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Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Sturm auf Krankenhaus

Gazakrieg: Al-Schifa-Hospital zum zweiten Mal angegriffen. Konsequenzen hat Israel nicht zu befürchten
Von Gerrit Hoekman
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Bei Luftangriffen verwundete Palästinenser im Al-Schifa-Krankenhaus (Archivbild vom 25.1.2024)

Die israelische Armee hat am Montag morgen erneut Gebäude in mehreren Vierteln von Gaza-Stadt bombardiert, darunter auch das Al-Schifa-Hospital. Die Angriffe erfolgten mit Panzern und aus der Luft. Dabei sind laut der amtlichen palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA Dutzende Menschen getötet worden. In einem Trakt des Al-Schifa-Krankenhauses, in dem sich unter anderem Operationssäle befinden, brach laut medizinischem Personal ein heftiges Feuer aus. Israelische Soldaten hätten den Komplex zunächst umstellt und seien dann auf das Gelände vorgerückt. Das israelische Militär sprach laut Reuters von einer »präzisen Operation«, weil sich in dem größten Klinikum des Gazastreifens Kämpfer und hohe Führer der Hamas verschanzt hätten. Augenzeugen berichteten laut WAFA, die Soldaten hätten auf jeden gefeuert, der sich gerührt habe. Aufgrund des Beschusses hätten Sanitäter die Verletzten nicht erreichen können.

Die israelische Armeeführung behauptete hingegen, mit scharfem Feuer auf Beschuss aus dem Krankenhaus reagiert zu haben. Im Laufe des Vormittags nahmen die Soldaten rund 80 Personen gefangen, darunter Ärzte und medizinisches Personal, erzählten Augenzeugen der Nachrichtenagentur dpa. Der Sender Al-Dschasira meldete, dass sich unter den Verhafteten auch sein Korrespondent Ismail Al-Rul befinde, der live aus dem Krankenhaus berichtet hatte. Laut WAFA werden im Al-Schifa-Hospital derzeit etwa 3.000 Patienten behandelt, während dort zudem 30.000 Inlandsvertriebene Schutz suchen. Die Armee habe alle Menschen aufgefordert, die Klinikeinrichtungen und die umliegenden Stadtviertel zu räumen: »Um Ihre Sicherheit zu gewährleisten, müssen Sie das Gebiet sofort Richtung Westen und dann (…) in Richtung des humanitären Bereichs in Al-Mawasi (an der Mittelmeerküste, jW) evakuieren«, schrieb ein israelischer Militärsprecher am Montag vormittag auf der Plattform X.

Das Gesundheitsministerium in Gaza teilte mit, dass Israel darauf abziele, das Gesundheitswesen im gesamten Gazastreifen zu zerstören. »Die israelische Armee begeht ein neues Verbrechen gegen das Al-Schifa-Krankenhaus«, hieß es in einer Erklärung. Bereits Mitte November war die israelische Armee in das Hospital eingedrungen und wurde dafür weltweit massiv kritisiert. Laut Angaben aus Israel habe man damals ein Tunnelsystem unter der Klinik gefunden.

Unterdessen hat die humanitäre Katastrophe im gesamten Gazastreifen unvorstellbare Ausmaße angenommen. »Wir können nicht zusehen, wie Palästinenser den Hungertod riskieren«, hatte selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag in Jerusalem auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu festgestellt. Doch bis auf mahnende Worte, die im Bombenhagel rasch verhallen, hat Israel keine Konsequenzen zu fürchten. So wiesen mehrere EU-Mitgliedstaaten beim Außenministertreffen am Montag in Brüssel einen Vorstoß Spaniens und Irlands zurück, das Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen. »Wir brauchen Gesprächskanäle rund um die Uhr, damit wir endlich zu dieser so dringenden humanitären Feuerpause kommen«, begründete Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ihre Ablehnung. »Vor dem Krieg war der Gazastreifen das größte Gefängnis unter freiem Himmel, heute ist er der größte Friedhof unter freiem Himmel«, beklagte wiederum der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Rande des Treffens.

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