Islamisten dürfen demonstrieren
Von Karim NatourKnapp zwei Wochen nach einer von Islamisten organisierten und von einer umfangreichen Berichterstattung in zahlreichen Medien begleiteten Demonstration in Hamburg hat am Wochenende erneut eine solche Versammlung stattgefunden. Rund 2.300 Menschen beteiligten sich am Samstag nachmittag laut Polizei an der Kundgebung der Gruppierung »Muslim Interaktiv«. Die Veranstaltung unter dem Titel »Gegen Zensur und Meinungsdiktat« verlief demnach friedlich, »strafrechtlich relevante Feststellungen« seien nicht bekannt.
Die Gruppierung »Muslim Interaktiv« steht laut dem deutschen Inlandsgeheimdienst der 1953 gegründeten internationalen panislamistischen Organisation »Hizb ut-Tahrir« nahe. Deren erklärtes Ziel ist die Errichtung eines Kalifats, um die muslimische Gemeinschaft zu vereinen. Der Organisation wurde 2003 wegen der »Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange« die Betätigung in Deutschland untersagt.
Die Versammlung am Wochenende richtete sich wie bereits die Ende April nach Angaben der Veranstalter gegen die »Zensur« islamischer Werte durch Politik und Medien. Die Polizei hatte zuvor strenge Auflagen erlassen, so war unter anderem die Forderung nach einem Kalifat untersagt. Auch ein ursprünglich von den Veranstaltern gewünschter Demozug wurde nicht erlaubt. Daneben positionierten die Behörden Wasserwerfer am Rande der Veranstaltung. Dem Vernehmen nach waren rund 500 Polizisten im Einsatz.
In der Hamburger Bürgerschaft hatte die Anmeldung der Versammlung für Kritik gesorgt. Die CDU hatte am Mittwoch empört reagiert. »Diese Bilder sollten sich nicht wiederholen, und es bleibt ein Rätsel, warum der rot-grüne Senat hier erneut diese Anmeldung zulässt«, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion hatte erklärt, »populistische Rufe nach einem verfassungswidrigen Eingreifen der Politik in das Versammlungsrecht« seien zurückzuweisen.
Ende April hatte die Demonstration von »Muslim Interaktiv« bundesweit für Aufsehen gesorgt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte anschließend ein »hartes Einschreiten« bei ähnlichen Veranstaltungen an. Mehrere Bundestagsfraktionen wünschten ein Vereinsverbot. Am vergangenen Dienstag sprach sich Faeser dennoch gegen Verbotsforderungen aus. Die Ministerin erklärte, solche Demonstrationen könne man nicht einfach verbieten, da die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut sei. Einzelne Oppositionspolitiker warfen ihr daraufhin zögerliches Verhalten vor. Am Sonnabend versicherte Faeser gegenüber Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass der Sicherheitsapparat »alle Instrumente« einsetze, darunter »nachrichtendienstliche Beobachtungen« und »intensive Ermittlungen«.
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht Verbotsforderungen kritisch. Eine »reine Sympathiebekundung für ein Kalifat ist etwas, was ich für politisch absurd und abwegig halte«, so der FDP-Politiker gegenüber der dpa. »Absurde Meinungen«, die einfach nur geäußert würden, ohne dass Anstalten unternommen würden, die Ordnung des Grundgesetzes zu beseitigen, müssten, auch wenn sie dem Grundgesetz widersprächen, als Teil der Meinungsfreiheit geduldet werden.
Solche Äußerungen sind im aktuellen Kontext bemerkenswert. Man denke nur an die zweifelhafte Rechtsgrundlage des Verbots oder der Behinderung palästinasolidarischer Demonstrationen nach dem 7. Oktober oder des Verbots des Palästina-Kongresses am 12. April in Berlin. Bei diesem lag die Hürde für eine Untersagung noch höher als bei Veranstaltungen im Freien.
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