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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 4 / Inland
Union und AfD

Rechte Mehrheit in Aktion

CDU-Spitze gibt sich nach Unterstützung von Dresdner Parteifreunden für AfD-Antrag kritisch. Merz nennt Entscheidung »in der Sache richtig«
Von Kristian Stemmler
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In der Sache bei der AfD: Die Dresdner CDU. Hier bei einem Parteitag in der Dreikönigskirche (Dresden, 2.12.2023)

Es ist erst rund zwei Wochen her, dass durch eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung nachgewiesen wurde, dass in vielen Kommunalparlamenten mit einer gewissen Regelmäßigkeit »Kooperationen« zwischen der AfD und der CDU (seltener auch zwischen AfD und FDP, SPD, Grünen oder Linkspartei) vorkommen. Davon wird trotz des anhaltenden Geredes über eine »Brandmauer« nur selten Notiz genommen. Anders lief es Ende vergangener Woche, als sich herumsprach, dass Vertreter von CDU, FDP und Freien Wählern einem AfD-Antrag zur Einführung einer Bezahlkarte zur Mehrheit verholfen hatten.

Im Konrad-Adenauer-Haus hat man sich schnell entschieden, sich taktisch von den Dresdner Parteifreunden abzusetzen. Nach Parteichef Friedrich Merz kritisierte am Montag auch Thorsten Frei, Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, dass die CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat am Donnerstag abend dem AfD-Antrag zugestimmt hat. Im Deutschlandfunk bezeichnete Frei das als »absolut nicht in Ordnung«. Es gebe eine »klare Beschlusslage« in der Partei, dass »wir auf keiner politischen Ebene in keinem politischen und parlamentarischen Verfahren mit der AfD zusammenarbeiten, ihren Anträgen zustimmen und dergleichen mehr«.

Dass auch die FDP und die Freien Wähler für den AfD-Antrag gestimmt hätten, mache die Sache nicht besser. Es würden »ernsthafte Gespräche« mit den Dresdner Parteifreunden geführt, man wolle sich den Fall »ganz genau anschauen«. »Wir werden sicherstellen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert«, betonte Frei. Am Freitag hatte sich Merz, der eine Zusammenarbeit mit der AfD auch auf kommunaler Ebene ausgeschlossen hatte, bereits ähnlich geäußert. Die Entscheidung der CDU-Fraktion sei ein Fehler gewesen, sagte er. Allerdings war das eher eine technische Kritik: Die Entscheidung sei »in der Sache richtig, im Verfahren inakzeptabel« gewesen.

Die Entscheidung für den AfD-Antrag war mit 33 zu 32 Stimmen knapp ausgefallen. Vor der Abstimmung hatte Thomas Lehmann von der CDU-Fraktion erklärt, dass die Fraktion den Antrag auch deshalb unterstütze, weil die Einführung einer geplanten bundesweiten Bezahlkarte sich noch lange hinziehen könne. Direkt nach der Abstimmung bejubelte die AfD den Erfolg. »Die AfD wirkt und die Brandmauer fällt krachend in sich zusammen«, schrieb die AfD-Ratsfrau Silke Schöps beim Kurznachrichtendienst X. Das rechte österreichische Portal Freilich-Magazin zitierte aus der Rede von Schöps, die den Antrag damit begründet hatte, dass die Stadt Dresden »Anreize für ›Sozialleistungssuchende‹ aus dem Ausland abbauen und Remigration aktiv fördern« müsse.

Kein Grund offenbar für die CDU-Leute, nicht zuzustimmen. Am Freitag hatte CDU-Fraktionschefin Heike Ahnert versucht, das Abstimmungsverhalten der Fraktion mit dem Verlauf der Sitzung zu rechtfertigen. Die CDU habe versucht, einen eigenen Antrag zur Bezahlkarte zur Abstimmung im Stadtrat zu bringen, sagte sie gegenüber dpa. Dafür habe es aber keine Mehrheit gegeben. So sei nur die Aktuelle Stunde mit dem Antrag der AfD geblieben, zu dem ihre Fraktion sich habe verhalten müssen.

Scharfe Kritik kam von André Schollbach, Fraktionschef der Partei Die Linke im Dresdner Stadtrat: »Die bisherigen Beteuerungen, sich klar von der rechtsextremen AfD abzugrenzen, waren nichts anderes als Lippenbekenntnisse.« Wer in Sachsen CDU wähle, müsse damit rechnen, »dass seine Stimme letztlich der Mehrheitsbeschaffung für AfD-Politik dient«. Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer sagte gegenüber dpa, in Dresden sei »eine Grenze überschritten worden: Das ist eine neue Dimension«. Bisher habe sich die CDU auch in den Städten an ihre Linie gehalten, Anträgen der AfD nicht zuzustimmen, so Vorländer.

Der am Donnerstag vom Stadtrat angenommene Antrag der AfD-Fraktion sieht vor, dass in einem Modellversuch eine Bezahlkarte die bisherigen Bargeldzahlungen für Asylsuchende ablöst. Mit der Karte sollen nur Zahlungen innerhalb Deutschlands möglich sein, zudem soll es weitere Einschränkungen bei der Nutzung geben.

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  • Leserbrief von B. S. aus Ammerland (26. März 2024 um 11:31 Uhr)
    Die Gründungsmitglieder der angeblich Christlich Demokratischen Union – auch besser bekannt als CDU, bestanden aus ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS, des SD, der Gestapo, der Wehrmacht, der NSDAP u.a. Also keine Demokraten, sondern Nazis. Nach dem deren »Lieblingspartei«, die Sozialistische Reichspartei, auf Druck der US-Amerikaner verboten werden musste, suchte man sich die Partei des »Reichsverwesers« Adenauer, die CDU. Unter Konrad Adenauer kamen alle Nazis schnell wieder zu Rang und Namen, vor allem aber wieder in Schlüsselpositionen von Politik, Verwaltung, Justiz, Parteien und Wirtschaft. In den 60er und 70er Jahren fand dann eine bescheidene Aufarbeitung der NS-Verbrechen statt, aber mehr nicht. Eine richtige Entnazifizierung blieb ein Mythos. Die heutige AfD haben wir einer Politik von CDU, aber auch CSU zu verdanken, mit mildtätiger Beihilfe der Nationalliberalen, Teilen des rechten SPD-Flügels und Grünen. Deshalb sind die Beteuerungen eines Friedrich Merz (er kommt von Blackrock, einem US-Hedgefond) sind deshalb nur halbherzig und müssen als Reaktion auf den Chef Larry Fink gesehen werden. Alle eExtremen Rechtsausleger der CDU« sind in die AfD gewechselt. Alle, die vorgaben, moderat zu sein, gibt es dort mittlerweile nicht mehr. Friedrich Merz und Markus Söder sind die »berühmten demokratischen Märchenerzähler« in Deutschland. Warten wir die Ergebnisse der kommenden Landtagswahlen ab und »ergötzen« uns an den folgenden Regierungskoalitionen.
    • Leserbrief von Franz Döring (26. März 2024 um 16:29 Uhr)
      Die AFD wird durch ihre Wähler erst stark! Ich befürchte das Schlimmste für die drei Wahlen in diesem Jahr! Warum werden die Gründe der Wähler nicht genau analysiert und nicht versucht, rechtzeitig diese von der AFD z. B. zum BSW hinüberzuziehen? Die Gefahr durch die AFD unterschätzen meiner Meinung nach noch viele Linke!

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