutlich billiger anbieten kann. Ein Grund sind die Löhne der chinesischen Autobauer, verglichen mit denen der deutschen, und das wirkt sich das auf den Preis der Autos aus. Man könnte fragen, ob die Entlohnung der chinesischen Autobauer gerecht ist. – Ford reagiert, kurz gesagt, wie im Kapitalismus üblich. – Die Forderung, »endlich ein Zukunftskonzept zu entwickeln« ist leicht dahingesagt. Wie kann die gesamte Belegschaft, die jahre- und jahrzehntelang Autos gebaut hat, in kürzester Frist auf gänzlich andere Produkte umgeschult werden?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (27. November 2024 um 21:45 Uhr)Mitarbeiter sind keine Ware, das stimmt. Aber sie haben nur eine, und die müssen sie verkaufen. In den Zeiten von Comanagement ist dieses früher vorhanden gewesene Wissen in der Versenkung verschwunden.
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