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Aus: Ausgabe vom 30.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Die Maus brüllt nicht mal

Israels Krieg im US-Wahlkampf
Von Knut Mellenthin
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Joseph Biden und Benjamin Netanjahu (Tel Aviv, 18.10.2023)

Mitten im Wahlkampf wollte Joseph Biden so tun, als könne er sich gegen die israelische Regierung durchsetzen. Also ließ der US-Präsident – ohne Einsatz des Vetorechts – eine Resolution durch den UN-Sicherheitsrat schlüpfen, in der ein »sofortiger Waffenstillstand« (»immediate ceasefire«) und nicht nur eine »humanitäre Waffenruhe« (»humanitarian truce«) gefordert wurde. Aber das Spiel ging an Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nicht vorbei, der – genau so, wie er es vor der Abstimmung angekündigt hatte – die Reise zweier hochrangiger Vertrauter nach Washington absagte, der er gerade erst auf telefonisches Drängen Bidens widerwillig zugestimmt hatte. Das Abstimmungsverhalten der USA sei »sehr, sehr übel«, kommentierte der Chef der rechtesten israelischen Regierung seit der Staatsgründung 1948, weil es »Hamas ermutigt« habe, »eine harte Haltung einzunehmen«.

Die gesamte US-Administration, die mit dieser scharfen öffentlichen Abfuhr anscheinend nicht gerechnet hatte – warum eigentlich nicht? –, zuckte erschrocken zurück: Es sei doch eigentlich gar nichts passiert. Denn erstens werde in dieser Resolution auch die Freilassung aller im Gazastreifen gefangengehaltenen Israelis gefordert, was tatsächlich stimmt. Das sei zwingende Voraussetzung für einen Waffenstillstand, was so eindeutig allerdings nicht im beschlossenen Text steht. Und zweitens, so die Argumentation der US-Regierung, sei die Resolution rechtlich »nicht verbindlich« (»non-binding«). Das wäre nach der seit Jahrzehnten üblichen Praxis allerdings überraschend – und wird von den meisten Staaten der Welt bestritten.

Der ranghöchste Republikaner im Kongress, Senator Lindsey Graham, war sofort alarmiert nach Jerusalem geeilt, schon zum vierten Mal seit dem 7. Oktober, um Netanjahu seines uneingeschränkten und bedingungslosen Beistands zu versichern. Die Feststellung, Israel hungere die Bevölkerung des Gazastreifens aus, verwarf Graham als »Bullshit« und bescheinigte den israelischen Streitkräften, sie würden »in Kriegszeiten unglaubliche Anstrengungen unternehmen, um die Lebensgrundlagen unschuldiger Palästinenser zu schützen«. Der Senator versprach außerdem, dass die USA ohne Freilassung der Geiseln nicht einmal eine Kampfpause unterstützen würden.

»›Benjamin Netanjahu kann Biden wirklich gefährlich werden‹«, überschrieb der Spiegel am Mittwoch auf seiner Website ein Gespräch mit dem US-Amerikaner Peter Beinart, einem orthodox praktizierenden Juden, der die Rechtsentwicklung Israels schon in einem 2012 erschienenen Buch diagnostiziert hatte. Der Premierminister habe »die Republikaner geschlossen hinter sich, mitsamt der großen jüdischen Organisationen«. Sollte sich Biden wirklich mit Netanjahu anlegen, was er bisher aber nicht ernstlich getan habe, könne er den Kampf verlieren. Aber das könnte, worauf Beinart nicht hinwies, dem US-Präsidenten auch passieren, wenn er einer Konfrontation weiter ausweicht.

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