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Aus: Ausgabe vom 06.05.2024, Seite 4 / Inland
Angriffe auf Wahlkämpfer

Aktionismus nach Attacken in Sachsen

EU-Spitzenkandidat der SPD infolge von Übergriff operiert. Innenministerkonferenz will beraten
Von Kristian Stemmler
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Tatort Dresden: Eines der Wahlplakate mit dem Konterfei von Matthias Ecke, SPD-Spitzenkandidat für Sachsen (4.5.2024)

Der Angriff auf den EU-Abgeordneten Matthias Ecke (SPD) in Dresden hat bei Politikerinnen und Politikern der im Bundestag vertretenen Parteien am Wochenende demonstrative Empörung ausgelöst. Am Sonntag teilte die Polizei mit, dass ein 17jähriger seine Tatbeteiligung gestanden habe. Er habe Ecke niedergeschlagen. Beim Anbringen von Wahlplakaten war der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl am Freitag abend von vier jungen Männern so brutal verprügelt worden, dass er im Krankenhaus operiert werden musste. Laut Aussage eines Zeugen handelt es sich bei den Angreifern um rechte Schläger.

Die Gruppe hatte zuvor außerdem einen 28jährigen attackiert, der für Bündnis 90/Die Grünen Wahlplakate anbrachte. In Essen waren am Donnerstag abend bereits der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und der dritte Bürgermeister von Essen, Rolf Fliß, (beide Grüne) attackiert worden. Fliß wurde ins Gesicht geschlagen und leicht verletzt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb bei X (früher Twitter) von einer »neuen Dimension von antidemokratischer Gewalt«. Sie regte eine Sonderkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern noch in dieser Woche an, um über Schutzmaßnahmen zu beraten. Auf Faesers Bitte hin setzte sogleich der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), eine entsprechende Beratung zwischen Bund und Ländern für Dienstag an, wie er der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage mitteilte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei einem Kongress in Berlin, »achselzuckendes Hinnehmen« sei keine Option und forderte ein geschlossenes Vorgehen gegen rechts. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erklärte, die Angriffe seien »der widerliche und unentschuldbare Ausfluss einer Verrohung von Sprache, Debatte und der Enthemmung in den sogenannten sozialen Medien«. Und Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) mutmaßte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, bei den Angriffen gegen Personen, die etwa Wahlplakate anbrächten, sei davon auszugehen, dass es sich um »geplante Taten« handele, die »nicht spontan, sondern gezielt durchgeführt« würden.

Bei Übergriffen auf Vertreter der Ampelparteien blieb es allerdings nicht. Ebenfalls in Dresden wurde am Sonnabend nach der Attacke auf Ecke ein Wahlkampfstand der AfD von drei Personen angegriffen. Dabei sollen Aufsteller, Plakate und ein Tisch beschädigt worden sein. Die Polizei ermittelte laut dpa zwei 23 Jahre alte Frauen und einen 28 Jahre alten Mann als Tatverdächtige. In der Nacht zum Sonntag soll wiederum eine Gruppe von 20 Jugendlichen im Dresdner Stadtteil Striesen 21 Wahlplakate der AfD, der FDP, der CDU und der Linkspartei beschädigt haben.

Bereits am vergangenen Wochenende hatte es Angriffe auf drei Mitglieder der Grünen gegeben, die in Chemnitz und Zwickau plakatierten. Seit Jahresbeginn wurden laut Angaben des sächsischen Innenministeriums in dem Bundesland bisher 112 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen registriert – davon 30 gegen Amts- bzw. Mandatsträger. Und bereits in der ersten Woche des Wahlkampfes wurden demnach 51 politisch motivierte Straftaten gegen Wahlplakate verzeichnet.

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  • Leserbrief von Christian Helms aus Dresden (13. Mai 2024 um 11:50 Uhr)
    Für den Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden werden – so die Sächsische Zeitung vom 06.05.2024 – »Hass« und »ständige Hetze gegen politisch Andersdenkende« sowie »Verächtlichmachung der Demokratie« verantwortlich gemacht. Auch wenn Übergriffe und Gewalt gegen Politiker damit weder relativiert noch entschuldigt werden sollen – die Ursachen liegen tiefer. Die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, die Krisen und Konflikte weltweit, die Forderung des Verteidigungsministers nach Kriegstüchtigkeit, die realen und befürchteten Wohlstandsverluste, die rückläufige Wirtschaftsentwicklung und ihre Folgen, die künftigen Pandemien, die ungelösten Migrationsprobleme und nicht zuletzt die Klimakatastrophe wecken Ängste und Ohnmachtsgefühle. Und die Politiker stehen den Bedrohungen hilf – und machtlos gegenüber – so ein weit verbreiteter Eindruck. Zudem schwindet das Vertrauen in zumindest in einen Teil der politischen Akteure. Erinnert sei an die hemmungslosen Bereicherungen einiger Politiker durch die Maskendeals in der Coronazeit. Oder das völlig unzureichende Vorgehen gegen die Finanzkriminalität. »Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen«, stellte die ehemalige Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker resignierend fest. Hass und Hetze gegen die etablierte Politik bzw. ihre Vertreter fallen da auf fruchtbaren Boden. Aber noch einmal: Für Gewalt gegen Politiker und Mandatsträger wie aktuell in Dresden, aber auch in anderen Orten gibt es keinerlei Rechtfertigung. Für eine demokratische Kultur ist es jedoch unabdingbar, ihre tieferen Ursachen zu analysieren. Allein Hass und Hetze als Ursache zu benennen, ist zu wenig.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (6. Mai 2024 um 22:13 Uhr)
    SPD ist dabei Kriegsvorbereitungen einzufädeln und zu unterstützen. Sie fördern Heimatschutz Bataillone, verpflichten Betriebe mit der Bundeswehr zusammen zu arbeiten, lassen die Bundeswehr in die Schulen, fördern Werbung der Bundeswehr, zusammen mit DGB bringen sie Politik auf Kriegskurs usw. Da ist es geradezu lächerlich ein SPD »Politiker« zu verprügeln dessen Partei in der Geschichte Deutschland zwei Weltkriege unterstützt hat und Hitler mit an die Macht gebracht hat usw. Die Prügel sind, gemessen an die real faschistische Kriegspolitik der SPD, geradezu lächerlich. Wenn man sich nicht gegen die Kriegspolitik wehrt, wird man im kommenden Krieg untergehen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (5. Mai 2024 um 21:54 Uhr)
    Wann erfahren wir endlich, dass es sich um in Moskau oder Beijing »geplante Taten« handelte? Schlafen die Geheimdienste? An der hiesigen Qualitätspolitik seit dreißig Jahren kann es ja nicht liegen.

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