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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 16 / Sport
Rodeo

Favoriten der Ephebophilie. Bullenreiten in Nampa, Idaho

Von Maximilian Schäffer
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Pittoresk und die letzten hundert Jahre von liberalen Ideen unberührt: Nampa, Idaho

Nampa war einst die Verbindungsstadt des Kartoffelstaates Idaho zur Westküste – mit dem Ziel des Hafens von Portland. Die Eisenbahn regierte die Stadt, sie brachte den streng gläubigen Farmern schnellen Wohlstand. 1906 gab es das obligatorische Fegefeuer, das große Teile der Wohnhäuser zerstörte. Ebenso selbstverständlich baute man, was in Asche lag, schnell wieder auf. So existierte Nampa das vergangene Jahrhundert für sich dahin, relativ reich, irgendwo im Nirgendwo, mit Viehausstellungen und Landwirtschaftsmessen. 1937 entstand das größte Rodeo der Region, das bis heute jährlich stattfindende »Snake River Stampede«. Im selben Jahr verwandelte sich die Bibelschule der Nazarener – einer methodistischen Freikirche mit lustigen eigenen Wahrheiten – zur ­Northwest Nazarene University (NNU).

Bis heute sind Promiskuität, Homosexualität und andere ernste Wahrheiten irdischen Begehrens an der Hochschule ungern gesehen. Das studentische Handbuch mahnt den jungen Geist selbstverständlich, »(…) die von Gott gegebene Gabe der Geschlechtsidentität zu leben und in einzigartiger Weise zu fördern«. Und weiter: »In diesem Sinne verpflichten wir uns zu einer Auffassung von Sexualität, die zwischen Mann und Frau innerhalb der von der Kirche definierten Gabe des Ehebundes voll verwirklicht wird. Verheiratete Studenten verpflichten sich, innerhalb ihres Ehebundes treu zu sein und jegliches sexuelles Verhalten außerhalb dieser Bundesbeziehung zu vermeiden.«

Zu erhöhten Konflikten mit diesem Weltbild tragen zwei Tatsachen bei: Zum ersten ist Nampa Vorposten der Hauptstadt Boise (etwa 20 Meilen, circa 32 Kilometer, entfernt). Zum zweiten blieb die Metropole zwar hinter ihren Hügeln die letzten hundert Jahre von jeglichen liberalen Ideen unberührt. Aber mit dem sozioökonomischen Zusammenbruch von Kalifornien ist der Influx von Tech-Yuppies und deren Anhang unvermeidbar geworden. Immobilienpreise explodieren, und wer landnimmt, schafft an. In den USA ist das schon immer so gewesen, ob nun bei Eisenbahnmoguln oder bei queeren Informatikerpaaren.

Der Einzug der bullenreitenden Kuhjungen und ihrer Herde mag für viele alteingesessene Nampaner wie die Rückkehr des Himmelreiches auf Erden gewirkt haben. Endlich ein paar stramme junge Männer, die ungesattelt (bareback) auf dem Riderbuckel sich vergnügen und dabei auch noch warme Worte für den Heiland übrig haben. Auch wenn die Brasilianer im Teilnehmerfeld zum größten Teil katholisch sind – drauf gedüngt. Im Ford Idaho Center, Sitzfleischplätze für gut 12.000, fand das Event der Professional Bull Riders (PBR) kreuzbrav und sehr sexy statt.

Einer der attraktivsten Boys, der 21jährige Thiago Salgado aus Naviarí an der Grenze zu Paraguay stammend, lila Engelsflügel auf der weißen Lederhose, 63 Kilo auf 1,63 Metern, erschien den zahlenden Ephebophilen im Saal früh als Favorit. Time Bomb, der Bulle, allerdings, kooperierte in der zweiten Runde kaum. 68,50 Wertungsziffern von möglichen 100 sind beim Bullenreiten eigentlich schon fast eine Schande. Dennoch: besser ein paar Punkte im Sack als trocken abgewedelt. Und es reichte sogar für die Spitze des Treppchens: 42.000 Dollar Preisgeld wurden mit einem putzigen Rückwärtssalto gefeiert.

Dalton Kasel, erfolgreich von Farmern in Texas adoptiert, fünfter der Jahresgesamtwertung 2023, setzte sich am vergangenen Wochenende zwar nicht durch, atmet aber nun John Crimber mit nur einem Hauch von Abstand (sieben Punkte) auf Platz drei der Weltrangliste in den gedrungenen Nacken. Cassio Dias konnte seinen Vorsprung nicht ausbauen, toppt aber immer noch mit 415 Punkten großem, langem Abstand. Man Hater war es in Nampa zu tuntig. Der Alpha aller Zuchtbullen blieb zu Hause im Stall.

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  • Leserbrief von Olaf P (5. April 2024 um 21:10 Uhr)
    Drei Küsschen an den Autoren für seine herrlichen Ausritte auf dem Feld der bullenreitenden Epheben. Amüsiere mich königlich und wünsche ihm noch viele weitere »tuntige Zuchtbullen«.

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