Gegründet 1947 Mittwoch, 6. November 2024, Nr. 259
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Aus: Ausgabe vom 10.08.2024, Seite 1 (Beilage) / Wochenendbeilage
Schauspielerei

»Beim nächsten Rosé Frizzante an Tucholsky denken«

Über Wasserglaslesungen und die Angst des Schauspielers, ausgerechnet bei Josef Hader zu versagen. Ein Gespräch mit Robert Stadlober
Interview: Eileen Heerdegen
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»Mich interessiert es, die klassische Theaterform ein bisschen zu durchbrechen« – Robert Stadl­ober

Bei Dreharbeiten zu Evi Romens Kinofilm »Happyland« im Oktober 2023 konnte ich mich mit Robert Stadlober auf ein Interview verabreden, im Juli 2024 war es so weit. Nach ein wenig hin und her per SMS – ausgeschlagener Zahn, der Tochter die Geige in die Schule hinterhertragen – konnte ich einen unkomplizierten, offenen, ehrlichen und lustigen unerschütterlichen Optimisten kennenlernen, der über den Zwang zur Selbstoptimierung, NFT-Schwachsinn und Bitcoin-Bullshit schimpfen kann, manchmal Faschos verprügeln möchte, von dem, was ihn bewegt, aber auch richtig schwärmen kann und trotz der Wahlergebnisse glaubt oder glauben möchte, dass nur zehn Prozent wirklich »lost« sind. Dass wir vielleicht gemeinsam ein neuer Marx werden können und die Welt doch irgendwann einmal ein lebenswerter Raum für alle wird, weil die Grundaufgabe linker Politik doch sein sollte, gemeinsam ein solidarisches Miteinander zu entwerfen.

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Ich bin ein Kontrollfreak, ich muss immer nachgucken, ob das Gerät aufnimmt.

Ist mir tatsächlich passiert! Wir waren für die Musikzeitschrift Intro bei Guided by Voices in Amsterdam, waren mit der Band die ganze Nacht saufen und wollten uns im Zug auf der Rückfahrt im Kassettenrekorder das Gespräch mit dem Sänger und Kopf der Band, Bob Pollard, anhören – es war nichts drauf. Aber wir haben Rudi Carrell im Speisewagen getroffen, der hat uns dann die leere Kassette unterschrieben.

Eine schöne Geschichte. Und was ist die Story hinter dem ausgeschlagenen Zahn beim Konzert? Klingt nach Hard Rock.

Es war eine Krone, die beim Schlag gegen das Mikro rausgefallen ist. Zum Abschluss der Tage der jüdischen Kultur in Chemnitz haben wir unser Heym-Programm gespielt, für manche der meist schon betagten Zuhörerinnen war es vielleicht schon Hard Rock. Denen ist die Musik oft tatsächlich zu laut, um die Texte zu verstehen, glücklicherweise waren sie trotzdem begeistert. Eine alte Frau, die sich mit ihrem Stock den Hügel hoch zur Kreuzkirche gekämpft hatte, kam tief berührt zu mir, weil wir »ihren« Stefan Heym genau so gezeigt haben, wie sie ihn sieht. Es waren erschreckend wenige Menschen ohne direkten Kontakt zum Judentum dort, man war auf eine schöne und gleichzeitig tragische Weise unter sich.

Warum ausgerechnet Stefan Heym? Er ist ja nicht (mehr) so bekannt.

Genau das war der Grund. 2018 habe ich das Programm entwickelt, da standen die Jubiläen, ’89 und ’90 an, und der Mann, der am klügsten über das gesprochen hat, was Deutschland war, werden kann und was es teilweise auch geworden ist – was er nicht mehr mitbekommen musste –, ist eben Stefan Heym. Aber ich wusste auch, dass über ihn niemand sprechen würde, obwohl er in den 80ern schon von brennenden Asylsuchendenheimen gesprochen hat und von den Folgen, wenn man diese Wiedervereinigung nicht sozial abfedert. Eigentlich sollte es ein Theaterstück werden, aber dann kam Corona. Ich saß in Österreich bei meinem Vater auf dem Berg und hatte nur eine Gitarre und zwei kleine Kinder und eben die Gedichte von Stefan Heym, die Inge Heym zu seinem hundertsten Geburtstag 2013 veröffentlicht hatte. Daraus entwickelten sich 19 Lieder, die wir am 3. Oktober 2020 im Kleistforum in Frankfurt/Oder präsentiert haben. Da waren viele interessierte, sagen wir mal vorsichtig, DDR-erfahrene Menschen, bis hoch in die CDU, die haben viele Dinge ähnlich gesehen wie wir, obwohl sich das Programm dezidiert an Heyms Idee von Sozialismus entlangarbeitet.

