Kein Palästina, niemals
Von Knut MellenthinDas fiktive Kollektiv »Israel« schlägt längst geschlossene Türen gern noch einmal lautstark zu. Am Mittwoch hat das israelische Parlament, die Knesset, eine Resolution verabschiedet, mit der jedem noch so abwegigen Gedanken an einen palästinensischen Staat eine kategorische Abfuhr erteilt wurde. Das wird westliche Regierungen und Diplomaten wahrscheinlich auch künftig nicht daran hindern, von einer »Zweistaatenlösung« zu phantasieren und der palästinensischen Seite immer wieder die Hauptschuld zuzuweisen, dass daraus nichts werden kann.
Genau betrachtet wurde die Resolution vom Mittwoch nur mit 68 gegen neun Stimmen angenommen. 43 der 120 Knesset-Abgeordneten gaben aus unterschiedlichen Gründen kein Votum ab. Sogar Premierminister Benjamin Netanjahu war ferngeblieben. Die wenigen Gegenstimmen kamen von den vier Abgeordneten der sozialdemokratischen Arbeitspartei und einem Teil der insgesamt zehn Abgeordneten arabischer Parteien. Mehrere Vertreter der parlamentarischen Opposition, darunter Benjamin Gantz als Chef der rechtszentristischen Partei Nationale Einheit, stimmten der Resolution zu. Der Antrag war zunächst von der ebenfalls oppositionellen, noch weiter rechts stehenden Partei Neue Hoffnung – Vereinigte Rechte gekommen und dann von mehreren anderen Parteien aus Regierung und Opposition unterstützt worden.
In dem nun beschlossenen Text heißt es: »Die Knesset lehnt die Schaffung eines palästinensischen Staates westlich des Jordans entschieden ab. Die Schaffung eines solchen Staates im Herzen Israels wäre eine existentielle Gefahr für den Staat Israel und seine Bürger, würde den israelisch-palästinensischen Konflikt verewigen und die Region destabilisieren«. Und weiter: »Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis Hamas den palästinensischen Staat übernehmen und ihn in Zusammenarbeit mit der vom Iran angeführten Achse in eine radikalislamische Terrorbasis zur Liquidierung des Staates Israel verwandeln würde.« Außerdem wäre die Befürwortung eines palästinensischen Staates zum jetzigen Zeitpunkt »eine Belohnung des Terrorismus« und »ein Vorspiel für die Machtübernahme des dschihadistischen Islams im Nahen Osten«.
Die am Mittwoch durch die Knesset geschleuste Resolution geht deutlich weiter als eine frühere Resolution, die vom selben Gremium im Februar mit 99 Stimmen verabschiedet wurde. Damals hieß es lediglich, dass ein dauerhaftes Abkommen mit den Palästinensern ausschließlich durch direkte Verhandlungen zwischen den beiden Seiten erreicht werden könne. Die Knesset lehne jeden Versuch ab, »uns die Schaffung eines Palästinenserstaates aufzuzwingen, der nicht nur keinen Frieden bringen, sondern den Staat Israel gefährden würde«. Damals stimmte der Führer der zentristisch-liberalen Oppositionspartei Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft), Jair Lapid, zwar der Resolution zu, erklärte aber zugleich – offensichtlich unlogisch – die Regierung habe »eine gar nicht bestehende Gefahr erfunden«. Niemand habe vor, Israel eine Lösung aufzuzwingen. Am Mittwoch führte Lapid seine Fraktion vor der Abstimmung aus dem Sitzungssaal.
Der Zusammenhang der neuen Resolution mit dem bevorstehenden Auftritt Netanjahus im US-Kongress am Mittwoch nächster Woche liegt auf der Hand. Israels Premierminister, dem laut Umfragen zwei Drittel seiner eigenen Untertanen misstrauen, wird dann in vielfachen Standing Ovations ausländischer »Volksvertreter« baden können, deren individuelle Motivation nicht nachvollziehbar ist. Die Behauptung, es gehe dabei um Solidarität mit Israel, kann man jedenfalls als scheinheilig ausschließen.
Die am Mittwoch beschlossene Knesset-Resolution blockiert die Versuche der Biden-Administration, und insbesondere ihres Außenministers Antony Blinken, den Despoten Saudi-Arabiens eine Ausrede für die »Normalisierung« ihrer Beziehungen zum zionistischen Staat zu ermöglichen, indem unverbindlich von der Öffnung eines »Weges zu einem Palästinensischen Staat« fabuliert wird.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 19.07.2024
Israels heißer Norden
- 18.07.2024
Traumata und Panikattacken
- 16.07.2024
Gaza unter Dauerfeuer
Mehr aus: Ausland
-
Europagipfel in England
vom 19.07.2024 -
Sündenbock Schmuggler
vom 19.07.2024 -
Ohrenwischerei
vom 19.07.2024 -
Israels heißer Norden
vom 19.07.2024