Wieder Ärger um den Haushalt
Von Kristian StemmlerBundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat in der Ampelkoalition einen handfesten Krach heraufbeschworen, weil er den erst vor knapp einem Monat beschlossenen Haushaltsentwurf für 2025 in Frage stellt. Zwei Gutachten, die rechtliche Zweifel am Entwurf äußern, nutzte Lindner, um Nachverhandlungen zu fordern und erneut Kürzungen im Sozialbereich ins Spiel zu bringen. Die Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/Die Grünen attackierten den Minister für seinen Vorstoß. Aus der Opposition wurde eine Verschiebung der Haushaltsberatungen im Bundestag angeregt.
In den Gutachten geht es um drei Vorhaben, mit denen die Finanzierungslücke im Haushalt 2025 um acht Milliarden Euro reduziert werden soll. Zum einen sollten der Deutschen Bahn und der Autobahngesellschaft Darlehen statt Zuschüssen gezahlt werden, um so die Schuldenbremse zu umgehen. Zum anderen sollten ungenutzte Mittel der Staatsbank KfW aus der Zeit der Gaspreisbremse für andere Zwecke im Haushalt verwendet werden. Vor allem diese Maßnahme wurde als rechtlich bedenklich eingestuft.
SPD-Kochefin Saskia Esken ging Lindner am Freitag scharf an. Dass der FDP-Chef seine Bewertung ohne jede Abstimmung in der Regierung vorgenommen und am Donnerstag veröffentlicht habe, als der Gefangenenaustausch in Ankara die Berichterstattung prägte, sei »rücksichtslos und überschreitet für mich die Grenze des Erträglichen in einer Koalition«, sagte sie laut dpa.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sah das genauso. Obwohl das juristische Hauptgutachten Darlehensmodelle bei der Bahn und der Autobahngesellschaft im Kern für möglich halte, behaupte das Finanzministerium, verfassungsrechtliche Zweifel überwögen, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Wenn es »rein fachliche Gründe« für diese Auffassung gebe, müssten diese Fragen innerhalb der Bundesregierung »ohne öffentliches Aufheben« geklärt werden. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warf Lindner eine »Kopf-in-den-Sand-Politik« vor.
Lindner wies die Kritik am Freitag abend zurück. Er sei erstaunt, denn auch Sozialdemokraten wüssten ja, »dass es drei Prüfaufträge gab und keine politische Verabredung gab«. Verfassungsrechtliche Risiken dürfe die Regierung nicht eingehen, »denn wir haben ja schon einmal aufgrund eines Koalitionskompromisses ein Urteil aus Karlsruhe erhalten«. Das sogenannte Haushaltsurteil hatte 2023 Milliardenlöcher in die Finanzplanung gerissen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erklärte zu Eskens Kritik gegenüber dpa, unerträglich sei allein »der Schulden- und Sozialpopulismus der SPD«.
CSU-Chef Markus Söder griff die Koalition an. Die Ampel könne »nicht seriös regieren, das Chaos geht weiter«, sagte er der Augsburger Allgemeinen: »Der Bundeshaushalt ist löchrig wie ein Schweizer Käse, überall offene Fragen und ungedeckte Schecks.« Christian Haase, Chefhaushälter der Union, erklärte gegenüber der Rheinischen Post, die Regierung müsse bis zum 16. August zeigen, »wie sie das 17-Milliarden-Loch stopfen will«. Andernfalls müssten die Haushaltsberatungen verschoben werden. Sein Parteikollege Thorsten Frei sagte demselben Blatt, dass bei »den Sozialleistungen oder der Entwicklungshilfe gespart werden muss«.
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht betonte, die Haushaltswoche im Bundestag sei nicht zu halten. »Natürlich muss jetzt der gesamte Haushalt wieder auf den Tisch und neu verhandelt werden«, sagte sie dpa. Anstatt bei Renten und Investitionen anzusetzen, solle ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag durch Friedensverhandlungen in der Ukraine, eine deutliche Senkung der Asylbewerberzahlen und eine Rückabwicklung des Heizungsgesetzes gespart werden. Die Linke schlug die Wiedereinführung der Vermögenssteuer vor. Das forderte auch DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Weiter erklärte Körzell, an einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse und ihrer grundlegenden Reform führe kein Weg vorbei.
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