Und jetzt Kurt Tucholsky. Ein Buch, ein Album, Lesungen mit Musik.

Mir ist es wichtig, das alles zu erhalten. In Deutschland ist Tucholsky noch präsenter, auch Stefan Heym ist nun wirklich nicht vergessen, andere aber schon. Ich habe eine Thomas-Harlan-Lesung zu »Heldenfriedhof« gemacht und viel über den rumänischen Autor Mihail Sebastian. Es gibt den »großartigen Zeman-Stadlober-Leseklub« in Wien, wir präsentieren ausschließlich tote Autorinnen und Autoren, von Marianne Fritz bis Milo Dor – Menschen, die vergessen sind, um Stimmen hörbar zu machen, die zum Schweigen gebracht wurden. Die richtigen Texte zu finden, ist offenbar ein Talent. Ich kann das mit meiner Freude verbinden, Musik zu machen und zu rezitieren.

Stichwort Freude. Ich habe in Wien einen Auftritt erleben können. Es macht Spaß, Ihnen zuzusehen, zuzuhören. Es ist unprätentiös, ist oder wirkt improvisiert.

Mich interessiert es, die klassische Theaterform ein bisschen zu durchbrechen. Ich mag diesen heiligen Theaterdonner nicht mehr, ich mag das gemeinsame Reinstolpern, wenn eine Gemeinschaft mit dem Publikum entsteht. Im besten Sinne barrierefrei, die Hochkultur kann schließlich Angst machen.

Vor zwei Wochen haben wir im sächsischen Glauchau im autonomen Jugendzentrum gespielt, da kamen größtenteils Punks, die normalerweise nichts mit dieser Art von Literatur zu tun haben, aber wir haben, quasi bei einem Indie-Rockkonzert, gemeinsam einen Text erfahren. Das hört sich jetzt esoterisch an, aber es ist etwas anderes, ob du den Text allein für dich oder mit mehreren zusammen liest. Das funktioniert sogar in großen Literaturhäusern. In Freiburg zum Beispiel hatten sie so einen schönen Rosé Frizzante, den haben wir auf der Bühne geöffnet, die Hälfte ist übergesprudelt, wir haben getrunken, begonnen zu spielen und die Leute aufgefordert, sich auch ein Getränk zu holen. Es wurde auch für das eher bürgerliche Publikum dort ein bunter Abend, eine andere Erfahrung als die übliche Wasserglaslesung. Ich wünsche mir, dass man dann beim nächsten Rosé Frizzante an Tucholsky denkt.

Das etablierte Theater kennen Sie auch. Wir waren beide am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, nicht gleichzeitig und ich nicht als Schauspielerin.

Ich bin zum Theater gegangen, um (nach den Filmen »Sonnenallee« und »Crazy«, jW) aus diesem Teeniestarhype rauszukommen, aber Intendant Tom Stromberg hat versucht, genau diesen Hype noch weiter zu melken. Das waren etwas gegensätzliche Voraussetzungen für die Zusammenarbeit, ich war trotzdem fast drei Jahre da, habe brav meine Arbeit gemacht und über 70 Vorstellungen »Romeo und Julia« gespielt. Die Verbannung ragte mit einem Steg in den Zuschauerraum, ich lag dort eingerollt eine Viertelstunde, um mich herum lauter 14jährige, die ständig Fotos machten und »Hey, Robert, Robert, Robert« flüsterten. Als ich dann irgendwann sagte, »Leute, wir sind hier noch mitten im Stück«, hieß es »boah, ist der arrogant, ey«. Ein Beweis dafür, dass es total sinnvoll ist, die vierte Wand sehr früh schon zu brechen, wenn es nicht unfreiwillig passieren soll.

Theater war immer mein Traum, aber ich hatte völlig falsche Vorstellungen. Die Hierarchie, dieses feudalistische Wesen, eine große Enttäuschung.

