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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 8 / Inland
Erinnerungskultur

»Jeder soll für den Widerstand gewürdigt werden«

Bayern: Diskussion um Gedenken an Antifaschisten um Alois Haxpointner in Burghausen hält an. Ein Gespräch mit Katrin Wimmer
Interview: Marc Bebenroth
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Am 9. März 1933 von den Nazis verhaftet, konnte Alois Haxpointner erst im April 1945 bei einem Todesmarsch fliehen (undatiert)

Im oberbayerischen Burghausen hat am Sonntag ein weiteres Mal eine Diskussionsveranstaltung zum Gedenken an antifaschistische Widerstandskämpfer um den Kommunisten Alois Haxpointner stattgefunden, die vor und nach 1933 die Nazis bekämpft hatten. Beim letzten Mal hatte der SPD-Bürgermeister Florian Schneider beklagt, nicht eingeladen worden zu sein. Jetzt war er dabei. Ist der Streit mit der Stadt um ein namentliches Gedenken in Bewegung gekommen?

Ja, ich habe schon den Eindruck, dass sich da was tut. Die Stadt ist bemüht, eine lebendige Erinnerungskultur zu schaffen, und das braucht eine Auseinandersetzung. Es gibt kein Patentrezept dafür.

Wie lief die Diskussion ab? War das wieder ein Podium oder eine offene Runde?

Es gab ein Podium und jeder konnte seine Position zur Frage eines würdigen Gedenkens des antifaschistischen Widerstands formulieren. Im Anschluss gab es eine offene Gesprächsrunde, bei der sich auch Besucherinnen und Besucher mit eingebracht haben sowie der Bürgermeister. Es gab verschiedene Forderungen von verschiedenen Seiten. Es kam zu einer teils etwas hitzigeren Diskussion, weil die Standpunkte auseinandergingen.

Heißt das, am Ende gingen die Teilnehmenden nicht mit einer Einigung aus der Debatte?

Es wurde sich jetzt nicht auf konkrete Punkte geeinigt, sondern es wurde einfach deutlich, dass die Stadt bemüht ist, eine gute Lösung zu finden. Es ging um verschiedene Standorte oder verschiedene Möglichkeiten von Erinnerungskultur. Dazu gab es verschiedene, auch teilweise wirklich sehr gute Beiträge zu den Fragen, was eine lebendige Erinnerungskultur ausmacht und wie man grundsätzlich mit dem Thema im Ort umgehen sollte.

Zuletzt stand die Forderung im Raum, an einer gut frequentierten Stelle auf städtischem Grund eine Stele aufzustellen für die Widerstandskämpfer.

Meinem Eindruck nach ist das noch eine mögliche Option und wird überlegt. Da ich selbst nicht in Burghausen lebe, kann ich das im Detail nicht beurteilen. Das muss die Kommune für sich klären. Den Bürgermeister habe ich aber durchaus gesprächsbereit erlebt, zum Beispiel was die Namensnennung angeht.

Worauf sollte es aus Ihrer Sicht bei der Gedenkform ankommen?

Mir ist wichtig, dass es eine Erinnerungskultur wird, die nicht bloß Namen auflistet. Sie sollte zu den Menschen, die hinter dieser Widerstandsgruppe standen, einen emotionalen Faden knüpfen. Eine Stele allein wäre da nicht sehr »lebendig« in der heutigen Zeit. Man sollte genau erfahren können, wer diese Widerstandskämpfer waren, wo und wie sie sich gegen die Nazis eingesetzt und ihr Leben riskiert haben. Ich denke, es gibt einige konkrete Beispiele, die man mit dem Gedenkort zum Thema machen könnte. So hatten sie einmal versucht, zu verhindern, dass die Naziflagge in Burghausen gehisst wird.

Kamen in der Diskussion am Sonntag auch Bedenken bezüglich der Person Haxpointner zur Sprache, die in der Vergangenheit gegen ein namentliches Gedenken vorgebracht worden waren?

Das mag schon sein, dass es in Burghausen so einzelne Stimmen gibt. Aber davon habe ich in der Veranstaltung nichts gehört. Die Tatsache bleibt, dass Alois Haxpointner zwölf Jahre vom Naziregime eingesperrt wurde und dass er auch im Konzentrationslager Dachau Widerstand organisiert hatte. Das ist ja dokumentiert. Mir geht es auch nicht nur darum, dass mein Urgroßvater besonders herausgestellt erwähnt wird. Er war relativ schnell interniert worden in Dachau. Während der Zeit gab es trotzdem ganz massiven Widerstand in Burghausen. Es waren wirklich viele. Es ist wichtig, dass die Gedenkform alle benennt und jeder Einzelne so eine Würdigung für den Widerstand bekommt.

Braucht es aus Ihrer Sicht noch weitere Diskussionsrunden wie die am Sonntag?

Eine Gesprächsrunde wie in dem Format halte ich jetzt nicht mehr für sinnvoll. Da gab es jetzt zwei und es gab einen guten Austausch. Es liegt in der Hand der Stadt, was jetzt daraus wird.

Katrin Wimmer ist Urenkelin des antifaschistischen Widerstandskämpfers Alois Haxpointner und arbeitet als Sozialpädagogin in der Suchthilfe in Augsburg

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