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Aus: Ausgabe vom 18.11.2024, Seite 12 / Thema
Klimawandel in Südasien

Wettlauf gegen die Zeit

Einige südasiatische Länder sind schon heute besonders stark vom Klimawandel betroffen. Doch die Energiewende kommt nicht überall so schnell voran wie nötig
Von Thomas Berger
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In Bangladesh, das besonders vom Klimawandel betroffen ist, haben schwere Regenfälle und Überschwemmungen in den letzten Jahren zugenommen. Im Bild: Überflutungen in Feni im Südosten des Landes (25.8.2024)

In Rekordtempo abschmelzende Gletscher im Himalaja, dem »Dach der Welt«. Enorme Dürren auf der einen, Überschwemmungen in seit Generationen nicht gekanntem Ausmaß auf der anderen Seite – und beides, abwechselnd, immer häufiger, zuletzt dieses Jahr mit einer Flutkatastrophe in Bangladesch, zwei Jahre zuvor mit 33 Millionen Betroffenen in Pakistan. Dazu erodierende Küstenlinien, Versalzung landwirtschaftlicher Flächen und mit den Malediven ein Inselstaat, der infolge des steigenden Meeresspiegels mittelfristig von der Landkarte zu verschwinden droht: Keine Frage, Südasien ist eine Weltregion, in der sich die Folgen des menschengemachten Klimawandels schon heute so deutlich zeigen wie kaum irgendwo anders auf dem Planeten. Dass dabei nicht selten die Ernten komplett vernichtet werden und der Ackerbau in manchen Gegenden in Pakistan oder Bangladesch grundsätzlich in Frage steht, bedroht zudem auch die Ernährungssicherheit rund eines Viertels der Weltbevölkerung.

Dabei tragen die Länder des Subkontinents selbst wesentlich weniger zur globalen Herausforderung des Klimawandels bei als die klassischen Industrienationen der »Ersten Welt«. Der jeweilige Pro-Kopf-Ausstoß des Treibhausgases CO2, auf das sich auch bei der zur Zeit in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stattfindenden Weltklimakonferenz (COP 29) wieder alle Debatten fokussieren, liegt bei einem Bruchteil dessen, was Menschen im Schnitt in Mitteleuropa oder den USA emittieren. Zwar ist die aufstrebende Wirtschaftsmacht Indien inzwischen mit insgesamt knapp 2,7 Milliarden Tonnen jährlich (2022) zur Nummer drei auf der Liste der nominell größten Klimasünder nach China (12,7 Milliarden Tonnen) und den USA (4,85 Milliarden Tonnen) aufgestiegen. Doch relativiert sich das beim Blick auf die real deutlich aussagekräftigeren Pro-Kopf-Werte. Denn die Durchschnittsinderin liegt mit statistisch 1,89 Tonnen im Jahr deutlich hinter den 14,21 Tonnen einer US-Amerikanerin und immer noch weit hinter den Werten für Japan (8,66 Tonnen) oder Deutschland (8,01). Noch größer ist der Abstand etwa bei Pakistan (0,82 Tonnen), Bangladesch (0,64) oder Nepal (0,53).

Der gemeinsamen Verantwortung, den globalen Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts wenigstens noch im Segment zwischen 1,5 und zwei Grad zu halten, können sich aber auch die südasiatischen Länder nicht entziehen. Allerdings sind die grundlegenden Voraussetzungen insbesondere für die dringend notwendige Energiewende in diesen Ländern teilweise sehr unterschiedlich. Gleiches gilt für den politischen Willen der jeweiligen Staatsführungen. So ist bei den radikalislamischen Taliban, die seit drei Jahren wieder in Afghanistan herrschen, kaum erkennbar, dass der Klimawandel irgendeine Rolle spielen würde. Allerdings ist das Land aufgrund der internationalen Isolation ein Sonderfall. Derzeit ist nicht absehbar, wie mit den weitgehend geächteten Machthabern in Kabul selbst beim Thema Klimawandel eine niedrigschwellige Zusammenarbeit in Gang kommen könnte.

