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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 16 / Sport
Bullenreiten

Ihn juckt keine Mücke: Bullenreiten in Little Rock, Arkansas

Von Maximilian Schäffer
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Die gute alte Zeit: Little Rock, Arkansas im September 1958

Arkansas ist für den Clinton-Clan, was Delaware für die Biden-Bande ist: Ausgangspunkt einer großen, US-amerikanischen Karriere im organisierten Versprechen. Hort diverser Sexskandale (Stichwort: Paula Jones) und Immobilienkontroversen (Stichwort: Whitewater). Versuchslabor für die eigene Variante »demokratischer« Umverteilung. Mausoleum der wandelnden Toten neoliberaler Exzesspolitik der letzten 30 Jahre. In Little Rock, der Hauptstadt von Arkansas, gedenken eine Clinton-Bibliothek, ein Clinton-Museum, ein Clinton-Park, eine Clinton-Schule, eine Clinton-Brücke und ein Clinton-Flughafen den Errungenschaften des 42. Präsidenten der USA. Beispielsweise ist in Arkansas die Kriminalitätsrate dreimal so hoch wie im Rest des Landes. Die Einkommen sind mickrig. Die Infrastruktur zerfällt. Geisterstädte häufen sich. In Delaware vegetiert es sich ähnlich venerisch.

Neben dem Clinton- und dem Ku-Klux-Klan muss auch noch das Geschlecht der Waltons erwähnt werden, deren Bergfried zu Bentonville, Arkansas errichtet steht. Sam Walton, Sohn eines Rinderfarmers, eröffnete 1962 in Rogers, einem Mittelstädtchen im Ozark-Plateau den allerersten Walmart. Sein Einzelhandelsimperium beschert seinen Nachkommen verschiedenste Spitzenplätze in Listen der reichsten Menschen der Welt. Kürzlich wurde der Mindestlohn für Arbeiter bei Walmart von zwölf auf vierzehn Dollar angehoben. Vielen Dank!

Durch Little Rock also tuckerten die Bullen, Bullenreiter, Bullenzüchter, Bullenhändler und Bullenpfleger der PBR – Professional Bull Riders – mit Sack und Pack an allen Clinton-Mahnmalen mit geschlossenen Äuglein vorbei, einmal den Arkansas River überquerend, ins Parallelstädtchen North Little Rock in eine weitere wunderschöne Mehrzweckarena, die nach einer weiteren wunderschönen Privatbank heißen darf. Mitte März beginnt die berüchtigte Tornado- und Moskitosaison in feuchtwarmer Flur den Kühen auf den Euter zu gehen. Weil es doch deutlich angenehmer ist, möglichst rabiat zu toben, anstatt sich hinter Schloss und Riegel zustechen zu lassen, war auch Man Hater – VIP, Luxusbulle und Nummer eins der Weltrangliste – diesmal wieder angereist.

Unter den Menschenmännern rückt aktuell nur der 18jährige John Crimber aus Texas dem Spitzenreiter Cassio Dias auf die Pelle. Crimber schien das Surren in mafiöser Luft aber nicht zu bekommen, er versagte in Arkansas kläglich, scheiterte schon in den Vorrunden. Dias hingegen, aus Brasilien solche Gefilde durchaus gewöhnt, ritt sich drei Mal in den Olymp und das trotz noch immerwährender Knieverletzung. Ein wahrhaft eiserner Reiter, der sich in seiner Dankesrede diesmal sogar darum bemühte, ein paar Brocken Englisch betrefflich Lobpreis und Dank von sich zu geben. Gott hat es ihm versprochen: Nun führt er, nach seinem bereits fünften Turniersieg in dieser Saison, mit 413,50 Wertungspunkten Abstand das Feld an.

Eduardo Aparecido hatte sich vorgenommen, derjenige zu sein, der Man Hater in diesem Jahr zum zweiten Mal die Laune vermiesen würde. Nur Cassio Dias war bisher in der Lage, dem haarblonden Vieh mit asymmetrischem Horn acht Sekunden lang auf den Buckel zu gehen. Man Hater aber juckt keine Mücke, er schleuderte die Nummer sechs der Welt nach 6,96 Sekunden mühelos vom Rücken.

Alles, wie gewöhnlich. Aber alles sonderbar in Arkansas, wo das Hinterland, schon fast verbrannt, der Wohltat des Walmarts mit harter Realität in die Augen kräht. Die Bullen waren froh, weil nächste Woche anderswo. Den Stallgeruch des Clinton-Bill, nicht mal ein Rindviech schnuppern will.

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