Das ist heute an vielen Häusern noch schlimmer, obwohl sie alle so unglaublich inklusiv tun.

Alles wahnsinnig tolerant, aber hinter der Bühne herrscht weiterhin dieses eiserne Regiment. Es ist eigentlich unmöglich, Familie und Theater unter einen Hut zu bringen. Du hast Abendproben bis 22 Uhr, dann musst du noch Kritik machen mit dem großkopferten Regisseur bis nachts um eins, mit 17 Weizen, dann um zehn Uhr wieder bei der Probe sein, vorher die Kinder in die Schule gebracht haben – das ist nicht kompatibel mit irgendwas.

Es traut sich kaum einer, Kritik zu üben, egal an was.

Genau, weil es immer schon von ganz oben und durch alle Gewerke gilt, dass man das nicht macht. Ich bin da immer wieder angeeckt, das war dann auch für mich der Grund, Hamburg den Laufpass zu geben. Ich habe mit Christoph Schlingensief gearbeitet, wir waren zwei Monate in Afrika, und danach wollte ich nicht wieder in diese »Fabrik« zurück. Wir haben mit Christoph in der Burg eine größere Sache gemacht, aber auch das blieb in dem hierarchischen System des Burgtheaters. Ich hab’ es dann erst mal ganz bleiben lassen. Bis ich auf die Idee gekommen bin, selbst Theater zu machen und mir die Leute auszusuchen, mit denen ich arbeiten möchte. Ab dem Punkt hat es dann wieder Spaß gemacht.

Aber allein die ganzen Förderhürden zu nehmen ist wahnsinnig mühsam, dazu kommt eine absolute Selbstausbeutung dafür, dass du dann irgendwelche Häuser mit deiner Kulturförderung freundlicherweise als Spielstätte nehmen darfst. Womöglich kommt dann noch der Dramaturg oder Dramaturgin in die zweite Hauptprobe und sagt, »den Text würde ich aber rausnehmen«. Und du denkst nur, »Ey, ich habe das ganze Geld aufgestellt, alles, was ihr macht, ist, diese vier Wände zur Verfügung zu stellen. Ich sehe das nicht ein, mit euch jetzt auch noch inhaltlich zu diskutieren, ihr Pfeifen.« Und es ist auch in der freien Szene so, bis heute. Alternative Spielstätten, Kulturfestivals – ich habe Dinge erlebt, die kann sich Gerhard Polt nicht besser ausdenken. Man möchte sich den Stundenlohn für die Arbeit gar nicht ausrechnen, traut sich aber kaum, zu problematisieren, dass man schließlich von seiner Arbeit leben und Krankenkassenbeiträge zahlen muss, weil einem sofort das Gefühl vermittelt wird, man wolle sich bereichern. Aber natürlich gibt es auch dort Menschen, die von deiner Arbeit gut leben, 14 Gehälter bekommen und mal schnell nach New York fliegen, um sich eine neue Inszenierung an der Lower East Side anzugucken, die vielleicht in ihre Nachmittagssparte passt.

Die Theater werden sich ändern müssen, sonst geht da irgendwann keiner mehr hin.

Aber momentan sehe ich auch in progressiveren Theatern viel zu viel Selbstbespiegelung und aufgesetzte, krampfige Coolness. Eigentlich kann ich keine coolen Theaterstücke mehr sehen, halte keine coolen Leute mehr aus. Coole Leute mit grünen Bomberjacken und engen schwarzen Hosen, abrasierten Haaren, langen Ohrringen und roten Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln, so wahnsinnig ironisch. Wenn man vor denen weggelaufen ist, so 1996, dann findet man das aber nicht so lustig. Na ja. Stop the rant (Schluss mit den Schimpftiraden, jW).

Sie zerstören grad meine sämtlichen Hoffnungen.

Nein, es gibt auch gleichzeitig wunderschöne Sachen, das ist aber meistens dann so undogmatisches Zeug. Strategien der Jugendzentren der 90er und 2000er, nur jetzt für Hochkultur. Es gibt total viel Hoffnung, es gibt viele Orte, an denen schöne Dinge passieren.

