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Aus: Ausgabe vom 06.05.2024, Seite 10 / Feuilleton
Rock

Die Wicki-Nummer. Unsung Heroes (23): Faithful Breath

Von Frank Schäfer
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Immerhin nicht in Lack und Leder: Die Nachwuchswikinger von Faithful Breath (1974)

Die Band um Gitarrist und Sänger Heinrich Mikus und Bassist Horst Stabenow beginnt Ende der Sechziger als psychedelische Rabatztruppe, entwickelt sich dann aber bald zu einer ambitionierten Krautrock-Band, deren Songs sich schließlich zu kleinen Science-Fiction-Symphonien auswachsen. Live sind Faithful Breath damit ziemlich erfolgreich unterwegs, aber die Plattenfirmen winken mal wieder ab. Also nehmen sie in Eigenregie ihr Debütalbum »Fading Beauty« auf, das sich allein auf Konzerten mehrere tausend Male verkauft. Jetzt wird die Industrie hellhörig. Der Schlagersänger Peter Orloff, ein heimlicher Rocker, bei dessen Aladin-Label auch Franz K erschienen sind, nimmt die Band schließlich unter Vertrag. Doch verzögert sich die Publikation des Nachfolgealbums »Back on My Hill«. Mikus und Co. werden ungeduldig, klagen sich aus dem Vertrag und finden mit Sky Records bald einen anderen Interessenten. Das Album erscheint 1979 und enthält mit der Kuschelrockballade »This Is My Love Song« sogar einen veritablen Hit. Vor dem jetzt anstehenden endgültigen Schritt ins Profilager schrecken die meisten Bandmitglieder zurück. Mikus und Stabenow machen mit neuem Schlagzeuger Uwe Otto als Powertrio weiter. Man erkennt das Potential der Metal-Bewegung und besinnt sich auf die harten Anfangstage. Das nächste Album »Rock Lion« ist ein typisches Übergangswerk. Die melodiösen Verstiegenheiten des Krautrocks sind noch nicht ganz getilgt, und Härte heißt hier in erster Linie Heavy Boogie, übersteuerter Blues und sogar ein bisschen Southern Rock. Aber Mikus spielt eine bemerkenswert flüssige Leadgitarre, bisweilen lizziesk mit sich selbst im Duett, und ihm fallen immer wieder Riffs von Format ein, wie bei »Rollin’ Into Our Live«, dem gewichtigsten Stück des Albums. Für den Berliner Tip klingt die Band »wie eine Mischung aus Molly Hatchet und frühen Saxon«. Gar nicht schlecht. Die Rückkehr ins sonische Barbarentum unterstreichen sie auch optisch, indem sie sich Hörnerhelme aufsetzen und Wikingerfelle überwerfen, als läge Bochum gleich neben Flake.

Der Nachfolger »Hard Breath« (1983) ist ein weiterer Siebenmeilenschritt in Richtung Heavy Metal. Mikus überholt sich mittlerweile selber in seinen Sololäufen, und mit dem überdrehten Off-Beat-Rundumschlag »Give Me What I Need« halten sie sogar Einzug in Tony Jaspers legendäre »Heavy Metal Show« im Soldatensender BFBS. Das ist das letzte Album bei Sky. Mit »Gold ’n’ Glory« (1984) kommt man bei Mausoleum unter. »If it ain’t heavy, it ain’t on Mausoleum!« heißt der Wahlspruch des belgischen Indie-Labels, und das stimmt auch – jetzt ist die Transformation zur Heavy-Metal-Formation vollständig abgeschlossen. Das Album verkauft sich gut, sie touren weiterhin erfolgreich durch Deutschland und die Beneluxstaaten, spielen im Herbst 1985 sogar ein paar Gigs in den USA. Aber ihr Pech mit den Plattenfirmen hält auch an. Mausoleum geht Pleite, Ambush Records, wo ihr nächstes Album »Skol« (1985) erscheint, kommt gar nicht richtig aus dem Knick, erst ihr Livealbum im Jahr darauf erscheint wieder auf einem potenten Label, bei Karl-Ulrich Walterbachs Noise International, der Berliner Talentschmiede, die den German Metal der frühen Jahre maßgeblich mitgeformt hat. Aber jetzt hängen Mikus und Co. ihr Fähnchen noch einmal nach dem Sturm, der Mitte der Achtziger losbricht, und erfinden sich neu als Thrash-Metaller Risk, die noch eine ziemliche breite Schneise schlagen bis zu ihrer Auflösung 1993 – mit immerhin fünf Alben und einer EP. Als Heavy-Metal-Vikings werden sie wohl am ehesten in Erinnerung bleiben, und dass dem so ist, darüber müssen sie sich keine Gedanken machen. Denn Vergessen ist in der Metal-Kultur einfach nicht vorgesehen.

Faithful Breath: »Fading Beauty« (Garden of Delights)

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