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Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
NATO-Manöver

Krieg gegen Russland als Szenario

Zu Land, zu Wasser, in der Luft: »Steadfast Defender« auf gesamter Breite möglicher Front
Von Jörg Kronauer
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Bundeswehr-Übung zu »Quadriga 2024« in Feldkirchen, Bayern

Das fast ein halbes Jahr lang andauernde NATO-Großmanöver »Steadfast Defender«, das in wenigen Wochen enden wird, ist die größte Kriegsübung des transatlantischen Militärbündnisses seit dem Ende der Systemkonfrontation. Es umfasst eine Vielzahl einzelner Übungen, die – aufeinander abgestimmt – schon seit Januar in zahlreichen NATO-Ländern abgehalten werden und bis Ende Mai andauern; das Großmanöver »Quadriga 2024« mit seinen vier Teilelementen ist der deutsche Beitrag dazu. Beteiligt sind 90.000 Soldaten aller Waffengattungen aus sämtlichen 32 NATO-Mitgliedstaaten. Zum Einsatz kommen – bzw. kamen – mehr als 110 Luftfahrzeuge von Helikoptern über Kampfjets des Typs F-35 bis hin zu Drohnen, über 50 Kriegsschiffe von Korvetten über Fregatten bis zu Flugzeugträgern sowie Tausende Landfahrzeuge, darunter eine dreistellige Zahl an Kampfpanzern. Das Gesamtszenario: ein alles umfassender Krieg der NATO gegen Russland.

Innerhalb von »Steadfast Defender« unterscheidet die NATO zwei Übungsetappen. Die erste bestand zu Beginn des Großmanövers darin, Nachschub aus Nordamerika über den Atlantik nach Europa zu führen. Koordiniert wurde dies vom Joint Force Command Norfolk (JFC Norfolk) mit Sitz in der gleichnamigen Hafenstadt im US-Bundesstaat Virginia. Neben dem Transport von Material und Truppen ging es darum, die Absicherung des Seeweges gegen etwaige Angriffe zu proben. Laut NATO-Angaben wurden dabei auch Landungsoperationen geübt. Die zweite Etappe umfasste – bzw. umfasst – den anschließenden Marsch der Truppen von den Häfen an der Atlantikküste, der Nord- und der Ostsee in Richtung Osten; außerdem standen und stehen zahlreiche Detail- und Gefechtsübungen aller Art an, die Überquerung großer Flüsse etwa, Luftlandeoperationen oder die Eroberung eines Flugplatzes.

Geographisch umfasst »Steadfast Defender« die gesamte Spannbreite der möglichen Frontlinie zwischen den NATO-Mitgliedstaaten und Russland. Teilmanöver wurden etwa im äußersten Norden Norwegens durchgeführt; dort hat die NATO einerseits die Basen der russischen Nordflotte auf der nahegelegenen Halbinsel Kola mit ihren atomar bewaffneten U-Booten im Visier, andererseits den Seeweg aus der Barentssee an Island vorbei in den Nordatlantik. Intensive Kriegsübungen sind im Baltikum angesagt, wo fest mit Kämpfen um Kaliningrad gerechnet wird; die russische Großstadt ist schließlich von NATO-Staaten umgeben, und falls Russland versuchen sollte, ihre Blockade zu durchbrechen, wäre mit heftigen Kämpfen um den sogenannten Suwałki-Korridor zu rechnen, die unmittelbare Landverbindung aus Belarus nach Kaliningrad. Nebenbei: In relativer Nähe zum Suwałki-Korridor befindet sich die in Litauen in Aufstellung begriffene deutsche Brigade.

Geübt wird zudem in Südosteuropa nahe dem Schwarzen Meer. Die Region ist strategisch sehr wichtig, zum einen wegen ihrer Nähe zu den Häfen der Ukraine, vor allem aber, weil es für Russland strategisch zentral ist, die Kontrolle über das Gewässer mit dem bedeutenden Marinestützpunkt Sewastopol auf der Krim nicht zu verlieren. Bereits im März hat zudem mit »Trojan Footprint« ein US-geführtes Manöver stattgefunden, dessen Teilübungen nicht nur in Griechenland oder in Rumänien, sondern auch in Georgien abgehalten wurden. Damit war »Steadfast Defender« sogar im Südkaukasus, also unmittelbar an der strategisch überaus sensiblen russischen Südflanke präsent.