Beim »Happyland«-Dreh ist mir aufgefallen, dass die meisten der zahlreichen Komparsen Ihr Gesicht, nicht aber Ihren Namen kannten. Es kursierten sogar Gerüchte, Sie seien ein gewisser Michael Prinz, irgend jemand wusste das genau, weil Sie angeblich der Ex seiner Ex waren. Sind Sie zu wenig in den Klatschspalten?

Ich denke tatsächlich darüber nach, ob ich mehr in solchen Medien auftauchen müsste. Im Gegensatz zu vor 30 Jahren denke ich, dass es für das, was ich zu sagen habe, eigentlich sinnvoll wäre, ein so großes Publikum wie möglich zu erreichen.

Zum Goebbels-Film (»Führer und Verführer« von Joachim A. Lang, im Kino seit dem 11.7., jW) werde ich das ändern, hatte zum Beispiel sogar schon mit der Super-Illu ein tatsächlich sehr faires Gespräch, das ist auch ein schöner Artikel geworden. Wenn ich hier drei kluge, oder sagen wir mal eher, agitatorisch sinnvolle, Sätze sagen darf, ist das besser, als wenn es nirgends stattfindet.

Zurück zu »Happyland«. Mit der Regisseurin Evi Romen schien es mir einen besonders respektvollen Umgang am Set zu geben. Ist es tatsächlich anders, besser, mit Frauen zu drehen?

Natürlich, auch wenn es weniger wird, gibt es eine gewisse Vorstellung von Männlichkeit in der Regieposition, die viele Männer auch versuchen zu erfüllen. Ich habe schon das Gefühl, am Theater noch deutlicher, dass Konflikte und kreative Kämpfe unter Frauen anders ausgetragen werden. Es wird nicht nur der Lauteste gehört, es gibt mehr Raum für das bessere Argument. Es gibt auch dort Konkurrenz, aber mir scheint, dass Frauen eine andere Sensibilität für Stimmen am Rande haben, vielleicht, weil sie einfach so lange selbst in marginalisierten Positionen waren. Und es macht bei kollektivem Arbeiten, wie bei einem Film oder im Theater, auf jeden Fall Sinn, zuzuhören. Damit bricht nicht die totale Basisdemokratie aus, aber ein anderer Blickwinkel kann wichtig sein. Diese »Ein Mann, ein Genie«-Nummer, das hat eigentlich nie funktioniert.

Im übrigen sind Frauen auch beim Konsum von Substanzen wesentlich zurückhaltender, auch das kann beim Arbeiten sehr angenehm sein.

Und die Arbeit mit Josef Hader?

Aus allem, was ich vorhin über Männer gesagt habe, muss man Josef vollkommen ausnehmen! Josef ist der zugewandteste, interessierteste, empathischste Mensch, den ich in dieser Kulturbranche kenne. Und das ist wirklich nicht übertrieben. Es ist unglaublich, wie sehr sich Josef für jede Kleinigkeit auch aus meinem Leben interessiert. Und wenn er nachfragt, dann ist das ehrliches Interesse und kein geheuchelter Smalltalkbeschiss.

Und gleichzeitig diese Bescheidenheit, mit der er Regie führt. Es ist eher ein permanenter Austausch, offengelegtes und ergebnisoffenes Arbeiten. Er zeigt seine Werkzeuge, er tut nicht so, als wüsste er es, sondern wir finden gemeinsam den Weg, der dann für diese Figur richtig ist. All das zeichnet diesen Film (»Andrea lässt sich scheiden«, jW) so aus, es gibt keine einzige Figur, über die sich lustig gemacht wird, keine einzige Figur wird für einen billigen Gag verraten. Zeig’ mir mal irgendeine andere Komödie im deutschsprachigen Raum, wo das funktioniert.

Ich konnte mit Josef ein wunderbares Gespräch dazu führen, mich hat die Wärme begeistert, mit der er über »seine« Schauspieler spricht. Und wir waren uns einig, wie genial-uneindeutig Sie Ihre Rolle spielen.

Danke! Das war eben diese Führung. Wir haben uns vorher ein paar Mal getroffen, aber ehrlich gesagt über ganz viele andere Dinge gesprochen, gar nicht so sehr über die Figur.

