Mehr Begeisterung bitte
Von Kristian Stemmler
Die SPD-Parteispitze hat den Bundeskongress der Jusos am Wochenende in Halle (Saale) zu nutzen versucht, um den innerparteilichen Unmut über den merkwürdigen Modus der Kür des Kanzlerkandidaten der Partei aufzufangen. Zum Auftakt des Kongresses hatte Juso-Chef Philipp Türmer unter dem Applaus der rund 300 Delegierten den SPD-Kovorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken mit markigen Worten »eine Shitshow in den letzten Wochen« vorgehalten.
Vorstandsmitglied Mareike Engel sprach von einem »Pressekrieg zwischen Männern mit Egoproblemen«. Die Delegierte Nina Gaedicke erklärte: »Wir sollen in einen historischen Bundestagswahlkampf ziehen – und die SPD verstolpert die Kanzlerfrage!« Ein anderer Delegierter warf der SPD-Führung eine inhaltlich wenig überzeugende Strategie vor. Es reiche nicht, mit Olaf Scholz »eine Kampagne des kleineren Übels zu fahren«. Nötig sei Begeisterung. Dafür sei ein umfassendes Umverteilungsprogramm nötig. Auch Pistorius wurde kritisiert. Auffallend war allerdings, dass die Kritik sich vor allem auf Fragen der Außendarstellung konzentrierte, kaum jedoch inhaltlich auf die Arbeit der SPD-geführten Bundesregierung zielte. Der Bundeskanzler, in den 1980er Jahren Vizechef der Jusos, ließ sich übrigens erneut nicht bei dem Kongress der Parteijugend blicken.
Esken gab sich bei ihrem Auftritt zerknirscht. »Nein, wir haben kein wirkliches gutes Bild abgegeben bei der Nominierung unseres Kanzlerkandidaten«, sagte sie unter Applaus. »Wir alle sind in tiefer Sorge um die Sozialdemokratie«, setzte Esken hinzu. Die SPD dürfe nicht dem Trend gegen die Sozialdemokratie in anderen Ländern Europas zum Opfer fallen. Vor Journalisten sagte Esken mit Blick auf die Kandidatendebatte allerdings, man gehe aus der Debatte nicht beschädigt, »sondern auch gestärkt hervor, weil wir eben große Einigkeit jetzt erzielt haben«.
Nach Eskens Rede erneuerte Türmer seine Kritik. Ihm habe »wirklich der Plan und auch tatsächlich die Führung in dieser Frage der Parteispitze gefehlt«. Die Debatte sei »destruktiv« gewesen, sie sei jetzt aber beendet. Es brauche jetzt »eine klare Strategie, wie wir in diesen Wahlkampf gehen«. Von Scholz forderte der Juso-Chef »eine Veränderung in der Tonalität und der Programmatik«. Im Leitantrag des Juso-Bundesvorstandes hieß es dazu: »Statt Abgrenzungsdebatten nach unten zu führen, gilt es endlich wieder mutig die Verteilungsfrage zu stellen.« Man wolle »die 95 Prozent endlich besserstellen und dafür den übermäßigen Reichtum des reichsten Prozents endlich gerecht in Verantwortung nehmen«.
Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hubertus Heil zeigte sich beim Kongress verärgert über die Querelen um die »K-Frage«. »Das war nicht gut in den letzten Tagen«, sagte der Arbeitsminister. Die SPD sei »keine Selbsthilfegruppe«. Die Partei müsse sich jetzt »verdammt noch mal zusammenreißen und gemeinsam stehen, damit wir gewinnen«.
Großes scheint der SPD derzeit nur FDP-Chef Christian Lindner zuzutrauen. Er warf der Partei vor, eine »Zerstörung« der FDP anzustreben. Dem Handelsblatt sagte der von Scholz entlassene ehemalige Bundesfinanzminister, die SPD folge dabei einem »eiskalten taktischen Kalkül«, weil eine starke FDP im Bundestag »automatisch das Risiko einer Beteiligung von SPD oder Grünen an der nächsten Bundesregierung« senke. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast konterte mit dem Vorwurf, Lindner habe mit seinem geplanten Ausstieg aus der Koalition »das ganze Land verraten«.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Kay Nietfeld/dpa13.11.2024
Regierung in Abwicklung
- Kay Nietfeld/dpa09.11.2024
Party am Grab der Ampel
- imageBROKER/Joko/imago images02.02.2024
Manöver gegen Bürgergeld
Mehr aus: Inland
-
»Dieser Besuch ist ein unfreundlicher Akt«
vom 25.11.2024 -
Die Heizung bleibt kalt
vom 25.11.2024 -
Bosch-Hammer im Anschlag
vom 25.11.2024 -
Rüstung soll’s in Häfen richten
vom 25.11.2024 -
»Wir verstehen das als subtile Drohung«
vom 25.11.2024