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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 5 / Inland
Arbeitskampf

Riesenauflauf vor Bosch-Konzernzentrale

IG Metall mobilisiert Belegschaft beim größten Automobilzulieferer. Bosse bleiben bei Jobvernichtung
Von Oliver Rast
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Unmut fördert Bewegung: Protest am Mittwoch im schwäbischen Gerlingen

Er ist kaum zu verstehen: Sami Mokdad, Gewerkschaftssekretär der IG Metall (IGM) Baden-Württemberg. Mucke schrillt durch Boxen, Satzfetzen durchs Mikro, zwischendrin tröten Tröten. Ein Gewirr, ein Gewusel kurz vor 12 Uhr am Mittwoch mittag auf der Schillerhöhe im schwäbischen Gerlingen; vis-à-vis der Hauptverwaltung von Bosch, dem weltweit größten Automobilzulieferer.

Mokdad holt tief Luft, hebt seine Stimme, muss fast schreien – sagt dann im Telefonat mit jW: »Aus allen Himmelsrichtungen strömen Kolleginnen und Kollegen herbei.« Zu Tausenden. Die IGM und der Bosch-Gesamtbetriebsrat (GBR) hatten die Belegschaft zum Aktionstag mobilisiert – Motto: »Zukunft baut man nicht alleine, man gestaltet sie gemeinsam.« Auch an anderen Bosch-Standorten trafen sich Beschäftigte, um »gegen die Abbaupläne des Managements« zu protestieren. Bundesweit waren es nach IGM-Angaben rund 25.000.

Bosch will weltweit 7.000 Stellen streichen, allein 3.200 hierzulande. Das Gros in der Automobilindustrie im Musterländle. An den Standorten Schwieberdingen und Stuttgart-Feuerbach etwa sollen es 1.500 Jobs sein, berichtete der SWR am Mittwoch. Produktionsorte für Verbrennertechnologie. Das Aus für Diesel- und Verbrennermotoren bedeute zugleich weniger Entwickler, so die Bosch-Bosse. GBR-Mitglieder vermuten hingegen, dass Arbeitsplätze nicht wegfallen, sondern verlagert würden, ins Ausland. Aus Kostengründen.

Und dagegen regt sich der Protest. Ferner, weil die Vorstandsetage Gespräche über einen »sozialverträglichen Stellenabbau« im Gesamtkonzern ablehnt, bloß Bereich für Bereich, Standort für Standort verhandeln will. Wenn überhaupt. Aber: Geht es Bosch mies? Eher nicht, die Bilanzen sehen gut aus. Der operative Gewinn des Konzerns stieg 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 800 Millionen Euro auf 4,6 Milliarden Euro.

Geld ist also da. Um so unverständlicher die Streichliste. Zumal man damit nicht die Transformation gestalte, sondern Kahlschlag betreibe, wurde die Zweite Bevollmächtigte der IGM Offenburg, Katrin Mayer, in einem IGM-Statement vom Mittwoch zitiert. Einziger Lichtblick: Über betriebsbedingte Kündigungen können die »Abbaupläne« nicht abgewickelt werden, das verhindert eine sogenannte Zukunftsvereinbarung – mindestens bis 2027.

Was sagt Bosch? Auf jW-Nachfrage am Mittwoch dies: Sorgen der Belegschaft würde ernst genommen. In Zeiten wie diesen »ist eine funktionierende Sozialpartnerschaft wichtiger denn je«. Nur, warum dann der Gesprächsabbruch mit dem GBR? Die Firmenspitze setze weiter auf einen »kontinuierlichen, offenen Dialog«. Doch es gelte jetzt, schnell und nachhaltig zu handeln; und Zeit dürfe nicht verloren gehen, um »Überkapazitäten an vielen Stellen« zu reduzieren. Nach Augenmaß, wie die Bosch-Bosse behaupten, klingt das nicht.

Das findet auch GBR-Chef Frank Sell. Vor den Protestlern in Gerlingen sagte er: »Die Botschaft ist: Stopp, so geht es nicht weiter. So lassen wir mit uns nicht umgehen.« Nach der Devise »teile oder herrsche« dürfe nicht betriebsweise Personal abgewickelt werden. Es brauche »zentrale Gespräche«, sonst nichts.

Nach anderthalb Stunden wurden die Stecker bei Boxen und Mikro gezogen. Ruhe kehrte auf der Schillerhöhe ein, die Massen zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen. Macht Unmut irgendwann mutlos? Mokdad: »Nein, niemand lässt die Köpfe hängen, die Stimmung nach der Kundgebung ist mega.«

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