Josef hat eine Jause gemacht, wir waren bei ihm im Wohnzimmer und haben einfach sehr schöne Abende miteinander verbracht. Letztendlich waren es nur vier Drehtage, und während dieser Drehtage waren wir uns beide noch nicht sicher, wo diese Figur hingehen muss, um die Figur von Birgit (Minichmayr, jW), also die Andrea, moralisch nicht zu beschädigen. Big Love, gemeinsam abhauen und Sonnenuntergang, wäre so wenig nachvollziehbar, wie wenn sie diesen Typen gleich wegstößt. Also muss er irgendwie »on the edge of creepy« (am Rande des Gruselns, jW) sein, aber gleichzeitig auch so sympathisch, dass er als Option für den Zuschauer nachvollziehbar ist. Ich dachte am Anfang, ich mach alles falsch. Nach jedem Take sagte Josef, ich soll noch mal anders versuchen, noch mal anders, noch mal anders. Ich dachte, »Scheiße! Ich scheitere jetzt hier gerade bei Josef Hader!« Gleichzeitig hatte ich noch »Ein ganzes Leben« in Tirol gedreht, war nur für diese vier Drehtage schnell hergefahren, war auch müde und dachte nur, »Scheiße. Das habe ich jetzt davon, dass ich diesen anderen Film drehe, jetzt dreh ich einmal mit Josef Hader und ich verkack’s auf ganzer Linie.« Auf dem Rückweg habe ich mich dann entschuldigt – tut mir voll leid, war einfach nicht mein Tag, hab’ es nicht gefunden, hab’ es eh gemerkt, ihr wart genervt, es tut mir super leid. Aber Josef sagte, »nein, ich war nicht genervt, das war genau die Suche, und es war super«. Es war also genau der Weg, diese Figur zu finden.

Im Synchron haben wir später noch einmal Nuancen ausgebessert, das war eigentlich das Tollste. Wir haben wirklich einen halben Tag im Synchronstudio verbracht, Josef stand einfach neben mir, und wir haben uns immer wieder abgestimmt, wie die leichten Betonungsveränderungen sind. Josef Hader hat so ein Gespür für Tonalität, es war ein Genuss, das kann man sich nicht vorstellen. Ich habe seine Bühnenprogramme teilweise zehnmal gesehen in verschiedenen Orten, in verschiedenen Publikumssituationen, und er passt es ja immer an. Er hat einfach so ein unglaublich feines Gespür. Ja, das war eine ganz großartige Erfahrung, weil er so ein großartiger Mensch ist. Leider braucht er sehr lange, um Filme zu machen, ich weiß nicht, ob ich die nächsten überhaupt noch erlebe. (lacht)

Sie drehen viel, manche Kollegen müssen die Schauspielerei aufgeben, weil sie nicht überleben können. Haben Sie manchmal Angst?

Ich habe eine Familie und habe schon Angst, oder eher Sorge, dass sich unsere Lebensumstände stark verändern, wenn es bei mir nicht mehr so läuft – auch mir brechen Projekte weg. Mit kleinen Kindern ist man drauf angewiesen, dass das bisschen, was man sich da so an Struktur geschaffen hat, halbwegs funktioniert. Jetzt werden sie älter und hätten wohl mehr Verständnis, aber ein paar Jahre sollte ich vielleicht schon noch durchhalten.

Aber ich glaube, ich hatte noch nie wirklich Angst. Früher mal Angst, an einer Krankheit zu sterben, aber nie Angst vorm Leben. Respekt schon, vor Arbeitslosigkeit und vor Menschen, die damit umgehen, vor Kollegen, die die Größe besitzen, zu sagen: »Ja ok, dann lasse ich den Traum jetzt mal ziehen.« Ich weiß, dass diese freischaffende Kultur ein ganz krasses Privileg ist.

Robert Stadlober, Jahrgang 1982, deutsch-österreichischer Schauspieler, Musiker und Autor. Bereits mit elf erste Synchronarbeiten, 1999 war er der kleine Blonde in »Sonnenallee«, 2000 der Durchbruch mit der Hauptrolle in »Crazy«, diverse Filmpreise. Theaterengagements (u. a. Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Burgtheater), unzählige Rollen in Film und Fernsehen. Aktuell in Josef Haders »Andrea lässt sich scheiden« und in der Hauptrolle als Joseph Goebbels in Joachim A. Langs »Führer und Verführer«. Literarisch-musikalische Tourneen mit vertonten Gedichten von Stefan Heym, ganz neu mit einem ­Tucholsky-Programm.

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