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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 6 / Ausland
Guerillakrieg

Drohnen am Boden

Neue Flugabwehr: Kurdische Guerilla präsentiert Aufnahmen von abgeschossenen türkischen Waffen
Von Tim Krüger
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Chancenlos gegen türkischen Luftangriff: Ausgebrannter Transporter in Nordost-Syrien (Derik, 20.11.2022)

Bewaffnete Drohnen gelten als nahezu unschlagbare Wunderwaffen und bestimmen wie kein anderes Waffensystem die Kampffelder des 21. Jahrhunderts. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (HPG) verkündeten nun, dass sie im Besitz von Flugabwehrsystemen seien und 15 türkische Drohnen über der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak ausgeschaltet hätten. Ein von der Pressestelle der Guerilla Gerîla TV am Mittwoch veröffentlichtes elfminütiges Video soll den Abschuss von vier Drohnen unterschiedlichen Typs zeigen.

In einer schriftlichen Stellungnahme erklärte die Generalkommandantur der Guerillakräfte der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), das »Zentrum für Volksverteidigung«, den Abschuss von 15 türkischen Kampfdrohnen seit dem 13. Februar 2023. Trotz der »internationalen Isolation« des kurdischen Volkes und dem Versuch, die »Bewegung vom Rest der Welt und unseren Freunden« abzuschneiden, sei es der Guerilla dennoch gelungen, in den Besitz von Raketensystemen zu gelangen, um die bewaffneten Drohnen »unschädlich zu machen«, teilte die Kommandantur in einer Erklärung anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz mit. In den vergangenen Jahren seien »Hunderte unserer Menschen« durch die türkischen »Todesmaschinen« ums Leben gekommen, so die Erklärung der Guerilla weiter.

Zuletzt hatten mehrere Wellen türkischer Luftangriffe im Dezember und Januar weite Teile der Infrastruktur einschließlich Strom- und Wasserversorgung der selbstverwalteten Gebiete Nord- und Ostsyriens zerstört und das Leben mehrerer Zivilisten gefordert. Auch in der Autonomen Region Kurdistan sowie dem von den Jesiden bewohnten Sindschar-Gebirge im Nordirak kam es im vergangenen Jahr und auch den letzten Wochen immer wieder zu teils tödlichen Drohnenangriffen. Ankara rechtfertigt die Angriffe auf die Zivilbevölkerung als »Vergeltungsschläge« für Operationen der Guerilla gegen türkische Stützpunkte im Nordirak und dem Osten der Türkei.

In seinem Krieg gegen die Freiheitsbewegung und das kurdische Volk habe sich der türkische Staat voll und ganz auf seine Kampfdrohnen verlassen, doch nun sei es den Guerillaverbänden gelungen, ein »Gleichgewicht auf dem Schlachtfeld« herzustellen. Die Kommandantur spricht in ihrer Stellungnahme vom Beginn »einer neuen Phase« des kurdischen Freiheitskampfes. Tatsächlich dürfte die Entwicklung einen maßgeblichen Einfluss auf den Kriegsverlauf nehmen.

Seit 2007 konnte die türkische Armee im Kampf gegen die PKK auf die Luftaufklärungsdaten US-amerikanischer »Predator«-Drohnen zurückgreifen. Ab 2009 wurden die türkischen Streitkräfte mit israelischen Aufklärungsdrohnen des Typs »Heron« ausgestattet. 2014 investierte Ankara dann deutlich in die Entwicklung und Fertigung heimischer Drohnen. Vor allem die Firma Baykar avancierte in den 2010er Jahren zum führenden Produzenten der unbemannten Luftfahrzeuge. Das milliardenschwere Unternehmen unter der Führung von Präsident Recep Tayyip Erdoğans Schwiegersohn Selçuk Bayraktar wurde seitdem zum Schöpfer einer ganzen Reihe unbemannter Luftfahrzeuge. Insbesondere die 2016 in Dienst gestellte »Bayraktar TB2« wurde zum regelrechten Exportschlager: So im Krieg Aserbaidschans gegen die nicht mehr existierende »Republik Arzach« oder in der Ukraine, wo sie von den dortigen Streitkräften eingesetzt werden.

Dabei greift das türkische Unternehmen bei der Fertigung seiner Fluggeräte auch auf deutsche Technik zurück. Das Kamera- und Zielerkennungssystem der »Bayraktar TB2« wird von Hensoldt geliefert. Die exakten Bilder in Echtzeitübertragung haben der türkischen Armee bisher einen entscheidenden Vorteil auf dem Schlachtfeld verschafft. Die Zerstörungen der als Prestigeprojekte der türkischen Waffenindustrie geltenden Drohnen sind nicht nur eine Blamage für die Regierung von Erdoğan, die neuen militärischen Kapazitäten der Volksverteidigungskräfte könnten auch einen entscheidenden Einfluss auf die bevorstehenden türkischen Militäreinsätze haben. Zuletzt hatte der türkische Außenminister Hakan Fidan am 14. März in Bagdad eine Ausweitung der türkischen Angriffe im Nordirak angekündigt.

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