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Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Aufrüstung

Naval Group sticht TKMS aus

Niederlande kaufen U-Boote in Frankreich, Thyssen-Krupp Marine Systems entgeht Milliardenauftrag
Von Gerrit Hoekman
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Hier werden »U-Boote wie warme Semmeln produziert«: Thyssen-Krupp-Werft in Kiel

Die Niederlande lassen beim französischen Staatsbetrieb Naval Group und seinem niederländischen Partner IHC vier hochmoderne U-Boote des Typs »Barracuda« bauen. Das hat der Ministerrat auf seiner wöchentlichen Sitzung am Freitag in Den Haag beschlossen. Der lukrative Auftrag wird den zwei Rüstungskonzernen vier bis sechs Milliarden Euro einbringen. Die deutsche Werft Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS), die sich ebenfalls um den Auftrag beworben hatte, geht genauso leer aus wie das schwedisch-niederländische Konsortium Saab-Damen.

Thyssen-Krupp Marine Systems bedauerte die Entscheidung: »Mit dem bereits verfügbaren 212-CD-U-Boot-Design hätten die Niederlande dank der Kooperation mit Deutschland und Norwegen nicht nur von Kosteneffizienzen profitiert, sondern auch einen rechtzeitigen Einsatz für die U-Boote der Walrus-Klasse ermöglicht«, teilte die Kieler Werft am Freitag mit. Die Enttäuschung halte sich in Grenzen, die Auftragsbücher seien dennoch gut gefüllt.

»TKMS war interessant, weil es U-Boote wie warme Semmeln produziert. Sie haben seit 1960 etwa 170 gebaut. Da sie in den Niederlanden bauen wollten, bot dies viele Möglichkeiten für die niederländische Fertigungsindustrie, auch weil sie bereits U-Boote in Produktion haben«, sagte der strategische Analyst beim Hague Center for Strategic Studies (HCSS), Frederik Mertens vergangene Woche gegenüber der öffentlich-rechtlichen NOS. Bei Naval sei hingegen noch »viel Designerarbeit nötig, mit dem Risiko von Kinderkrankheiten und Verzögerungen. Und dafür haben wir eigentlich keine Zeit.«

Von allen Bewerbern habe Naval das beste Preis-Leistungs-Verhältnis geboten, so das niederländische Verteidigungsministerium. »Es ist das beste Boot und der beste Preis«, zitierte die Internetseite Marineschepen (Marineschiffe) Vizeadmiral René Tas. Die neuen Boote können neben Torpedos auch unbemannte Drohnen und Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 1.500 Kilometern einsetzen. Drohnen und Tomahawks haben die Niederlande allerdings noch nicht in ihrem Arsenal. Die Marine hat aber noch genug Zeit, sie zu besorgen – die ersten beiden Boote müssen dem Kaufvertrag zufolge erst in spätestens zehn Jahren einsatzbereit sein.

Ein Teil des niederländischen Parlaments hätte den Auftrag lieber an die schwedisch-niederländische Kombination Saab-Damen vergeben, weil dadurch heimische Arbeitsplätze gesichert worden wären. Die geschäftsführende, niederländische Wirtschaftsministerin Monique Adriaansens betonte am Freitag, dass auch bei der Vergabe an die Naval Group heimische Betriebe ausreichend beteiligt seien. »Die Vereinbarungen sind streng. Wenn ein niederländisches Unternehmen ausscheidet, muss Naval es durch ein anderes niederländisches Unternehmen ersetzen«, so Adriaansens.

Mit dem Krieg in der Ukraine hat die Modernisierung der niederländischen Marine nichts zu tun – der Beschluss wurde bereits vor neun Jahren gefasst. Die vier U-Boote der Walrus-Klasse tun seit den 1990ern Dienst. Zwei von ihnen werden nun als Ersatzteillager für die anderen beiden gebraucht, die immerhin noch ein Jahrzehnt durchhalten müssen.

Die neuen U-Boote sollen vor allem leise sein, um sie in verdeckten Einsätzen benutzen zu können, zum Beispiel um Spezialeinheiten in feindlichem Gebiet absetzen oder Schiffe der Gegenseite ausspionieren zu können. Außerdem war ein Kriterium, wie lange die Boote ohne neuen Treib- und Sauerstoff unter Wasser bleiben können. Normalerweise produziert Naval U-Boote, die mit Atomantrieb unterwegs sind. Für die Niederlande werden sie auf konventionellen Antrieb umgestellt. Damit kommt Den Haag einem Wunsch der NATO nach, die um Boote der Mittelklasse gebeten hatte.

Frankreich, mittlerweile zweitgrößter Rüstungsexporteur der Welt, hatte alles in die Waagschale geworfen, um den Auftrag an Land zu ziehen. Als Präsident Emmanuel Macron im April 2023 auf Staatsbesuch in den Niederlanden weilte, gehörte der Vorstandsvorsitzende der Naval Group auch zur Delegation. Das von Naval gebaute, brandneue Kriegsschiff der Franzosen, die »Normandie«, feuerte vor Amsterdam Salutschüsse ab. Staatssekretär Christophe van der Maat betont jedoch, Lobbyarbeit habe bei der Vergabe an die Franzosen keine Rolle gespielt. Das niederländische Parlament muss dem Vertrag noch zustimmen.

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