4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Gegründet 1947 Freitag, 3. Mai 2024, Nr. 103
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten 4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Aus: Ausgabe vom 20.04.2024, Seite 5 / Inland
Niedriglöhne

Die Würde und die Vollzeitjobs

BSW-Anfrage: Mehr als acht Millionen Beschäftigte erhalten keine 14 Euro brutto die Stunde
Von Alexander Reich
imago0374631518h.jpg
Die Spitzenverdiener verwirklichen sich nebenan: Teerarbeiten am Reichstagsgebäude in Berlin, Ende 2023

Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums haben im Frühjahr vergangenen Jahres knapp 8,4 Millionen Beschäftigte für weniger als 14 Euro brutto die Stunde gearbeitet. Neuere Zahlen lägen noch nicht vor, heißt es in einer aktuellen Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich aus der Gruppe des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW). Außen vor sind in der Berechnung Azubis, Praktikanten und Minderjährige, die keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben.

Mit 14 Euro kommt man mit einer 40-Stunden-Woche auf 2.450 Euro im Monat. Netto sind das in der Steuerklasse eins – ledig, keine Kinder, keine Kirchensteuer – 1.730 Euro. In Ballungsräumen geht davon schnell die Hälfte für ein Dach überm Kopf drauf. Wie man mit der anderen Hälfte über den Monat kommen kann, ist nach den Teuerungsraten der vergangenen zwei Jahre sicher vielen in der Republik ein Rätsel. Im Zweifel muss man sich halt auf Sättigungsbeilagen beschränken und bloß nicht rausgehen, wenn zu Hause die Miete weiterläuft. Und dafür 40 Wochenstunden lang vom cholerischen Chef rumgeschubst werden? Ja, was denn sonst? Und, wie gesagt: Mehr als acht Millionen bekommen keine 14 Euro.

In der Antwort des sozialdemokratisch geführten Arbeitsministeriums auf die BSW-Anfrage wird zum Vergleich auch der durchschnittliche Bruttostundenlohn für Vollzeitbeschäftigte angegeben. Er lag demnach vor einem Jahr bei 25,94 Euro. Der Schnitt wird von den oberen zehn Prozent in die Höhe gerissen, die mehr als 8.360 Euro im Monat verdienen. Dazu gehören auch die Bundestagsabgeordneten mit ihren 10.591,70 Euro »Entschädigung«.

Der eine verdient mit einem Telefonat in fünf Minuten, wofür der andere monatelang das Büro putzen muss. (Der dritte muss überhaupt nicht arbeiten, sondern streicht mit ein paar Mausklicks Kapitalerträge ein, die ja zum Glück geringer besteuert werden als Lohnarbeit, aber darum geht es hier nicht.)

»Die miesen Löhne von heute sind die Armutsrenten von morgen«, kommentierte BSW-Mann Ulrich die Antwort des Ministeriums. »Wer Vollzeit arbeitet, soll davon auch in Würde leben können.« Mit dieser Begründung bekräftigte der gelernte Werkzeugmacher und langjährige Metaller die Forderung seiner Partei nach einer Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro. Zur Zeit liegt der Mindestlohn bei 12,41 Euro. Zum 1. Januar 2025 soll er auf 12,82 Euro steigen. Die FDP wird selbst das noch mit allen Mitteln zu verhindern versuchen.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.