In den nicht zuletzt klimatisch überaus unterschiedlichen Regionen Europas wurden im Rahmen von »Steadfast Defender« unterschiedlichste Kampfszenarien geübt. Operationen der Marine wurden von Luftwaffenübungen abgelöst. Fiktive Panzerschlachten folgten auf Einsätze von Spezialkräften. Zur Zeit werden Luftlandeoperationen und die Einnahme etwa von Flugplätzen trainiert – und regelmäßig geht es darum, Truppen und Material aus dem Westen Europas in Richtung Osten zu verlegen: an die potenzielle Front eines längst vorstellbaren heißen Kriegs gegen Russland.

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (21. Mai 2024 um 12:33 Uhr)
    Als ängstlichen Menschen würde ich mich nicht sehen. Wovor soll einer, der auf die 80 zugeht, noch Angst haben, noch dazu, wenn er halbwegs im Besitz von Geist und Verstand ist, vier Jahrzehnte in einem Deutschland gelebt hat, in dem Lehren aus Geschichte noch gelehrt wurden.
    Verwundert es so wenige in diesem Lande, wenn sie auch nur die Überschriften der Nachrichtenblöcke lesen, die zusehends politisch, sozial, militärisch radikalisierte Ideen und Gedanken offen aussprechen? Noch vor wenigen Jahren wäre solches undenkbar gewesen, was schon namenlose, mit keiner Leistung je in Erscheinung getretene Abgeordnete im Bundestag von sich geben oder auf Geheiß ohne eigenes Wissen nachplappern, von damit überzeugen gar nicht zu reden.
    Vielleicht auch das ein Stück Zeitgeist und Zeitenwende. Das Erschreckende an der Sache; junge deutsche Elite, Bildungsbürgertum verbreitet, überzeugt solchen angelernten Ungeist, unkritisch, behauptend als letzte Wahrheit in aller Selbstherrlichkeit, glaubt bedingungslos.
    NATO, USA und westliche Wertegemeinschaft präsentieren gerade eine Ostfront, die von Norwegen bis Rumänien reicht. An der russischen Grenze stehen bereits Enkel und Urenkel derer, die 1941 in Russland eingefallen sind, millionenfach gemordet haben. Wir sollen stolz auf die Soldaten sein, die wieder bereit sind, Völkermord wie in Leningrad und überall in Russland zu begehen?
    Kann oder will eine Mehrheit der Bevölkerung nicht erkennen, Kriegstreiber von heute treiben unentwegt mehr und mehr, ohne Überlegung, mit vollem Risiko, bewusst, selbstmörderisch ohne Gedanken an eine Verhandlungslösung in den großen Krieg, provozieren ihn anders als im Kalten Krieg noch täglich. Man möchte daran denken, wie im Deutschland der 20er Jahre von den goldenen geschwärmt wurde, während längst der nächste Krieg geplant wurde. Haben Krieger heute noch nicht deutlich, laut, hassgetrieben, aggressivst ausgebrochen, dass nur ein Sieg in Frage käme, was sie dafür bereit sind zu riskieren?
    Aus dem Bundestag ist zu hören, nach Wehrpflicht wird schon weiter gedacht, auch Frauen und Mädchen verpflichtend auf die Schlachtfelder schicken.
    Rentenpolitiker wollen Rente reformieren. Muss da gefragt werden, was gemeint ist?Alle Legenden und Märchen der Unbezahlbarkeit werden aufgewärmt, nicht begründet, einfach behauptet, und wer glaubt den ganzen Unsinn, ohne Kritik und eigenem Nachdenken? Demografie schreien sie, plappern nach. Was ist demografisch dramatisch, wo Produktivität der Gesellschaft, wo gigantischer Reichtum angehäuft wird und die Alterssicherung der Arbeitenden ein Problem sein soll? Problem sieht anders aus. Privatisiert soll Rente werden, wurde schon begonnen, mit wenig Erfolg für eine solidarische Alterssicherung. An die Börse soll es gehen, Aktien das Glück der Rente werden. Sie glauben auch das, trotz hinreichender Erfahrung und Wissen.
    Den Achtstundentag findet einer der klugen Abgeordneten nicht mehr zeitgemäß. Für welche Lohnarbeiter spricht der Mann? Welche kennt er und deren Arbeit? Alle und alles im Home-Office, werteschaffend im Bundestag und Parlamenten, »hart arbeitend« in Lobby, Finanzwirtschaft usw.?
    Vor solcher Politik, die es nicht so daherplappert, die das ernst meint, noch mehr Ideen hat, die nur dem Großkapital verpflichtet ist, damit in einer Interesseneinheit verbunden ist, sollte es schon einigen im Lande Angst werden. Schnell jeden Irrglauben ablegen, die könnten es nicht ernst meinen. Schnell selbst denken, nicht denken lassen, glauben und nachreden.

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