junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Dienstag, 30. April 2024, Nr. 101
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 7 / Ausland
Krieg gegen Gaza

Ein »tragischer Fall«

Tödlicher Angriff auf Helfer in Gaza: Israel verspricht Lernprozess. Ramallah fordert internationale Untersuchung
Von Ina Sembdner
7.JPG
Hilfsorganisationen haben nicht umsonst eine weithin erkennbare Markierung: Schiffslieferung nach Gaza am 15. März

Es ist zu erwarten gewesen: Israel bleibt bei seiner Darstellung, dass die offenkundig gezielte Tötung von sieben Helfern der internationalen Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) ein »tragischer Fall« gewesen sei. Generalstabschef Herzi Halewi erklärte in einer in der Nacht zu Mittwoch veröffentlichten Videostellungnahme: »Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden. Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung folgte – in der Nacht während eines Krieges unter sehr komplexen Bedingungen. Das hätte nicht passieren dürfen.« Ein unabhängiges Gremium werde den Vorfall gründlich untersuchen und »in den nächsten Tagen abschließen«, fuhr Halewi fort. Die Armee werde aus den Schlussfolgerungen lernen »und sie sofort umsetzen«, verkündete er.

In vollem Wissen

Die liberale Tageszeitung Haaretz hatte den »Fehler« am Dienstag abend unter Berufung auf eine Geheimdienstquelle konkretisiert. Demnach sei die Tötung »auf eine schlechte Disziplin der Feldkommandeure zurückzuführen und nicht auf einen Mangel an Koordination zwischen der Armee und den Hilfsorganisationen«. Dies ist die offiziell von Tel Aviv vertretene Lesart. Die beteiligten Offiziere und Soldaten hätten gegen die Vorschriften und Befehle der israelischen Armee verstoßen. Die besagten nämlich, dass die endgültige Genehmigung für Maßnahmen »gegen sensible Ziele wie Hilfsorganisationen« von hochrangigen Offizieren erteilt werden muss. Im Gazastreifen, so die Quelle, lege aber »jeder Kommandeur die Regeln für sich selbst fest« und agiere gemäß seiner eigenen Interpretation der Einsatzregeln. Die Führung habe sehr genau gewusst, was im Kriegsgebiet passiere.

Das palästinensische Ministerium für humanitäre Angelegenheiten forderte in einer Erklärung vom Mittwoch eine »sofortige internationale Untersuchung« zu dem Angriff und erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass Israels Armee seit dem 7. Oktober rund 170 palästinensische Hilfskräfte getötet habe. »Darüber hinaus sind Hunderte von Palästinensern im Gazastreifen getötet worden, während sie auf Lebensmittel und Hilfsgüter warteten«, fügte das Ministerium hinzu.

Auch aus den Herkunftsländern der Getöteten wird deutliche Kritik laut. Die meisten Polen hätten sich nach dem Angriff der Hamas mit Israel solidarisch erklärt, schrieb der polnische Ministerpräsident Donald Tusk auf X an Netanjahu und den israelischen Botschafter in Polen, Jakow Liwne, gerichtet. »Heute stellen Sie diese Solidarität auf eine harte Probe. Der tragische Angriff auf Ehrenamtliche und Ihre (Netanjahus) Reaktion darauf lösen verständlicherweise Wut aus.« Damit verwies er auf eine Aussage des israelischen Premiers, der von einem »tragischen Fall« gesprochen und erklärt hatte: »So etwas passiert im Krieg.« Der australische Ministerpräsident Anthony Albanese habe gegenüber Netanjahu »Australiens Wut und Besorgnis« zum Ausdruck gebracht, Außenministerin Penelope Wong hatte den Luftangriff zuvor bereits in einem Gespräch mit ihrem israelischen Amtskollegen Israel Katz als »empörend und inakzeptabel« verurteilt. Israel werde weiter an Unterstützung verlieren, wenn es seinen Kurs nicht ändere.

Mahnung aus Washington

US-Präsident Joseph Biden verschärfte ebenfalls den Ton: »Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen«, erklärte er am Dienstag abend. »Das ist kein Einzelfall«, so Biden. »Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht.«

Israel ist nach Einschätzung der US-Regierung auch für den Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus verantwortlich. Das machte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh bei einer Pressekonferenz in Washington deutlich. Singh war gefragt worden, ob die USA an dem Luftangriff am Montag beteiligt gewesen seien. Darauf antwortete sie: »Die USA haben keinen Angriff in Damaskus durchgeführt. Ich möchte Sie auf die Israelis verweisen, um mit ihnen über ihren Angriff zu sprechen.« Bei der Attacke waren zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der Iranischen Revolutionsgarden getötet worden.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Medizinische Infrastruktur gezielt zerstört: Im Schifa-Krankenha...
    02.04.2024

    Hospital in Trümmern

    Gazakrieg: Israel beendet Angriff auf Schifa-Krankenhaus. Weitere Massaker und Angriffe auf Libanon und Syrien
  • Große Solidaritätsbewegung für die Freilassung von Öcalan, Frank...
    15.02.2024

    Im Knast seit 25 Jahren

    Nach langer Irrfahrt entführt. Am 15. Februar 1999 wurde der PKK-Anführer Abdullah Öcalan in Nairobi festgenommen. Er ist bis heute in der Türkei inhaftiert
  • Kampfjet vom Flugzeugträger "USS Eisenhower" startet z...
    05.02.2024

    Kontrolle verloren

    US-Angriffe auf Jemen, Irak und Syrien