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Aus: Ausgabe vom 09.10.2024, Seite 7 / Ausland
Nord- und Ostsyrien

Türkei bombt weiter

Fünf Jahre nach dem Einmarsch in Nord- und Ostsyrien greift Ankara unvermindert selbstverwaltete Gebiete an
Von Tim Krüger
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Besatzungsmacht im Anmarsch: Türkische Patrouille in sogenannter Sicherheitszone (Tell Abjad, 4.10.2019)

Es war ein heißer Spätsommernachmittag, als am 9. Oktober 2019 die ersten türkischen Bomben auf die Städte und Dörfer Nord- und Ostsyriens niederregneten. Unter dem zynischen Namen »Operation Friedensquelle« überfiel die türkische Armee an diesem Tag gemeinsam mit Hilfkräften des islamistischen Milizenverbandes der sogenannten Syrischen Nationalarmee völkerrechtswidrig die kurdisch-arabischen Städte Serêkanîye (Ras Al-Ain) und Girê Spî (Tell Abjad). Bis Ende Oktober gelang es der Türkei, einen 120 Kilometer langen Streifen entlang der syrischen Grenze unter Kontrolle zu bringen. Laut der in Großbritannien sitzenden »Syrischen Beobachtungstelle für Menschenrechte« wurden mehr als 300.000 Menschen durch die Kampfhandlungen aus ihren Wohnorten vertrieben. Bis Ende 2019 wurden nach Angaben der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK), den bewaffneten Verbänden der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, 522 Zivilisten durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss getötet.

Dem Überfall waren lange Verhandlungen und immer wiederkehrende Drohungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vorausgegangen. Unmittelbar nach Besetzung der kurdischen Enklave Efrîn (Afrin) im Nordwesten des Landes im März 2018 – während der mehr als zwei Monate andauernden Militäroffensive wurden über 300.000 mehrheitlich kurdische Zivilisten vertrieben – hatte sich Erdoğan der Ostseite des Euphrats zugewandt. Schon während des Winters ließ Ankara Soldaten mobilisieren und schweres Gerät an der Grenze zusammenziehen. Doch der erwartete Einmarsch blieb aus. Es folgte eine neue Runde der Verhandlungen und für die Bevölkerung banges Warten.

Den türkischen Behörden war die seit 2012 geschaffene Selbstverwaltung im Norden Syriens seit jeher ein Dorn im Auge, und vor allem die kurdischen Verbände auf der südlichen Seite seiner Grenze werden von Ankara als verlängerter Arm der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrachtet. Man werde niemals »einen Terrorkorridor« an der Südgrenze des Landes akzeptieren, geiferte Präsident Erdoğan nicht nur bei einer Gelegenheit. Im August 2019 unterzeichneten die USA und die Türkei dann schließlich ein Abkommen über die Errichtung eines 30 Kilometer breiten »Sicherheitskorridors«, aus dem sich die SDK sowie alle bewaffneten Verbände zurückziehen sollten. Am 6. Oktober 2019 ordnete der damalige US-Präsident Donald Trump den Abzug der US-Truppen an, die im Rahmen des Kampfes gegen den »Islamischen Staat« in Nordsyrien stationiert waren. Damit signalisierte er auch grünes Licht für die türkische Offensive. Wie schon in Afrin, rollten während der Invasion von 2019 auch wieder zahlreiche »Leopard 2«-Panzer aus deutscher Produktion über die türkisch-syrische Grenze. Aber auch Bilder, die zeigten, wie etwa Kämpfer der dschihadistischen Dschaisch Al-Islam, der »Armee des Islams«, Feuerschutz durch deutsches Kriegsgerät erhielten, ließ man in Berlin unkommentiert.

Auch wenn Ende Oktober 2019 offiziell ein Waffenstillstandsabkommen unter russisch-US-amerikanischer Aufsicht verabschiedet wurde, bestimmt der Krieg weiterhin das Leben der Menschen in Nord- und Ostsyrien. In den besetzten Gebieten herrschen Willkür und Terror der islamistischen Milizionäre, türkische Drohnen und Kampfflugzeuge bombardieren vor den Augen der Weltöffentlichkeit weiterhin ununterbrochen die Gebiete der Selbstverwaltung. Allein seit Anfang dieses Jahres wurden mindestens 116 Drohnenschläge mit mindestens 33 Toten und 45 Verletzten dokumentiert. Dabei richten sich die türkischen Luftschläge auch gezielt gegen die Infrastruktur, die Strom- und Wasserversorgung sowie die Öl- und Gasförderung in der Region.

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