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Aus: Ausgabe vom 06.05.2024, Seite 8 / Ausland
Palästina-Solidarität in den USA

»Wir verurteilen die brutale Polizeigewalt aufs schärfste«

USA: Studierende und Aktivisten errichten auf dem Campus der Harvard-Universität Zeltlager gegen Gazakrieg. Gespräch mit Fida Thawra
Interview: Jakob Reimann
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Polizisten führen im US-Bundesstaat Oregon einen Protestierer auf dem Gelände der Portland State University ab (2.5.2024)

Am vergangenen Mittwoch haben sich Hunderte von Studenten auf dem Harvard-Campus versammelt, um in Solidarität mit den Menschen in Gaza ein Protestcamp zu errichten. Was ist Ihre Motivation – und was Ihre Forderungen?

Das Zeltlager »Harvard Liberated Zone« wurde von dem Bündnis Harvard Out of Occupied Palestine, HOOP, errichtet, um gegen die finanzielle und institutionelle Komplizenschaft der Harvard-Universität am anhaltenden Völkermord in Gaza und an der israelischen Besatzung Palästinas zu protestieren. Wir haben drei Kernforderungen: erstens die Offenlegung sämtlicher Investitionen in Israel, in den anhaltenden Völkermord in Gaza und in die Besatzung Palästinas. Zweitens Reinvestition der Mittel in palästinensische akademische Initiativen, Gemeinden und Kultur. Drittens fordern wir, dass alle Anklagen gegen Studierende wegen ihrer Organisierung und ihres Aktivismus fallengelassen werden und sich die Universität verpflichtet, diese Instrumentalisierung der Disziplinarpolitik zu beenden.

Worin bestehen die Verbindungen von Harvard zur »Besatzung Palästinas«?

Die Harvard Management Company, HMC, verwaltet über 50 Milliarden US-Dollar – mehr als das BIP vieler Staaten. Die wenigen Informationen, die öffentlich zugänglich sind, zeigen, dass ab 2020 mindestens 200 Millionen US-Dollar in Unternehmen investiert wurden, die mit israelischen Siedlungen in Palästina in Verbindung stehen. Im Dezember nahm ein Geschäftsführer der HMC an einer »Israel Tech Mission« mit hochrangigen israelischen Politikern und Militärs teil. Deren erklärtes Ziel war es, weitere Investitionen in israelische Unternehmen sicherzustellen, während Israel weiter den Gazastreifen zerstört. Die Verbindungen von Harvard zu Israel und der Besatzung Palästinas wurden in einem offenen Brief dargelegt, der zur Transparenz und Desinvestition aufruft sowie von mehr als 1.100 Mitgliedern der Universität unterschrieben wurde.

An anderen US-Unis ging die Polizei teils brutal gegen ähnliche Camps vor. Wie haben die Harvard-Verwaltung und die Behörden auf Ihren Protest reagiert?

Die Harvard-Verwaltung hat den Harvard Yard für die Öffentlichkeit geschlossen. Sie hat auch mit Disziplinarmaßnahmen und »verschärften Sanktionen« gegen Studierende gedroht. Zusätzlich hat das Harvard University Police Department die Polizeipräsenz und Überwachung auf dem Campus verstärkt. Die HOOP-Koalition ist empört über die brutale Polizeigewalt gegen protestierende Studenten an mehreren US-Universitäten und verurteilt diese aufs schärfste.

Auch der politische Druck wächst, Maßnahmen gegen die Lager zu ergreifen.

Der wachsende Druck von Politikern und Geldgebern der Unis, gegen die Camps vorzugehen, überrascht uns nicht. Wir lehnen solche Versuche ab und glauben, dass diese Taktik der Unterdrückung die Entschlossenheit und das Engagement derjenigen, die sich gegen den Völkermord in Gaza stellen, nur stärken wird.

Die Protestierenden wurden des Antisemitismus bezichtigt, und die größte deutsche Boulevardzeitung Bild fragte: »Übernimmt die Hamas die Macht an den US-Unis?« Was halten Sie von derartigen Vorwürfen?

Diese Vorwürfe sind so absurd, dass sie im Grunde keine Antwort rechtfertigen. Der Vorwurf des Antisemitismus gegen Studenten, die sich an zivilem Ungehorsam gegen die israelische Besatzung und genozidale Gewalt beteiligen, ist eine Beleidigung nicht zuletzt für die große Zahl jüdischer Menschen, die gegen den Zionismus und den israelischen Staat protestieren. Die Verleumdung von Studenten, von denen viele jüdisch sind, und von moralisch aufrechten Menschen, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen, ist sowohl in Deutschland als auch in den USA seit langem eine Form der politischen Repression. Wir weigern uns, solche Verleumdungen von Propagandisten und Agitatoren länger hinzunehmen. Sie nutzen Diffamierung und Lügen, um die Aufmerksamkeit von der katastrophalen Situation in Palästina abzulenken und gewalttätige sowie zutiefst antidemokratische Repression in Deutschland und den USA zu erzeugen.

Fida Thawra (Name geändert) ist Aktivistin des Bündnisses »Harvard Out of Occupied Palestine« (HOOP)

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