Indien auf Platz vier

Abseits dieses Sonderfalls gibt es mitunter vielversprechende Ansätze. Indien hat, was die Stromproduktion betrifft, zweifellos Bemerkenswertes erreicht, das muss man der im Frühjahr wiedergewählten Regierung unter dem Hindu-Nationalisten Narendra Modi zugestehen. Das erklärte Versprechen, bis 2030 immerhin 50 Prozent der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu schaffen, steht kurz vor der Einlösung. Am 31. Oktober, noch rechtzeitig mit Blick auf die Weltklimakonferenz, hat der zuständige Minister Pralhad Joshi die »Renewable Energy Statistics 2023–24« vorgelegt. Daraus geht hervor, dass sich Ende März die installierten Kapazitäten zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen auf 190,27 Gigawatt beliefen, das sind nunmehr rund 43 Prozent. Für die vergangenen neun Jahre bedeutet das einen Zuwachs um 260 Prozent. Auch die Internationale Energieagentur (IEA) erkennt an, dass Indien damit international insgesamt auf dem vierten Platz liegt. In Sachen Solarstrom belegt Delhi ebenfalls Rang vier, in Sachen Windkraftnutzung Platz fünf. Allein im Kalenderjahr 2023 (Indien hat abweichende Haushaltsjahre) kamen laut einer früheren Veröffentlichung des Energieministeriums 13,5 Gigawatt neu hinzu, wofür 740 Milliarden Rupien (8,1 Milliarden Euro) investiert wurden. Eingerechnet sind dabei unter anderem auch 4,9 Millionen installierte Solarpumpen.

Von einem »phänomenalen Wachstum« des Sektors sprach Shishir Priyadarshi, Präsident der Chintan Research Foundation, vor wenigen Tagen gegenüber der Agentur IANS. Ein Jahrzehnt zuvor habe der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen lediglich bei 30 Gigawatt gelegen. Dabei ist es vor allem eine kleine Solarrevolution, die sich zuletzt im Land vollzogen hat. Im Finanzjahr 2023/24, so die jüngsten Zahlen laut einer Meldung von PTI, gab es allein in diesem Teilbereich, der als Motor der erfolgreichen Energiewende fungiert, einen Zuwachs um 15 Gigawatt. Damit hätten allein die installierten Gesamtkapazitäten der Stromerzeugung aus Sonnenenergie im September bei 90,8 Gigawatt gelegen.

Um ein zweites Ziel bis 2030 zu erreichen, nämlich mindestens 500 Gigawatt Stromerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen, bleibt dennoch weiterhin einiges zu tun. Zudem kommt es auch der Regierung dabei möglichst auf Wertschöpfung im eigenen Lande an – bisher musste im Solarsektor noch Ausrüstung im Wert von sieben Milliarden US-Dollar im Ausland gekauft werden. Knapp zwei Drittel dieser Importe kamen aus China. Doch es ist zunehmend auch die einheimische Industrie, die sich in dieser Sparte etabliert. Allein der größte indische Solarmodulhersteller, die Waree Group, hat als nationaler Branchenführer mittlerweile eine Produktionskapazität von zwölf Gigawatt pro Jahr. Firmengründer Hitesh Chimanlal Doshi, der laut einem aktuellen Bericht von Zee News vor 40 Jahren mit einem Kreditbetrag von lediglich 5.000 Rupien (nach jetzigem Kurs 55 Euro) begann, leitet heute ein Unternehmen im Gesamtwert von 42,85 Milliarden Rupien (470 Millionen Euro). Die indischen Preise für die Komponenten gehören überdies zu den geringsten weltweit. Solche Möglichkeiten seien unerlässlich, um sich unabhängig von Importen zu machen, betonte Ende Oktober am Rande einer mehrtägigen internationalen Energiekonferenz in Singapur Kanika Chawla, Direktorin von »Sustainable Energy For All«, gegenüber PTI. Zugleich sei der Energiehunger der mit um die acht Prozentpunkte pro Jahr am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft (Indien ist derzeit im Weltrang Nummer fünf, wird aber bald nach China und den USA auf Rang drei liegen) unermesslich, unterstreicht Chawla. Der stetig weiter steigende Energiebedarf muss beim Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger also immer einberechnet werden. Solar allein reicht da nicht. Nachholbedarf gibt es zum Beispiel noch bei Windkraft. Zudem, so schätzte das Weltwirtschaftsforum laut einer Veröffentlichung von Ende Mai, müsse Indien in nächster Zeit zusätzlich etwa 35 Milliarden US-Dollar pro Jahr in die Hand nehmen, um in die bestehenden Energiesysteme zu investieren – davon gut ein Viertel für Speicherlösungen.

