Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. April 2024, Nr. 99
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 14 / Feuilleton

Rotlicht: Ostern

Von Horsta Krum
14_rotlicht.jpg
Erscheinung. Christ ist auferstanden. Das Leben siegt über den Tod

Weihnachten ist konkret. Die ersten christlichen Historiker haben Namen, Geburtsdatum und -ort des neugeborenen Kindes genannt: Jesus aus Nazareth; der Herkunftsort gehörte zur Identität eines Menschen. Das musste nicht der Geburtsort sein. Im Geburtsort Bethlehem hielten sich die Eltern von Jesus nur ganz kurz auf, weil sie sich dort in die römischen Steuerlisten eintragen lassen mussten, um dann an ihren eigentlichen Wohnsitz nach Nazareth zurückzukehren, wo Jesus aufwuchs.

Als Wanderprediger zog der Jude Jesus von Nazareth im Lande umher, Schüler, Freunde gingen mit ihm, nicht ungewöhnlich in dieser Zeit. Wegen seiner Äußerungen und seiner Missachtung der religiösen Gesetze wurde er auffällig. Die jüdischen Autoritäten mit Sitz in Jerusalem erreichten bei Pontius Pilatus, dem Repräsentanten der römischen Besatzungsmacht, das Todesurteil, vollstreckt am Tage vor dem jüdischen Passahfest. Jesus von Nazareth starb, zusammen mit zwei Schwerverbrechern, am Kreuz einen langsamen, quälenden Tod. Auch das wurde mit Datum und Ort festgehalten.

Was danach folgt, kann ehrlicherweise nicht als historisches Ereignis festgeschrieben werden: Mehrere Menschen aus der Umgebung Jesu, zu denen auch seine Mutter Maria gehörte, erlebten seine »Auferstehung«. Was war das? Seine Rückkehr ins Leben, die aber keine tatsächliche Rückkehr war, denn er war nicht derselbe.

Die ersten, die davon erfuhren, waren Frauen, die am dritten Tag nach der Hinrichtung (wobei der erste, der Freitag, mitgezählt wird) zum Grab gingen. Sie sahen ein leeres Grab und einen Mann in weißem Gewand, der sagte, dass Jesus auferstanden sei, dass sie und die Freunde ihn sehen können, wenn er sie in die Provinz Galiläa führen werde, wo er Wanderprediger gewesen war. Sie sollten diese Botschaft den Freunden überbringen. Das taten sie aber nicht, denn sie waren so entsetzt, dass sie das Grab fluchtartig verließen und schwiegen.

Dann berichtet das Evangelium des Markus, dass Jesus am selben Tag einer Frau »erschien«, die es den Freunden weitersagte. Die glaubten ihr nicht, dass »er lebe und ihr erschienen sei«. Danach »offenbarte er sich« anderen Freunden und sprach schließlich auch mit ihnen. Der Kreis derer, die Jesus sehen und erleben, wird größer – was die anderen Evangelien ähnlich berichten. Weitere biblische Schriften erwähnen ebenfalls Erscheinungen des Auferstandenen. So erlebten verschiedene Menschen Ostern auf ganz unterschiedliche Weise.

Sie erhalten den Auftrag, die Botschaft von der Auferstehung weiterzugeben und geben sie weiter als »Evangelium«, was »gute Botschaft« bedeutet, als Sieg des Lebens über den Tod. In den folgenden Jahrhunderten wurde diese Botschaft unterschiedlich interpretiert, unterschiedlich erlebt, gelebt, im Krieg anders als im Frieden, während der Pest anders als in Zeiten ohne Epidemien usw. Aber immer ist sie zukunftsorientiert gewesen, hat den Sieg des Lebens über den Tod gefeiert.

Kritiker haben der Kirche zu Recht Missbrauch der Osterbotschaft vorgeworfen: Sie halte die ausgebeuteten Arbeiter vom Klassenkampf fern, indem sie auf ein besseres Leben im Jenseits vertröste. Andrerseits haben sich Christen von der Osterbotschaft immer wieder ermutigen lassen, gegen Gewalt und Zerstörung zu kämpfen, beispielsweise die lateinamerikanischen Befreiungstheologen.

Die Pfarrer Martin Niemöller und Heinrich Grüber sahen sich im KZ, durften aber nicht miteinander sprechen. Einer von ihnen musste den Sandboden harken. Mit seiner Harke bildete er das lateinsche Wort Vivit, »er lebt«, als Zusammenfassung der biblischen Osterbotschaft. Später wurde Niemöller einer der Hauptorganisatoren des Ostermarsches in der Bundesrepublik. Der Marsch gegen Militarismus, gegen Aufrüstung, besonders gegen atomare Aufrüstung, findet nicht an irgendeinem Datum statt, sondern zu Ostern, wenn der Sieg des Lebens über den Tod gefeiert wird.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Mehr aus: Feuilleton