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Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 8 / Abgeschrieben
Meinungsvielfalt

Manifest für neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk

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Beschäftigte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben ein Manifest für mehr Meinungsvielfalt verfasst, jW dokumentiert Auszüge:

Wir, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sowie alle weiteren Unterzeichnenden, schätzen einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie, der gesellschaftlichen Kommunikation und Kultur. Wir sind von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides aber sehen wir in Gefahr. Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt immer stärker ab. Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wachsen. Die zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung nehmen wir seit vielen Jahren wahr. (…)

Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive. Wir vermissen den Fokus auf unsere Kernaufgabe: Bürgern multiperspektivische Informationen anzubieten. Statt dessen verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener »Kampfbegriffe« wie »Querdenker«, »Schwurbler«, »Klimaleugner«, »Putin-Versteher«, »Gesinnungspazifist« und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.

Das sorgfältige Überprüfen zweifelhafter Meldungen ist wichtig. Allerdings suggerieren sogenannte Faktenchecks oft durch ihre Machart, Überschrift und Formulierungen eine vermeintlich absolute Wahrheit, die selten existiert. (…)

Innere und äußere Bedingungen führen dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren journalistisch-ethischen Standards nicht mehr genügen können. Dazu zählen innerbetriebliche Praktiken wie die schon vor Dreh- bzw. Reportagebeginn feststehende Kernaussage von Beiträgen, die Zentralisierung der Berichterstattung über sogenannte Newsrooms oder Newsdesks, zu großer Zeitdruck bei der Recherche, eine überwiegend an Einschaltquoten orientierte Programmgestaltung, Sparmaßnahmen der Sender am Programm und nicht zuletzt die Tatsache, dass zwei Drittel des redaktionellen Personals nur Zeitverträge haben oder gar komplett ohne Angestelltenverhältnis als sogenannte Freie arbeiten müssen. (…)

Innere Pressefreiheit existiert derzeit nicht in den Redaktionen. Die Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Medien sind zwar formal unabhängig, meist gibt es auch Redaktionsausschüsse, die über die journalistische Unabhängigkeit wachen sollten. In der Praxis aber orientieren sich die öffentlich-rechtlichen Medien am Meinungsspektrum der politisch-parlamentarischen Mehrheit. (…)

Dazu erschwert äußere Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus. Interessensverflechtungen von Politik und Wirtschaft werden zu selten in tagesaktuellen Beiträgen aufgezeigt und erörtert. Alltägliche Recherchen bleiben im Kern oft oberflächlich. (…)

