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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Altenpflege in Down Under

Höhere Löhne gegen Personalmangel

Altenpflege auch in Australien unterbewertet. Nach langer Auseinandersetzung steigen die Löhne
Von Thomas Berger
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Was sie schon lange wissen, wurde offiziell anerkannt: Die Arbeit von Beschäftigten in der Altenpflege ist unterbewertet (Sydney, 15.3.2024)

Fast vier Jahre hat der Kampf gedauert. Am Ende hat die australische Regierung einer Lohnerhöhung für die rund 200.000 Beschäftigten der Altenpflege zugestimmt. Zwischen 18 und 28,5 Prozent – die Werte variieren je nach Berufsgruppe – werden sie fortan monatlich mehr erhalten. »Wir finden, dass die Arbeit der Beschäftigten im Altenpflegesektor in der Vergangenheit unterbewertet wurde, vor allem wegen des Geschlechts der Pflegenden«, erklärte die staatliche Fair Work Commission (FWC) ihre Entscheidung. Tatsächlich sind es auch in Down Under überwiegend Frauen, die in diesem infolge des demographischen Wandels immer wichtigeren Beruf arbeiten, aber nur mäßig bis schlecht entlohnt werden. Damit soll nun Schluss sein.

Mit der Anordnung der Aufsichtsbehörde vom 15. März wird ein Kampf beendet, das sich über dreieinhalb Jahre gezogen hatte. Im November 2020 hatte die Health Services Union (HSU), die als Gewerkschaft auch die Interessen der Beschäftigten der Altenpflege vertritt, bei der FCW einen Antrag zur »Wertermittlung« der in dem Sektor geleisteten Arbeit eingereicht – und 25 Prozent mehr Lohn gefordert. Die jetzige Entscheidung kann vor diesem Hintergrund als Erfolg für die HSU gewertet werden. Dass diese gute Argumente zur Untermauerung ihrer Forderung hat, zeigte sich schon 2022, als in einem Zwischenerlass den Altenpflegerinnen und Altenpflegern von der FCW bereits 15 Prozent Gehaltszuwachs zugestanden wurden. Diese Steigerung wird nun verrechnet, so dass aktuell zwischen drei und 13,5 Prozent obendrauf kommen.

»Das ist eine historische Verbesserung, die eine neue Ära der Menschenwürde in unseren Altenheimen einleiten wird«, äußerte sich HSU-Präsident Gerard Hayes zufrieden. »Denn die letzte Dekade über wurde die Pflege vom guten Willen und dem Einsatz einer markant unterbezahlten, unsicher beschäftigten Berufsgruppe aufrechterhalten, die nun Lohngerechtigkeit gewonnen hat.« Eine höhere Entlohnung hatte auch zu den Empfehlungen einer noch unter der konservativen Vorgängerregierung von Scott Morrison eingesetzten Sonderkommission für Verbesserungen in der Altenpflege gehört. Nicht nur in deren Abschlussbericht war von enormer Überarbeitung des Personals, Vernachlässigung und selbst Fällen von Misshandlungen die Rede gewesen. Auch eine Tiefenrecherche der öffentlich-rechtlichen ABC, die 4.500 Meldungen zu Problemen in Einrichtungen und bei häuslicher Pflege nachgegangen war, hatte diese Analyse der Zustände untermauert. »Um Personal zu halten und zu gewinnen, müssen wir den Beschäftigten mehr zahlen«, war auch für den sozialdemokratischen Premier Anthony Albanese eine zentrale Erkenntnis gewesen.

Nahezu zeitgleich mit der FWC-Entscheidung hat auch eine von der Labour-Regierung eingesetzte Taskforce ihre Empfehlungen an die Politik vorgelegt. Dabei geht es nicht nur um Qualitätssicherung in der Pflege, sondern auch um eine gesicherte Finanzierung der Leistungen, auf die immer mehr Senioren und somit potentiell Pflegebedürftige in den nächsten Jahren angewiesen sein werden. Schon jetzt steigen die staatlichen Ausgaben dafür stetig – von 23,6 Milliarden Australischen Dollar 2020/21 auf 24,8 bzw. 27,1 Milliarden in den letzten beiden Jahren und prognostizierten 42 Milliarden für 2026/27. Vom Tisch ist eine zuletzt als Option im Raum stehende Pflegezusatzabgabe für alle in Höhe von einem Prozent des Monatsgehalts, die vor allem lohnabhängig Beschäftigte belasten würde. Vielmehr schlägt die Taskforce vor, dass sehr wohlhabende Senioren mit hoher Rente und Vermögen mehr Eigenanteil zahlen sollten als die bisher fünf Prozent der Kosten für häusliche Pflegedienste oder 25 Prozent derjenigen für die Pflege in Heimen.

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