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Aus: Ausgabe vom 07.05.2024, Seite 5 / Inland
Streik

Störung bei der Telekom

Über Arbeitsverdichtung und Reallohnverlust bei einem der größten Telekommunikationsunternehmen der Welt. Besuch beim Streikposten
Von Susanne Knütter
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Die Telekom-Beschäftigten in Hamburg waren am Montag ebenfalls in den Ausstand getreten

Gewaltandrohungen, beinahe Freiheitsentzug, »Messibuden«. Als Beschäftigter der Telekom im Außendienst hatte er einiges erlebt. Aber am schlimmsten seien die »Anwälte und Steuerberater« gewesen, sagte ein Techniker am Montag auf der Streikversammlung der Telekom-Beschäftigten in Berlin-Schöneberg. Sein Hauptarbeitsbereich war der Ku’damm. Eine Kundin, die sich ausgesperrt hatte, habe den Zweitschlüssel per Taxi von ihrer Putzfrau holen lassen, erzählte er. Ein anderes Mal habe ihn ein Unternehmer, der nicht einverstanden war, dass eine Verbindungsstörung nicht behoben werden konnte, mit dem Auto verfolgt.

Gut zwölf Jahre ist er für die Telekom herumgefahren, hat Telefon- und Netzanschlüsse vorgenommen und Störungen behoben. Theoretisch sollte er acht bis neun Kunden am Tag schaffen. Nicht selten sah das Buchungssystem zehn bis zwölf vor. »Da war schon morgens klar, das ist nicht zu schaffen. Die Hälfte des Tages ging schon für Fahren und Parkplatzsuchen drauf«, sagt er im nachhinein. Und: »Die meisten wollen auf die Großkundenschiene, denn da geht es mehr um Qualität als Quantität.« Vor anderthalb Jahren ist er in den Innendienst gewechselt. Da habe man immerhin Kontakt zu anderen Kollegen, ist nicht den ganzen Tag allein.

Aber auch im Innendienst ist die Arbeitsverdichtung zu spüren. 32 Anrufe pro Tag muss die Kollegin im Callcenter entgegennehmen oder tätigen. Ihre Aufgabe ist, die Außeneinsätze der Kollegen bei den Privatkunden vorzubereiten. Dorthin wechselte sie erst vor kurzem. Zuvor war sie in der Großkundenbetreuung. Im allgemeinen wechseln die Kollegen häufig innerhalb des Konzerns die Abteilungen – je nachdem wo gerade Arbeit wegfällt oder anfällt. »Das ist ein Vorteil innerhalb des großen Telekom-Konzerns«, ergänzte eine Betriebsrätin. Nichtsdestotrotz ist der Betrieb geschrumpft. Beschäftigte die Telekom als Behörde 1995 noch über 200.000 Menschen, sind es bei der Aktiengesellschaft Telekom nun 70.000. Die Arbeit jedoch ist mehr geworden. Personal sei nur für das Tagesgeschäft geplant und auch das »knirscht«, sagt die Betriebsrätin. Gibt es dann eine Großstörung, nach einem Unwetter etwa, komme man nicht mehr hinterher.

Zu alldem geselle sich ein Reallohnverlust von etwa zehn Prozent. Eine entsprechende Gehaltserhöhung wäre zumindest eine kleine Anerkennung. Verdi fordert zwölf Prozent mehr, bei einer Laufzeit von einem Jahr, mindestens aber 400 Euro pro Monat. Das Angebot der Telekom liegt weit darunter, die vorgeschlagene Tariflaufzeit dafür weit darüber. Deshalb streiken die Telekom-Beschäftigten diesen Montag und Dienstag im Innen- und Außendienst sowie der Technik. Unterstützt werden sie von den Beschäftigten der Telekom-Shops.

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