Faeser schießt ins Blaue
Von Knut MellenthinAn diese Bilder und Nachrichten wird man sich gewöhnen müssen, aber man sollte es nicht tun: Hunderte Polizisten stehen am frühen Morgen vor den Türen von Privatwohnungen, Büros und anderen Einrichtungen. Stundenlange Durchsuchungen und Beschlagnahmungen folgen. Computer, Aktenordner und andere Papiere, Handys und Bargeld werden abtransportiert. Die meisten Medien unterstützen die Aktionen mit grenzenlosem Verständnis. Am Mittwoch traf es die schiitische Glaubensrichtung des Islam: Ein großangelegter Polizeischlag richtete sich gegen 53 ihrer Einrichtungen in den Bundesländern Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Gleichzeitig gab das Bundesinnenministerium eine Verbotsverfügung gegen das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und mehrere andere Organisationen, die dem IZH zugeordnet werden, bekannt. Darunter sind nach ersten Berichten die Islamische Vereinigung Bayern in München und das Zentrum der Islamischen Kultur in Frankfurt am Main. Mit dem IZH direkt verbunden ist die zwischen 1960 und 1965 gebaute Imam-Ali-Moschee an der Hamburger Außenalster. Das auch als »Blaue Moschee« bekannte, unter Denkmalschutz stehende Gebäude sei beschlagnahmt worden und gehe »in das Bundesvermögen über«, meldete Der Spiegel online am Mittwoch vormittag. Die Bundesregierung »überlege« nun, »was aus der Immobilie werden soll«, die einstweilen »von Sicherheitskräften vor Vandalismus geschützt« werde. Bisher war die Moschee, die bis zu 1.500 Gläubigen Platz bietet, der religiöse Mittelpunkt für die im Großraum Hamburg lebenden Schiiten.
Mit dem Verbot des IZH und der Schließung der Moschee war spätestens nach einer ähnlichen Großaktion der Polizei zu rechnen, die am 16. November vorigen Jahres stattfand. Damals waren im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen das IZH und fünf weitere Vereinigungen 54 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht worden. Das Hamburger Zentrum stehe »im Verdacht, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu richten«, hieß es dazu in einer Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums. Wortgleich sehen jetzt auch die offiziellen Gründe für die Verbotsverfügung aus. Zudem erklärte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), das IZH propagiere »islamistisch-totalitäre Herrschaftsvorstellungen, Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit«.
Der Bundestag hatte die Ampelregierung schon im November 2022 mit großer Mehrheit aufgefordert, »zu prüfen, ob und wie das Islamische Zentrum Hamburg als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann«. Seither hatte es immer wieder Verbotsforderungen von Politikern fast aller im Bundestag vertretenen Parteien gegeben. Die ausnahmslose Zustimmung zu den Maßnahmen des Bundesinnenministeriums vom Mittwoch kommt daher nicht überraschend. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) lobte, »dieser Tag« tue »der Stadtgesellschaft« gut. Von einer »guten Entscheidung für Hamburg« sprach auch die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft, Cansu Özdemir. Das IZH-Verbot allein sei aber zur »Bekämpfung des Islamismus« nicht ausreichend. »Die Zahl gewaltbereiter Islamisten« steige immer weiter an und erfordere »wirksame Präventionsarbeit«.
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