Premier Modi, der beim diesjährigen Gipfel in Baku nicht anwesend ist, hatte auf der Vorgängerkonferenz in Glasgow 2021 erstmals verbindlich das Ziel ausgegeben, bis 2070 klimaneutral zu werden – zugleich aber insgesamt weitaus mehr Beihilfen der entwickelten Staaten für den globalen Süden eingefordert. Indien mag inzwischen bei der Nutzung erneuerbarer Energieträger auf eigene Innovationen und Kräfte setzen. In Sachen Klimaanpassung und Schadensbewältigung ist aber auch Indien auf internationale Solidarität angewiesen. Hitzerekorde von mehr als 50 Grad im Frühjahr rund um Delhi treffen Millionen Arme, die sich keine stromfressende Klimaanlage leisten können, besonders hart. Klimaforscher wie Saleemul Huq, Direktor des International Center for Climate Change and Development (ICCCAD) in Bangladesch, erinnern daher immer wieder an das bis heute nicht ansatzweise eingelöste Versprechen der reichen Länder, pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung des Klimawandels bereitzustellen. Geld, auf das nicht nur die südasiatischen Länder händeringend warten.

Negative CO₂-Bilanz

Einige Länder der Region haben es bei der Herausforderung, Energie kohlenstofffrei nicht aus der Verbrennung von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas zu gewinnen, naturgemäß durch günstige geographische Umstände ein ganzes Stück einfacher als Indien. Das kleine, meist wenig im Fokus stehende buddhistische Königreich Bhutan ist sogar der einzige Staat weltweit, der netto eine negative CO2-Bilanz vorzuweisen hat, also mehr CO2 aus der Atmosphäre entfernt, als es selbst ausstößt. Zu der »grünen« Stromerzeugung vorrangig aus Wasserkraft gesellen sich eine geringe, fast zu vernachlässigende Industrialisierung und andere vorteilhafte Aspekte wie relativ wenig motorisierter Verkehr. Auch das benachbarte Nepal, ebenfalls am Südhang des mächtigen Himalaja gelegen, ist zumindest hinsichtlich seiner Stromerzeugung bereits klimaneutral, wenngleich die Umstellung beim Straßenverkehr mit einer hohen Zahl besonders klimaschädlicher Altfahrzeuge – trotz guter Ansätze mit immer mehr E-Tempos und E-Rikschas in der Hauptstadtmetropole Kathmandu – noch immenser Anstrengungen bedarf. Überschüssige Energie der einheimischen Wasserkraftwerke wird zunehmend exportiert: Ein Abnehmer ist Indien, ein weiterer Anteil wird zukünftig bis nach Bangladesch durchgeleitet.

Die nach Bevölkerungszahl drittgrößte Nation auf dem Subkontinent, wo die Bevölkerung mit einem studentisch geführten Aufstand Anfang August gerade Regierungschefin Sheikh Hasina zum Rücktritt und zur Flucht nach Delhi gezwungen hat, weist insgesamt noch einen besonders hohen Nachholbedarf in Sachen Energiewende auf. Das weiß auch Bangladeschs Interimsumweltministerin Rizwana Hasan. Dass dies nicht so schnell gehen wird wie gewünscht, ist der renommierten Ökoanwältin gleichwohl bewusst: Bangladesch hängt noch ganz tief im »fossilen« Zeitalter fest.