Vollständiger Text: meinungsvielfalt.jetzt/manifest.html

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von APO Pluto aus Mönchengladbach (7. April 2024 um 17:55 Uhr)
    Die Wahrnehmung der ÖR rührt aber auch daher, dass sie sich doch sehr dem werbefinanzierten Free-TV angenähert haben. Ich weiß noch, wie eine Moderatorin der Aktuellen Stunde im WDR vor Jahren die Geburt eines Kindes von Oliver Pocher kundtat und jeder konnte sehen, wie ihre Bäckchen dabei glühten. Nur, welchen Bildungsdurstigen, ihn zu laben soll ja der Auftrag der ÖR sein, interessiert das? Durch das Free-TV, ich sage immer gern Doof-TV, vor diesem Dauerverblödungssperrfeuer des Kapitalismus sind auch vormals seriöse Medien in die Knie gegangen. Halb zog es sie, halb sanken sie hin. Dank Werbegelder. Bestes Beispiel hier Spiegel-Online im Januar 2024. Die Neuigkeit, dass der Dackel von Exballettdirektor Goecke, eben jener Goecke der einer Kritikerin Hundekacke ins Gesicht schmierte, nunmehr nicht mehr unter den Lebenden weilt, war dem Spiegel eine Schlagzeile mit Bild wert. Nein, kein Bild vom Dackel, das wäre ja noch schöner gewesen, nur von Goecke. So sind, bildlich gesprochen, heute viele Medien auf den Hund gekommen. Über den letzten Scheiß wird berichtet. Aber und das sollte nicht verschwiegen werden, das haben wir den Politikern aller Couleur zu verdanken. Die, welche an der Entstehung beteiligt waren und die, welche nachher nur zugesehen und nicht interveniert haben. Warum intervenieren? Weil es einem Gemeinwesen nicht dienlich sein kann, wenn jedes Jahr Abermilliarden für Oberflächlichkeit und Schaumschlägerei ausgegeben werden. Wenn Zehnjährige im Fernsehen zwar lernen können, dass man einen Alligatorarsch zwar essen kann, aber nicht wissen, wie man das Wort schreibt. Da geht jede Gesellschaft mit der Zeit in die Knie. Dass dem mündigen Bürger durch diese duale Konstellation auch noch das Recht auf Entscheidungsfreiheit genommen wurde, ist ein anderer schwerer Fehler der Politik. Der unmündige Bürger wird langsam verblödet. Da bleibt den ÖR nur die Rolle des Sisyphos. Oder sie passen sich an. Gewinnen können sie in beiden Fällen nicht.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (6. April 2024 um 23:49 Uhr)
    Auch wenn der Forderungskatalog z. Z. noch nicht umgesetzt werden kann, sei es in seiner Gänze, sei es partiell, vorteilhaft und ausgesprochen nützlich ist das Manifest allemal. Dies schon deshalb, als dass es einerseits das Publikum einübt, über seinen Tellerrand zu schauen, das Vorstellungsvermögen mithin stärkt, Eigenbedürfnisse weckt, dann aber auch, weil es die zahlreichen Missstände innerhalb der Medienlandschaft und seiner sogenannten Pressefreiheit aufzeigt und so Illusionen in den vorherrschenden Status quo abbaut. Ideelle Nebelschwaden verschwinden folglich zusehends, ein Aufklärungswert wird also erzeugt.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (5. April 2024 um 14:33 Uhr)
    Es ist ja leider etwas aus der Mode gekommen, die Medien als Teil des gesellschaftlichen Überbaues zu betrachten, dessen Aufgabe darin besteht, die in der ökonomischen Basis entstehenden Interessen zu schützen, zu verklären und aktiv zu propagieren. Statt dessen wird immer wieder auf die selbstbeweihräuchernde Darstellung zurückgegriffen, die Medien seien eine von den gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen unabhängige, über allem schwebende und nur der Wahrheit verpflichtete vierte Macht. Die vorstehende ehrliche Wortmeldung von Leuten, die die Verhältnisse kennen, beweisen nachdrücklich, wie blauäugig eine solche Sicht immer war und weiter ist. Denn sie erleben das wahre Gesicht der Zwänge, die ihnen als Teil des Machtapparats der herrschenden Klasse täglich auferlegt sind. Die jW betont immer wieder zu Recht: »Sie lügen wie gedruckt. Wir drucken wie sie lügen.« Nicht weil die Mitarbeiter solcher Medien grundsätzlich alle Lügner wären. Sondern weil jene, die die Macht haben, über alle Mittel verfügen, sie zum Lügen zu verpflichten. Sie müssen dem folgen. Bei Strafe ihres Unterganges.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (12. April 2024 um 11:04 Uhr)
      Absolut richtig. Wobei ich aus der Mode gekommen ersetzen würde durch abgelutscht, weil die bürgerlich linken Lutschmünder immer nur ihrem eigenen Geschmack folgen. Damals schmeckte links gut, heute schmeckt Krieg und Ausbeutung gut. Deren Sektierertum, Sektierertum ist für mich kognitive Dissonanz, d. h. der Unterschied, zwischen dem, was man wahrnimmt, und dem, was man glaubt. Oder umgekehrt, man sieht und hört etwas, blendet es aber aus, weil es nicht ins Weltbild passt, zerschellte an den realen Herrschaftsverhältnissen, mit denen sie sich heute das Bett teilen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (5. April 2024 um 07:13 Uhr)
    Ist das nun eine gute Initiative? Ich meine: Ja, es zeigt, dass es immer noch Journalisten gibt, die sich an ihr Credo der Sachlichkeit und Unabhängigkeit gebunden fühlen. In den Redaktionsstuben des ÖRR geht aber die Angst um. Das kann man aus den Statements der Mitarbeiter entnehmen, die in der Regel anonym sind. Es ist die Angst vor Verlust der Anstellung oder des Vertrages als freier Mitarbeiter, damit Angst vor Verlust der Lebensgrundlage. Wer nicht regierungskonform berichtet, wer kritisch berichtet, wird »gegangen«. Hier geht die »Demokratie« den Bach runter. Die Begrifflichkeiten werden vorgegeben, ob aus den Chefredaktionen oder von der Regierung. Journalisten, die vor Ort unabhängig recherchieren wollen oder es schon taten, werden gemaßregelt. Ein Beispiel: Patrik Baab. Gemäß dem journalistischen Grundsatz »audiatur et altera pars - auch die andere Seite soll gehört werden«, recherchierte er schon vor 2022 in der Ukraine und in Russland, interviewte die einfachen Menschen und entwarf ein Bild, welches in den heutigen Mainstream zum Ukraine-Krieg nicht passt. Patrik Baab verlor daraufhin seine Lehraufträge als Professor und seine journalistische Anstellung beim NDR, einem regionalen Ableger der ARD. Bei Wikipedia wird er als »prorussischer Propagandist« bezeichnet. Dann drehen wir eben den Spieß um – Journalisten, die die Narrative (heißt übrigens Erzählungen) des Westens übernehmen, sind dann eben prowestliche Propagandisten. Nun fehlt nur noch ein Propagandaministerium. Ich konnte mit Patrik Baab persönlich diskutieren, ich finde seine Recherchen nachvollziehbar und erst recht näher an der Wahrheit als das, was uns jeden Tag vom ÖRR serviert wird. Und noch ein Beispiel – Frau Prof. Gabriele Krone-Schmalz. Eine ausgewiesene Russland-Expertin, die ebenso kritisch mit den veröffentlichten Narrativen umgeht. Sie kann nur über alternative Medien (Youtube etc.) agieren oder sich persönlich dem Publikum stellen. Sie sollte ein echtes Vorbild für Journalisten sein.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (4. April 2024 um 23:59 Uhr)
    Endlich ein Aufschrei! Da keimt etwas Hoffnung in mir auf. Ich freue mich sehr über das »Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland«. JedeR sollte mitzeichnen! Über den im Artikel angeführten Verweis kommt man sowohl zum Text als auch zur Unterstützungsmöglichkeit bei openpetition.de.