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Aus: Ausgabe vom 07.05.2024, Seite 2 / Kapital & Arbeit
Ahornsirupproduktion in Kanada

»Werden sie in fünf Jahren wieder auffüllen«

Kanada: Strategische Reserve für Ahornsirup auf Rekordtief. Verband will Kapazitäten der Erzeuger ausbauen. Ein Gespräch mit Joël Vaudeville
Interview: Alex Favalli
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Ein Arbeiter gibt Ahornsirup in einen Verdampfer (2024)

Kanadas strategische Ahornsirupreserve hat einen Rekordtiefstand erreicht, nachdem der Winter zu mild und die Nachfrage weltweit gestiegen war. Was bedeutet das für die absehbare Zukunft?

Die strategische Reserve hat die Aufgabe, die Märkte zu versorgen, wenn die Produktion zurückgeht. 2023 produzierte Québec 124 Millionen Pfund Ahornsirup, 2022 waren es 211 Millionen Pfund. Die enttäuschende Ernte in Verbindung mit der Nachfrage hat dazu geführt, dass die Reserve mit knapp sieben Millionen Pfund Ahornsirup den niedrigsten Stand seit 2008 erreicht hat. Dazu müssen noch die Lagerbestände der Verarbeiter hinzugerechnet werden, die bei etwa 40 Millionen Pfund liegen.

Wurden Sie von diesem drastischen Rückgang der Reserven überrascht?

Wir haben ihn vorausgesehen und deshalb die Produktionskapazitäten in Québec zweimal erhöht. Sieben Millionen neue Zapfstellen wurden im Jahr 2021 und ein zweites Mal 2023 bewilligt. Insgesamt wird die Produktionskapazität für Ahornsirup bis 2026 um 42 Millionen Pfund steigen. Derzeit schließen die Ahornproduzenten in Québec ihre Produktion ab. Wir werden in der Lage sein, die strategische Reserve in den nächsten fünf Jahren wieder auffüllen. Die sichere Schwelle für die Reserve liegt bei knapp über 100 Millionen Pfund Ahornsirup.

Sie vertreten in Québec alle 13.000 Erzeuger und lassen keine Produktion außerhalb der Organisation zu. Was sind die Vorteile für Ihre Mitglieder und haben diese ein Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung?

Die QSMP ist eine demokratische Organisation. Ihre Tätigkeit unterliegt dem Gesetz von Québec, das es landwirtschaftlichen Organisationen erlaubt, die kollektive Vermarktung ihres Sektors zu übernehmen. Daher haben sich die Québecer Ahornsiruperzeuger in Übereinstimmung mit diesem Gesetz zusammengeschlossen, um sich mit kollektiven Vermarktungsinstrumenten wie der Quote für Ahornsirup in großen Mengen, der Verkaufsagentur und der globalen strategischen Ahornsirupreserve auszustatten. Jedes dieser Instrumente wurde von den Erzeugern demokratisch beschlossen und spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherung eines angemessenen Einkommens und einer Versorgung mit Ahornsirup zu vernünftigen und vorhersehbaren Kosten.

Warum sind die Ahornsiruperzeuger außerhalb von Québec nicht auch so organisiert?

Québec hat eine lange Tradition der kollektiven Verwaltung in der landwirtschaftlichen Produktion. Das Gesetz über die Vermarktung von Landwirtschafts-, Lebensmittel- und Fischereierzeugnissen ermöglicht es den Erzeugern in den einzelnen landwirtschaftlichen Sektoren, per Referendum kollektive Vermarktungsregeln zu verabschieden. Genau das haben die Ahornproduzenten in den 1990er Jahren getan. So wird jedem Erzeuger ein angemessenes Einkommen sowie eine Vorhersehbarkeit des Angebots und des Preises für Ahornsirup ermöglicht.

Vor der Einführung der kollektiven Vermarktung kam es häufig zu Engpässen bei unserem Produkt, dessen Menge hauptsächlich von den Witterungsbedingungen abhängt. Die Gründung der Vertriebsagentur ermöglichte auch, das Kräftegleichgewicht zwischen der Ahornsiruperzeugung und den Verarbeitern wiederherzustellen. Die Vermarktungsvereinbarung ermöglicht die Festlegung eines festen Preises, unter dem nicht verkauft werden kann. Der wird mit den Verarbeitern ausgehandelt und spiegelt die Produktionskosten, die Zahlungsfähigkeit der Verbraucher und die Nachfrage nach Ahornsirup auf den ausländischen Märkten wider.

Experten gehen davon aus, dass die Branche aufgrund der Erderwärmung in Zukunft häufiger mit Marktschwankungen konfrontiert sein wird. Was ist Ihre Strategie dafür?

Es ist noch zu früh, um eine Aussage über die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Produktion zu treffen. Die jährlichen Schwankungen sind nicht neu, aber wir bleiben wachsam, um ein kontinuierliches und vorhersehbares Angebot auf den Märkten – Québec exportiert etwa 85 Prozent seiner gesamten Ahornsiruperzeugung – zu gewährleisten. Aus diesem Grund haben der Kampf gegen den Klimawandel und gegen Naturkatastrophen sowie die Anlage neuer Ahornhaine Priorität.

Joël Vaudeville ist Kommunikationsdirektor der kanadischen Erzeugergemeinschaft Québec Maple Syrup Producers (QMSP)

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (6. Mai 2024 um 22:07 Uhr)
    Abgesehen davon, dass ich nicht weiss, wofür Ahornsirup gut ist, finde ich das Geschäftsmodell der QSMP beachtenswert.

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