2022 stammten laut der IEA 52,7 Prozent der genutzten Gesamtenergie aus Erdgas, hinzu kamen 26 Prozent Erdöl und 5,5 Prozent Kohle. Erneuerbare Quellen machten nur einen winzigen Anteil aus. Die Energieimporte waren zudem auf einen neuen Höchststand geklettert. Geht es um einheimische Ressourcen, steht Gas bisher sogar bei 71 Prozent, knapp 68 Prozent sind es bei der Stromerzeugung – gegenüber kaum sichtbaren 0,8 Prozent Solarenergie. Abzulesen ist aus den IEA-Statistiken auch, dass sich der Strombedarf gegenüber der Jahrtausendwende mehr als versechsfacht hat. Das ist auch der Grund, warum Bangladesch »schmutzigen« Strom aus indischen Kohlekraftwerken zukauft. Einheimische Varianten sind aber bisher klimatechnisch nicht besser: Das neue Kraftwerk Rampal etwa, erst seit 2022/23 in Betrieb, läuft ebenfalls auf Kohlebasis. Auf Stromimporte aus Indien bleibe das Land zur Bedarfssicherung weiterhin angewiesen, so Professor Ijaz Hossain von der Bangladesh University of Engineering and Technology kürzlich gegenüber dem Onlineportal Eco-Business. Doch müsse auch dabei verstärkt auf »grünen« Strom geachtet werden, mahnte er. Der eigene Anteil der Nutzung erneuerbarer Energieträger mache aktuell nur schmale vier Prozent aus. Im September 2015 hatte die damalige Regierungschefin Hasina am UN-Sitz in New York von UNEP-Direktor Achim Steiner die Auszeichnung »Champions of the Earth« erhalten – der höchste Preis, den die Vereinten Nationen in Sachen Klimaschutzengagement verleihen. Konkrete Aktivitäten im Inland, um insbesondere Sonnen- und Windenergie nutzbar zu machen, hat es im Land aber bisher kaum gegeben. Dabei ist der Handlungsdruck enorm: Bangladesch gilt als das am stärksten vom Klimawandel betroffene Land weltweit.

Bessere Aussichten in Sri Lanka

Im Vergleich dazu sieht es mit der Energiewende in Sri Lanka besser aus. Laut IEA stammten Ende 2022 knapp 41 Prozent der Stromerzeugung aus Wasserkraftwerken, Kohle lag bei 34 Prozent, Öl bei 15,2 Prozent. Insgesamt machten alle erneuerbaren Energiequellen zusammen gut die Hälfte der Energieproduktion des Inselstaats aus. Aber auch Sri Lanka ist zur Bedarfsdeckung auf Zukäufe aus Indien angewiesen. Die neue Regierung unter dem marxistischen Präsidenten Anura Kumara Dissanayake will zwar an den Selbstverpflichtungen ihrer Vorgänger festhalten, bis 2050 klimaneutral zu werden und bei den Erneuerbaren bis 2030 auf einen Anteil von 70 Prozent zu kommen. Aktuell müsse man bei Energieimporten aber auf den Preis achten, und da sei der von einer Tochter des Adina-Konzerns angebotene Windstrom, der zwei Drittel mehr koste als der einheimischer Erzeuger, schlicht zu teuer, heißt es. Ob die noch von Expräsident Ranil Wickremesinghe stammende Absichtserklärung in einen Liefervertrag mündet, sei deshalb noch offen, so Energiestaatssekretär Udayanga Hemapala am 3. November gegenüber der Sunday Times. Klar sei aber das Ziel, alte Kohlemeiler schrittweise auszumustern und Dieselkraftwerke zumindest auf das etwas weniger klimaschädliche Flüssigerdgas (LNG) umzustellen.

Auch in Pakistan fristen Solar- und Windenergie mit einem Anteil von vier und zwei Prozent ein Nischendasein. Immerhin knapp ein Viertel (23 Prozent) steuern die Wasserkraftwerke bei, das in Tarbela am Indus im Norden des Landes gelegene Kraftwerk ist mit knapp 3,5 Gigawatt sogar der mit Abstand größte einzelne Stromerzeuger des Landes. Die Gesamtkapazität der Wasserkraftwerke liegt bei 45,5 Gigawatt. Die Regierung will den ineffizienten und mit 9,5 Milliarden US-Dollar tief in den roten Zahlen steckenden Stromsektor umfassend reformieren. Neben modernen Leitungssystemen geht es dabei auch um die Energiewende, das Umrüsten auf die Nutzung erneuerbarer Energieträger. Finanzminister Muhammad Aurangzeb hat dafür beim Resilience and Sustainability Trust des Internationalen Währungsfonds um Beihilfen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar ersucht, wie Khyber News am 1. November meldeten. Sogar von einem erkennbaren Solarboom ist schon die Rede: Allein 2024 habe das Land Solarmodule für Privathaushalte und Industrie aus China in einer Größenordnung von 17 Gigawatt eingeführt. Pakistan sei damit für die chinesische Branche mittlerweile der siebtgrößte Exportmarkt, wie die Agentur APP jüngst berichtete.

