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Aus: Ausgabe vom 25.05.2024, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Marxismus und Aktivismus

Hermann Duncker: Revolutionäre Theorie kann nicht nur aus Büchern erlernt werden, sondern erfordert Verbundenheit mit der Arbeiterbewegung
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Gedenktafel für Hermann Duncker bei der ehemaligen Gewerkschaftsschule in Bernau bei Berlin (8.5.2024)

Das bekannte Leninsche Wort »Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben«, kann man auch so lesen: ohne revolutionäre Bewegung keine revolutionäre Theorie! Und das heißt, auf den einzelnen angewandt, du kannst dir den Marxismus nicht ausschließlich durch wissenschaftliches Studium, Bücher und schulmäßige Unterweisung zu eigen machen, du musst auch mit beiden Füßen in die Praxis der marxistischen Bewegung hineinspringen. Es ist der Rhythmus der proletarischen Massenbewegung, der dich mit fortreißen muss, es ist die Praxis des sozialen, des politischen und ökonomischen Geschehens, die du aktiv mitmachen musst, um den Lebenswert der marxistischen Lehre zu erkennen. (…) Gerade sein Losgelöstsein von der revolutionären Massenbewegung lässt den intellektuellen kleinbürgerlichen Außenseiter trotz alles noch so ehrlichen Studiums nicht zum Marxisten werden. Er bleibt marxistischer Individualist, während doch erst dem Kommunisten sich die grundsätzliche Einheit von marxistischem Wissen und Schaffen offenbart, und daher nur in ihm der Marxismus wahrhaft lebendig werden kann.

Aus: Der Marxist. Blätter der ­Marxistischen Arbeiterschule, Jahrgang 1 (1931) Nr. 1

Die Weltanschauung des Marxismus wird gewöhnlich als dialektischer Materialismus bezeichnet. Die materialistische Grundanschauung, die alle übernatürlichen Vorstellungen und Begriffe bewusst und entschieden ablehnt, ist durch die dialektische Forschungsmethode – das ist die moderne Entwicklungsbetrachtung, die Marx und Engels begründet haben – ergänzt und vertieft worden.

Aber es scheint angebracht, in unserer Weltanschauung noch weitere wesentliche Charakterzüge zu erkennen. Vor allem ist es wichtig, den so überaus bedeutsamen Grundsatz der »Einheit von Theorie und Praxis« gebührend herauszustellen und in einem geeigneten Ausdruck zusammenzufassen.

Vor mehr als 100 Jahren machte Marx dem französischen Materialismus des 18. Jahrhunderts und dem Ludwig Feuerbachs den Vorwurf, dass da die Welt »nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefasst wird; nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit«. Der »kommunistische Materialist« müsse jedoch – so heißt es bei Marx in seiner Schrift über die »Deutsche Ideologie« – »die Notwendigkeit und zugleich die Bedingung einer Umgestaltung sowohl der Industrie wie der gesellschaftlichen Gliederung sehen«.

Aber auch noch in einer anderen Beziehung ist die aktive Betätigung des Menschen von größter Bedeutung für den Aufbau und den Charakter der Weltanschauung. Zu der 2. Feuerbachthese sagt Marx (1845): »Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage.«

Bei einem Denken, das sich von der Praxis isoliert, kann man nie wissen, ob nicht etwa subjektive Sinntäuschungen und persönliche Fehlurteile die Erfassung der Wirklichkeit, der objektiven Realität, verhindert oder beeinträchtigt hatten. Nur durch die Praxis in Experiment und Industrie usw. wird die notwendige Korrektur unseres jeweiligen Wissens ermöglicht und gesichert. Daher haben Marx und Engels immer wieder auf diese Rolle der menschlichen Aktivität hingewiesen. Daher ihre grundsätzliche Betonung der notwendigen Einheit von Theorie und Praxis. Nur so kann sich unsere Weltanschauung als »wissenschaftliche Weltanschauung« behaupten. Wissenschaftliche Hypothesen sind ja in der Entwicklung der Erkenntnis nicht zu vermeiden. Wir sind als Marxisten keine Dogmatiker, sondern ergänzen und vertiefen, korrigieren und bereichern unsere wissenschaftlichen Feststellungen und Wahrscheinlichkeitsannahmen (Hypothesen) ständig durch die fortschrittliche Tätigkeit und praktische Anwendung, die damit zugleich Nachprüfung voraufgegangener Erkenntnisse ist.

Wenn wir diesem Grundzug unserer Weltanschauung einen passenden Namen geben wollen, so können wir ihn wohl am besten als »Aktivismus« bezeichnen. Ein Wort, das uns heute ja auch in anderer Beziehung – die aber, wie wir wissen, gar nicht so weit abliegt – lieb und wert geworden ist. Der Marxismus ist wissenschaftlicher Aktivismus. Nur unausgesetzter und progressiver Aktivismus sichert uns den Besitz der Wahrheit und die Erreichung unseres sozialistischen Zieles. Unsere Weltanschauung und unsere Massenbewegung werden so getragen vom Aktivismus.

Für einen wahrhaften Marxisten ist Aktivismus nicht Sache freier Wahl, sondern innere Notwendigkeit. Wer inaktiv ist, fühlt sich unsicher, er ist im Grunde unwahr. Aktivität beweist die Wahrheit und schafft Wahrheit. Darum vorwärts in Theorie und Praxis auf dem Wege des marxistischen Aktivismus!

Aus: Neues Deutschland, 16.12.1948

Hermann Duncker, dessen 150. Geburtstag sich am 24. Mai jährte, galt als Lehrer dreier Generationen der Arbeiterbewegung. Vor dem ersten Weltkrieg war er erst als Wanderlehrer dre SPD und dann an ihrer zentralen Parteischule tätig, in der Weimarer Republik gründete er die Marxistische Arbeiterschule mit. Von 1949 bis zu seinem Tod 1960 war er Rektor der FDGB-Gewerkschaftshochschule Fritz Heckert in Bernau bei Berlin

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