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Aus: Ausgabe vom 21.03.2024, Seite 2 / Kapital & Arbeit
Bauernproteste in Polen

Bauern legen Polen lahm

Landesweite Protestblockaden auf Straßen und Autobahnen richten sich gegen Getreideimporte aus der Ukraine
Von Reinhard Lauterbach
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Straßen und Autobahnen wurden landesweit durch die protestierenden Landwirte verstellt, wie hier in Kazuń Nowy nördlich der Hauptstadt Warschau

In Polen haben am Mittwoch wieder Tausende Landwirte mit ihren Fahrzeugen die wichtigsten Durchgangsstraßen und Autobahnen blockiert. Betroffen war entgegen einer Aufforderung der Regierung auch der Grenzübergang Swiecko gegenüber von Frankfurt (Oder). Die Regierung hatte argumentiert, die Bauern möchten berücksichtigen, dass Polen auch ein Exportland sei. Ebenso kritisierte die staatliche Fernstraßenverwaltung die demonstrierenden Bauern dafür, dass sie mit ihren Blockaden das laufende NATO-Manöver »Steadfast Defender 2024« behinderten.

Landwirtschaftsminister Czesław Siekierski einigte sich am Dienstag mit Vertretern der Bauern darauf, dass er Ministerpräsident Donald Tusk auffordern werde, eine Fortführung der nationalen Einfuhrsperre für ukrainische Agrarprodukte zu beantragen. Siekierski räumte dabei ein, dass die Regelungen für den Transit ukrainischer Produkte durch Polen »löchrig« sind. Die Ukraine müsse verstehen, dass Handel etwas anderes sei als humanitäre Hilfe.

Siekierski beklagte auch, die Ukraine mache bei der EU »prima Lobbyarbeit«, um ihren Export in die EU weiter aufrechterhalten zu können. Dass ihr das gelungen ist, geht aus dem Inhalt einer am Mittwoch bekanntgewordenen Vereinbarung zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament hervor.

Demnach kann die Ukraine weiterhin Agrarprodukte zollfrei in die EU exportieren, solange sie bei Geflügel, Eiern, Zucker, Hafer, Mais, Grütze und Honig die Durchschnittsmengen aus den Jahren 2022 und 2023 – also nach der Marktöffnung – nicht überschreitet. Nur wenn dies der Fall ist, können die Mitgliedstaaten Zölle erheben. Die betroffenen Warengruppen sind praktisch von sekundärer Bedeutung. Weizen und Mais, die den Großteil des ukrainischen Agrarexports ausmachen, sind in der Einigung nicht einmal erwähnt. Einige Mitgliedstaaten hatten vergeblich verlangt, wenigstens den Export des Vorkriegsjahres 2021 zum Ausgangspunkt von Zöllen zu machen.

Außer gegen den Agrarimport aus der Ukraine richtet sich der Bauernprotest auch gegen das Umweltprogramm »Green Deal« der EU und Einschränkungen bei der Tierzucht, insbesondere der Aufzucht von Pelztieren.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (21. März 2024 um 10:15 Uhr)
    Seit Monaten protestieren EU-Landwirte gegen die aus ihrer Sicht unfaire Konkurrenz aus der Ukraine. Viele von ihnen können die auf EU-Ebene getroffenen Entscheidungen zur Unterstützung des Landes nicht mehr nachvollziehen – und das ist durchaus verständlich. Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs ist das Wirrwarr der EU-Politik komplex. Als Moskau 2022 die Verschiffung von Getreide über das Schwarze Meer in die Welt blockierte, öffnete die EU ihren Binnenmarkt radikal für die deutlich günstigeren Produkte aus der Ukraine. Diese gut gemeinte Aktion hatte jedoch verheerende Folgen. Zwar schien sie zur Stabilisierung der Ukraine beizutragen, was jedoch nicht der Fall war. Erstens führte sie zu einer Verzerrung des Binnenmarktes und erhöhte den Druck auf die Bauern, die seither dagegen protestieren. Eine »EU-Ukraine-Hilfe« im Agrarsektor ist unakzeptabel, da sie von den eigenen Bauern eindeutig nicht mitgetragen wird. Zweitens existiert eine solche »EU-Ukraine-Hilfe« gar nicht, da die Erlöse aus den Exporten nicht die ukrainische Staatskasse füllen, sondern in die Taschen internationaler Großkonzerne wandern, die längst die 17-20 Millionen Hektar »Schwarzerde« in der Ukraine aufgekauft haben und sie bewirtschaften.

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