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Aus: Ausgabe vom 25.05.2024, Seite 4 / Inland
Datenschutz versus Geheimhaltung

Kelber klagt gegen BND

Bundesbeauftragter für Datenschutz verlangt vom Auslandsgeheimdienst Herausgabe von Dokumenten. Kanzleramt ignorierte zuvor Beschwerde
Von Marc Bebenroth
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Schirmt sich traditionell ab: Halbernst gemeinte Stellenausschreibung am Zaun zum BND-Sitz in Berlin (11.4.2024)

Zum Abschied will Ulrich Kelber offenbar unter Beweis stellen, dass eine sich taub stellende Bundesregierung ihm nicht auf Dauer den Wind aus den Segeln nehmen kann. Der noch kommissarisch amtierende Bundesdatenschutzbeauftragte hat den deutschen Auslandsgeheimdienst vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auf Herausgabe von Dokumenten verklagt. Dabei gehe es um nicht weniger als den Kern des Auftrags seiner Behörde, wie Kelber am Freitag morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk erklärte. In dem betreffenden Fall beruft er sich auf bestehende Einsichtsrechte und die Gefahr, dass die gesetzlich geregelte Unabhängigkeit der obersten Datenschutzbehörde unter die Räder kommt. Diese Unabhängigkeit ist in Kapitel 6 der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verankert und demnach unerlässlich für eine effektive Aufsicht.

Mit der Klage gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) zieht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) erstmals überhaupt gegen eine Bundesbehörde vor Gericht. Kelber nehme damit auch die Rechte derer wahr, die »nicht wissen, dass sie von einer Datensammlung betroffen sind«. Seine Behörde hatte demnach Dokumente des BND einsehen wollen, um im Rahmen ihrer Kontrollfunktion einen nicht näher genannten Vorgang zu überprüfen. »Das ist uns verweigert worden«, sagte Kelber dem Sender. »Wir haben diese Verweigerung beanstandet bei der Fachaufsicht, dem Bundeskanzleramt.« Doch dort sei die Beschwerde des BfDI ignoriert worden; die angeforderten Dokumente kamen nicht.

Dabei handelte es sich um eine sogenannte Errichtungsanordnung, in der unter anderem dokumentiert wird, wie ein Überwachungssystem funktioniert und mit welchen Daten es gefüttert wird. Sämtliche Details zum Fall unterliegen der Geheimhaltung. Wie netzpolitik.org am Donnerstag berichtet hatte, gehe es um ein IT-System des BND zur Überwachung ausländischer Personen und potentiell um Millionen personenbezogene Daten.

Seitens des BfDI habe man sich schließlich nach »vielen Wochen« weiterer Beratungen »einhellig innerhalb der Behörde« für den Klageweg entschieden, sagte Kelber dem Deutschlandfunk. Der BND habe durch seine Absage an den Bundesdatenschutzbeauftragten in dessen Unabhängigkeit eingegriffen, heißt es in einer Mitteilung des BfDI vom Donnerstag. Der Geheimdienst habe demnach »für sich in Anspruch« genommen, »über die notwendigen Grundlagen, den Umfang und Inhalt der Kontrolle entscheiden zu wollen«. Kelber vertrete die Position, dass die endgültige Entscheidung darüber, »ob eine Datenverarbeitung rechtmäßig durch einen Nachrichtendienst des Bundes erfolgt«, einem Gericht zusteht und nicht »der abschließenden Wertung der Bundesregierung«.

Der noch bis Ende Juli amtierende Kelber ist allerdings alles andere als ein Gegner des BND. Dessen »Arbeit« halte der Datenschützer »für extrem wichtig«. »Eine unabhängige Kontrolle der Arbeit legitimiert diese Arbeit auch weiter, weil sicher ist, dass wirklich das passiert, was das Gesetz erlaubt«, sagte Kelber am Freitag im Deutschlandfunk. Dazu zählt unter anderem das massenhafte Ausspionieren auch deutscher Staatsbürger durch die 2018 passenderweise vom Bundesverwaltungsgericht abgesegnete Überwachung am weltweit größten Internetknotenpunkt, dem De-Cix in Frankfurt am Main.

Wie hoch Kelbers designierte Nachfolgerin die »Arbeit« des Bundesnachrichtendienstes schätzen wird, muss Louisa Specht-Riemenschneider erst noch unter Beweis stellen. Die Bonner Juristin war am 15. Mai vom Bundestag zur künftigen Bundesdatenschutzbeauftragten gewählt worden. Im BND-Umfeld jedenfalls gelten hiesige Datenschutzbestimmungen als lästige »Handicaps« bei der Ausweitung der Überwachung auf deutsche Telekommunikation oder beim Erstellen von Bewegungsprofilen, wie der ehemalige Geheimdienstchef Gerhard Schindler Anfang Mai gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland jammerte.

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  • Leserbrief von Bernd Kulawik aus Rostock (26. Mai 2024 um 15:07 Uhr)
    Der Geheimdienst sucht Terroristen? Einfach mal in die eigenen Lohnlisten schauen … oder fällt irgend jemandem ein – versuchter oder ausgeführter – Terroranschlag oder eine »Terrorgruppe« ein, die NICHT durch »Vertrauensleute« von »Verfassungsschutz« und Organisation Gehle… ähm … ich meine Bundesnachrichtendienst »betreut« und mit Waffen versorgt wurden? Nur ein Beispiel …?

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