Eine statt zehn Milliarden Bäume

Aber nicht nur hinsichtlich des geringen Anteils der Erneuerbaren ist Pakistan ein Problemfall. Das ausgedehnte Land verfügt über lediglich zwei Prozent Waldfläche; das ist im internationalen Vergleich einer der geringsten Werte. Ein ehrgeiziger Ansatz, das zu ändern und so nicht nur etwas für den Erosionsschutz, sondern auch die CO2-Bindung zu tun, kam zunächst vor zweieinhalb Jahren zum Erliegen. Der heute inhaftierte Oppositionsführer Imran Khan, im April 2022 vorfristig per Misstrauensvotum gestürzt, hatte bereits zu Beginn seiner Amtszeit als Premier 2019 ein Programm zur massenhaften Aufforstung aufgelegt. Im Rahmen des »Ten Billion Tree Tsunami Project« sollten binnen einer Legislaturperiode zehn Milliarden Bäume gepflanzt werden. Bald aber gab es Korruptionsvorwürfe gegen beteiligte Minister und Beamte auf mittlerer Ebene, die der Rechnungshof untersuchte. Auch blieben die zur Verfügung gestellten Mittel schon in den Finanzjahren 2019/20 und 2020/21 zum Teil erheblich hinter dem veranschlagten Bedarf zurück, was zu Startschwierigkeiten führte. Die Vereinten Nationen lobten gleichwohl die Initiative. Bis zum Juni 2021 hatte es immerhin eine Milliarde Neupflanzungen gegeben.

Neuerdings tut sich die Partei Pakistan ­Tehreek-e-Insaf (PTI), der auch Imran Khan angehört und die in der nordwestlichen Provinz Khyber-Pakhtunkwa unter Chefminister Ali Amin Khan Gandapur die Regionalregierung stellt, als Vorreiter hervor. Mitte März stellte sie ein Programm vor, das vorsieht, eine Milliarde neue Bäume zu pflanzen. Dafür gibt es sogar finanzielle Unterstützung aus der Bundesrepublik: Anfang November hat in Peschawar Esther Gravenkotter, Direktorin der staatlichen Entwicklungsbank KfW, mit dem regionalen Wirtschaftsstaatssekretär Kazim Niaz die Vereinbarung über eine Förderung in Höhe von 20 Milliarden Euro unterschrieben, wie die Tageszeitung Dawn meldete. Die Provinz Khyber-­Pakhtunkwa ist genau der richtige Ort dafür: Immerhin 40 Prozent des Waldbestandes Pakistans entfallen auf diese Provinz. Dort will man, hatte Gandapur betont, nicht nur neu pflanzen, sondern bestehende Wälder in Zukunft auch besser schützen. Weit höhere Strafen für illegalen Einschlag und verstärkte Videoüberwachung an Waldeingängen, um kriminelle Aktivitäten zu entdecken, sind angekündigt. Dagegen, dass mit immer extremeren und häufiger auftretenden Hitzewelle wie zuletzt im vergangenen Frühjahr mit neuen Rekordwerten in Nordindien und Pakistan auch die Waldbrandgefahr mit fortschreitendem Klimawandel zunimmt, kann hingegen nur sehr bedingt Vorsorge getroffen werden.

An ein Grundversagen der pakistanischen Politik, ganz unabhängig von den wechselnden Regierungen der vergangenen Zeit, hat wiederum ausgerechnet Sajid Mansoor Ali Shah, einer der dienstältesten Richter am Obersten Gerichtshof des Landes, bei einer Workshopgesprächsrunde in Vorbereitung auf den Klimagipfel Anfang des Monats erinnert. Ungewöhnlich für einen Mann in seiner Stellung, nahm er im Beisein von Reportern kein Blatt vor den Mund, als er betonte, Pakistan habe zwar schon 2017 ein nationales Klimaschutzgesetz verabschiedet, es aber seither versäumt, sowohl ein entsprechendes Budget im Haushalt einzurichten als auch eine nationale Klimabehörde zu schaffen. Beides sei Voraussetzung, wolle man ernsthaft internationale Unterstützung zur Behebung der mittlerweile auf 30 Milliarden US-Dollar geschätzten Gesamtschäden aus der »Jahrhundertflut« 2022 einwerben, wie es Premier Shehbaz Sharif immer wieder versucht. Dessen Regierung schrieb Richter Shah dieses Versäumnis als dringende Aufgabe direkt ins Stammbuch.

Thomas Berger schrieb an dieser Stelle zuletzt am 18. September 2024 über die Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka.

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