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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Hootenanny

Zu jW vom 26.3.: »DDR konkret«

Ich bedanke mich ausdrücklich für die Themenseiten vom 26. März über meinen persönlichen Bekannten Reinhold Andert. Dem Autor ist bei den Anfangsjahren der Singebewegung in der DDR leider ein kleiner Fehler unterlaufen: Der Beginn des Oktoberklubs war tatsächlich der Hootenannyklub. Er wurde aber Anfang 1966 im Hinterzimmer (Beratungsraum) von Siegfried Wein, Sekretär der Bezirksleitung der Berliner FDJ gegründet. Anwesend waren: Siegfried Wein, Marianne Oppel (DT 64), Perry Friedman (Sänger und Banjospieler), Günter Görtz (Mitarbeiter der BL der FDJ) und Konstantin Brandt (ebenfalls Mitarbeiter der Berliner BL der FDJ). Erster und jahrelanger Leiter des Klubs war Lutz Kirchenwitz. Er kam, wie einige Mitglieder, vom Theaterjugendklub der Volksbühne. Die ersten Hootenannys (gemeinsames Singen) fanden nicht im Kino »International« statt, sondern in dem damals noch existierenden »Zentralen Klub der Jugend und Sportler« in der Stalinallee/Karl-Marx-Allee.

Konstantin Brandt, per E-Mail

»Mittel, Wege und Umwege«

Zu jW vom 26.3.: »DDR konkret«

Noch ein linientreuer Dissident? Tausend Dank für diesen wunderbaren aufschlussreichen Artikel über Reinhold Andert, dem ein langes glückliches Leben zu seinem Wiegenfest zu wünschen ist. Fast möchte man sagen: Hätten doch viele Funktionsträger der damaligen DDR mehr auf das gehört, was z. B. ein Wolfgang Harich oder Reinhold Andert uns zugetragen haben! Anthropologen verknüpfen bewusste Zielsetzungen, die auch noch den Anspruch wissenschaftlicher Begründung erheben – wie es für einen sozialistischen Aufbau von Gesellschaft notwendig ist – damit, dass allmählich das rein instinktgesteuerte Verhalten, das sich mit der Menschwerdung buchstäblich »abgearbeitet« hat, alle Wege freimacht zur Distanzgewinnung zu den Objekten. Menschen also nicht mehr nur reflexartig auf Neues reagieren, sondern die äußere Welt als menschengemacht und somit veränderbar wahrnehmen. »Und wirkliche Erkenntnis bemerkt dann mehr als nur das vital Bedeutsame, sie ist aufgeschlossen für das Ansichsein der ganzen Realität (Hervorhebung im Original, M. P.), was wiederum dem Ausbau der Arbeitsleistungen, nämlich dem Ausfindigmachen neuer Mittel, Wege und Umwege (!, M. P.) zustatten kommt.« Traurig, dass dieser 1953 von W. Harich veröffentlichte Beitrag (Sinn und Form 6/1953, »Über die Empfindung des Schönen«) offenbar so wenig Widerhall z. B. bei dem SED-Funktionär K. Naumann ausgelöst hat. Dass Politiker und Intellektuelle mit bürgerlicher Weltanschauung gar nicht in der Lage sind, diese Zusammenhänge zu erkennen, zeigt sich in dieser Zeit ganz besonders in den Worten und Taten der Kriegstreiber aller Couleur. Die Folgen dieser ihrer Handlungen nicht abzusehen verortet diese Art Spezies frei nach La Mettrie noch unterhalb des Tierhaften: »Welches Tier würde neben einem Milchstrom Hungers sterben?« (»L’ Homme machine«)

Manfred Pohlmann, Hamburg

Etikettenschwindel

Zu jW vom 27.3.: »BSW ruft die Polizei«

»Früher war für Linke einmal klar, dass solche Statistiken etwas mit der sozialen Lage der hier erfassten Bevölkerungsgruppen zu tun haben.« Nicht nur das. Ich kann zwar nicht in die Köpfe aller Linken schauen und folglich nicht für sie sprechen, jedoch ist das wichtigste Merkmal der »Kriminalstatistik« (PKS), dass es sich um Etikettenschwindel handelt, denn sie erfasst nicht Kriminalität, sondern Anzeigen (!), unabhängig davon, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt ein Verfahren eröffnet, geschweige denn, wie ein solches ausgeht. Wenn man dazu noch berücksichtigt, dass die Polizei eher zu Schlagseite nach Steuerbord – für Landratten: rechts – neigt und der gemeine Deutsche beim Anblick von »Orientalen« auch, kommt man leicht drauf, dass »Ausländer« überproportional häufig angezeigt werden. Der kiffende »Ausländer« ist nämlich ein »schwerkriminelles Clanbandenkinderesserterrorsektenmitglied«, während der kiffende »Biodeutsche« nur ein »harmloser Hippie« ist – der tut nix. Auch ist der etwas übereifrig flirtende »Muselmann« sofort mindestens der versuchten Vergewaltigung verdächtig, während der »Biodeutsche« halt nur ein unbeholfener »Incel« ist. Außerdem gibt es Delikte, die nur Immigranten begehen können, z. B. illegale(r) Grenzübertritt/Einreise/Aufenthalt. Nein, die PKS war noch nie ein Beweis für »Ausländerkriminalität«, sondern nur einer für die Devise: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

Marcus Blumhagen, per E-Mail

Eichhörnchen in der Mikrowelle

Zu jW vom 2.4.: »Aluhut des Tages: Der Spiegel«

Vielleicht haben die Macher von »60 Minutes«, Infobae und Spiegel ja auch bloß den Münsteraner Tatort »Unter Gärtnern« von vor zwei Wochen für bare Münze genommen. Da wurde auch vom »Havanna-Syndrom« gemunkelt, allerdings verwechselte Rechtsmediziner Börne (bzw. die Drehbuchschreiber) Schall- mit Mikrowellen, jedenfalls wurde albern mit rohen Eiern und Haushaltsmikrowellengeräten experimentiert, um nachzuweisen, dass eine Frau (und zwei Eichhörnchen!) mittels Brutzelkanone hingemeuchelt wurde. Und Überraschung: Sie wurden! Aus einem Eiswagen heraus! Und Spoiler: Die Russen waren es! Tja, und wenn man nun beim Tatort-Schauen ein wenig zu tief ins Wodka- oder Whiskeyglas lunscht, dann kann es auch schon mal passieren, dass man den Fernsehkrimi für echte Nachrichten oder gar die Wahrheit hält. Scheint beim Spiegel öfter mal vorzukommen.

Hannes Baum, per E-Mail

Der kiffende ›Ausländer‹, ist nämlich ein ›schwerkriminelles Clanbandenkinderesserterror­sekten­mitglied‹, während der kiffende ›­Biodeutsche‹ nur ein ›harmloser Hippie‹ ist – der tut nix.

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