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Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 6 / Ausland
Konflikt im Maghreb

Warnschüsse aus Rabat

Marokko: Dreimonatiges Marinemanöver in Gewässern der Westsahara als Antwort auf EuGH-Gutachten
Von Jörg Tiedjen
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Fischerboote müssen sich bis Ende Juli 2024 in den Gewässern der Westsahara vor der marokkanischen Marine in acht nehmen (Symbolbild, 24.3.2017)

Wenn ein Land unangekündigt vor der Küste eines Anrainers mit einer Kriegsflotte aufkreuzt, kann man kaum von gutnachbarschaftlichen Beziehungen sprechen. Anders Spaniens Außenminister José Manuel Albares. Am Freitag vergangener Woche hatte die marokkanische Marine in den Gewässern der Westsahara ein dreimonatiges Marinemanöver begonnen. Daraufhin beschwerte sich die Regionalregierung der angrenzenden Kanarischen Inseln, dass sie weder von Madrid noch von Rabat vorab über die Übung informiert worden sei. Doch am Montag beschwichtigte Albares den kanarischen Regierungspräsidenten Fernando Clavijo damit, dass sich die Übung in einem »wohldefinierten Gebiet (…) weit weg vom eigenen Hoheitsbereich« abspiele, wie der Radiosender COPE berichtete. Auch seien Albares und Clavijo übereingekommen, das »gute Verhältnis« zwischen Spanien und Marokko nicht belasten zu wollen.

Der Generalsekretär der rechten Volkspartei (PP) auf dem Urlaubsarchipel, Jacob Qadri, hatte laut der marokkanischen Nachrichtenseite Hes­press ebenfalls die »Geheimhaltung« Madrids in dieser Angelegenheit bemängelt und der spanischen Linksregierung ein »allgemeines Schweigen zu Themen« vorgeworfen, »die für die Kanarischen Inseln von entscheidender Bedeutung sind, darunter die Grenzkontrollen, die Hoheitsgewässer und der Konflikt in der Sahara«. Auf den Kanaren wird nicht zuletzt befürchtet, dass das Manöver dem Tourismus schaden könne. Umweltschützer hätten darauf aufmerksam gemacht, dass das marokkanische Aufmarschgebiet ein Hotspot der Artenvielfalt sei und die Meeresbewohner unter den Kriegsübungen leiden könnten.

Es war das marokkanische Fischereiministerium, das die Übung am 19. März mit einer knappen Warnmeldung bekanntgegeben hatte, dass bestimmte Gebiete vor den Küsten der Westsahara in den kommenden Monaten zu umfahren seien. Die Ankündigung kam nicht zufällig, wie der spanische Journalist Ignacio Cembrero in der Internetzeitung El Confidencial unterstrich. Denn vier Tage später veröffentlichte die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs ein lange erwartetes Gutachten, das einmal mehr bestätigte, dass zwischen Brüssel und Rabat geschlossene Fischereiverträge nichtig sind, sofern unter ihrem Deckmantel Trawler aus EU-Ländern in den sahrauischen Fischgründen wildern. Denn das von Marokko seit Jahrzehnten zu zwei Dritteln besetzte Gebiet gehört nach internationalem Recht nicht zu dem nordafrikanischen Königreich. Es ist ein »nicht selbstregiertes Territorium«, dessen Einwohner das Recht auf Selbstbestimmung haben.

Hinzu kommt: Um seine Herrschaft über die Westsahara zu festigen, beansprucht Marokko auch die Kontrolle des Luftraums über dem okkupierten Land. Die wird aber bislang von den Kanarischen Inseln aus ausgeübt. Denn die UN-Behörde ICAO, die für solche Belange zuständig ist, hält sich treu an die völkerrechtliche Vorgabe, dass die Zuständigkeit für das Wüstenterritorium, juristisch betrachtet, nach wie vor bei der alten Kolonialmacht Spanien liegt. Rabat befindet sich zwar seit geraumer Zeit in Gesprächen mit Madrid über eine Übernahme der Flugaufsicht, wie das Onlinemedium El Independiente am Montag in Erinnerung rief. Auch hat die spanische Luftfahrtbehörde Enaire unlängst unter Protest der Westsahara-Befreiungsfront Polisario eine Karte veröffentlicht, auf der das Gebiet als Teil Marokkos dargestellt wird. Aber wie auch immer die einschlägigen Verhandlungen verlaufen: Am von der UNO verbürgten Status der Westsahara ändern auch Warnschüsse aus marokkanischen Fregatten nichts.

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