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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 4 / Inland
Regierungserklärung

Scholz-O-Mat in Aktion

Regierungserklärung des Bundeskanzlers im Bundestag vor EU-Gipfel
Von Mawuena Martens
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Ohne spannende Ausreißer: Olaf Scholz während seiner Rede im Bundestag am Mittwoch

Ukraine-Krieg, Gazakrieg, Aufrüstung im Inneren und die Aufnahme der Balkanländer in die EU: Das waren die Hauptthemen von Bundeskanzler Olaf Scholz’ (SPD) Regierungserklärung am Mittwoch. Wenig verwunderlich tauchen diese auch auf der Tagesordnung des anstehenden EU-Gipfels am Donnerstag auf. Mit Blick auf die zweitägige Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs der EU versuchte Scholz seine Standpunkte zu schärfen.

Der Kanzler machte klar, dass er Unstimmigkeiten in bezug auf den Krieg Israels gegen den Gazastreifen erwarte. Es gebe unterschiedliche Auffassungen, doch hoffe er darauf, dass ein gemeinsamer Text zustande komme und plädierte für einen »länger währenden Waffenstillstand« im Gazastreifen. Des weiteren solle mehr humanitäre Hilfe ins Land kommen, ob über Luft, See sowie den Landweg.

Der deutschen »Staatsräson« folgend warf Scholz ein, dass Deutschland fest an der Seite Israels stehe und das Land das Recht habe, »sich selbst zu verteidigen«. Kein Wort also davon, dass Israels Vorgehen längst keine Selbstverteidigung mehr ist und mehr noch der Internationale Gerichtshof schon im Januar ein sofortiges Ende des Tötens gefordert hatte und Anhaltspunkte für einen Genozid sieht. Weiter forderte der deutsche Kanzler eine Umsetzung der Zweistaatenlösung und eine Reform der sogenannten palästinensischen Selbstverwaltung.

Beim zweiten großen Thema, dem Ukraine-Krieg, stach besonders die Betonung der deutsch-französischen Beziehungen und der »Einigkeit der Europäer« hervor. So sprach Scholz von »meinem Freund Emmanuel ­Macron« sowie von guten und gemeinsamen Vorstellungen Frankreichs, Deutschlands und Polens. Ein klarer Hinweis auf den Vorstoß Macrons, die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht ausschließen zu wollen. Scholz äußerte auch den Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit mit der Kriegsindustrie, der sogenannten Verteidigungswirtschaft. Denn: Jahrelang habe es viel zu wenig Kontakt zwischen dieser Industrie und der Politik gegeben. Das müsse sich nun ändern.

Wie zu erwarten war, nutzte die Union als größte Oppositionsfraktion ihre üppig bemessene Redezeit, um sich gegen einen Frieden in der ­Ukraine zu stemmen. Denn, so die Logik von CDU-Chef Friedrich Merz: »Friedfertigkeit kann das Gegenteil von Frieden bewirken«. Außerdem sei ein »Einfrieren« des Krieges, wie es SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in der Debatte vorgebracht hatte, nur als Feigheit gegenüber Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu bewerten. Auch die Grünen bliesen in das gleiche Horn und forderten wie üblich eine Eskalation des Krieges. In den Worten von Katharina Dröge: »Die Ukraine braucht dringend mehr Unterstützung.«

Sahra Wagenknecht hingegen stellte sich demonstrativ hinter die Entscheidung des Kanzlers, keine TAURUS-Marschflugkörper an die Ukraine zu entsenden. Dies sei »verantwortungsvoll«, sie hoffe nur, diese Entscheidung werde beibehalten. Gleichzeitig schob sie als Kritik hinterher: Scholz sei kein Friedenskanzler, nur weil er verantwortungsvoller als Roderich Kiese­wetter (CDU) oder Merz sei. Anders als die USA, die sich zunehmend zurückhaltend verhalte, falle in Europa auch ein weiteres Tabu. Gemeint war die Entsendung von Bodentruppen. Damit »schlafwandle sich die EU Schritt für Schritt« hin zum Krieg. Wagenknechts konsequente Forderung lautete daher: gemeinsame europäische Bemühungen zu Verhandlungen und eine Waffenstillstandsvereinbarung.

Weitere Punkte der Rede betrafen die Aufnahme der Länder des Balkans in die EU. Scholz begrüßte die Beitrittsperspektive für Bosnien-Herzegowina. Auch gegenüber der »Reform« des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zeigte er sich positiv. Innenpolitische Themen, die Erwähnung fanden: ein »privatfinanziertes Wasserstoffnetz«, Werbung für das sogenannte Wachstumschancengesetz, die steuerliche Absetzbarkeit von Forschung und Entwicklung für Unternehmen. Nicht zuletzt versprach der Kanzler, die ­Koalition würde sich um sichere Renten bemühen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (20. März 2024 um 22:19 Uhr)
    Die Sternezahl in meiner Bewertung von Frau Wagenknecht nimmt langsam, aber kontinuierlich ab. Die EU schlafwandelt nirgendwohin, sie geht ihren politischen Weg bewusst und vorsätzlich: Es reicht, Herrn Borell zu zitieren, der die polnisch-ukrainischen Grenzübergänge von Bauern freihalten will, damit Waffenlieferungen nicht behindert werden. Frau Wagenknecht sollte sich nicht wundern, wenn »Feigheit vor dem Feind« bald mit standrechtlicher Erschießung geahndet wird. Meine Empfehlung: Angemessene und richtige Begriffe verwenden. Zu den Bemühungen des Herrn Scholz um sichere Renten fällt mir nur ein: Cum-Cum, Cum-Ex.

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