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Aus: Ausgabe vom 07.03.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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»Nicht immer alles so bierernst«

Zu jW vom 4.3.: »Nur die Zukunft hat Entwickler«

Ich freue mich sehr, dass mein ehemaliger Wahrheit-Kollege Jürgen Henschel in dieser Weise in der Berliner Öffentlichkeit anerkannt und gewürdigt wird. Was zu Westberliner Zeiten und auch während der sogenannten Wendezeiten noch undenkbar war. Ich erinnere mich an Jürgen als einen sehr angenehmen Kollegen und Genossen, mit viel Humor und Demut. Weil er keinerlei Berührungsängste hatte, mag er wohl der bekannteste und dazu akzeptierteste SEWler (Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins, jW) in ganz Westberlin gewesen sein. Er war, was man hier (wo ich jetzt lebe) als »streetwise« bezeichnet. Eine leider sehr seltene Eigenschaft bei Genossen und -innen. Und Jürgen war absolut zuverlässig und loyal, auch wenn er (in der Partei) viel gesehen und empfunden hat, was ihm gegen den Strich ging. Er hat mir mal bei einem Gespräch im DW-Fotoarchiv gesagt, ich solle nicht immer alles so bierernst nehmen, was in der Partei geschieht.

Detlev Reichel, Tshwane (Südafrika)

»The Great Game«

Zu jW vom 1.3.: »Das eurasische Drehkreuz«

Leider enthält der Artikel einen Fehler: So liegt der Hexi-Korridor nicht in Xinjiang, sondern in Gansu. Erst östlich von Dunhuang beginnt Xinjiang. Das nördliche Xinjiang wurde früher oft als Dsungarei bezeichnet – das Siedlungsbebiet der Dsungaren (auch Oiraten), die bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hier herrschten und auch die Oberherrschaft über Tibet hatten. Unter den Dsungaren wurde in Tibet der Dalai Lama installiert. Der Name Xinjiang – chinesisch für »neue Grenze« – wird erst seitdem benutzt. Dass Xinjiang dann nach 500 Jahren wieder »zurück«erobert werden konnte, ist eine typische chinesische Sichtweise auf die eigene Geschichte. Die Qing-Kaiser waren Eroberer aus der Mandschurei, also ein »Barbaren«-Volk aus dem Norden, das 1644 die Ming-Dynastie ablöste. Die Ming ihrerseits hatten 1369 die mongolische Yüan-Dynastie abgelöst. Diese Assimilierung der Eroberer (teilweise auch nur von Teilen des oftmals in verschiedene Reiche zersplitterten Chinas) ist bis heute ein Wesensmerkmal der chinesischen Geschichte. Die größte westliche Ausdehnung hatte China im Jahr 751, als der chinesische General der Tang-Dynastie, Gao Xianzhi, gegen die vorrückenden Truppen der muslimischen Expansion in der Schlacht am Talas (nördliches Kirgistan) unterlag. Mittelasien und das westliche China wird auf den imperialistischen Karten des 19. Jahrhunderts als »Russisch-Turkestan« und »Chinesisch-Turkestan« bezeichnet. Im »Great Game« des 19. Jahrhunderts ging es zwischen den imperialistischen Mächten um die Zerschlagung Chinas und die Verhinderung eines Vormarschs des zaristischen Russlands an den Indischen Ozean. Die Zerschlagung Chinas war gemeinsames Interesse aller imperialistischen Staaten (vor USA, England, Russland). Die Verhinderung eines russischen Vormarschs an den Indischen Ozean war vor allem das britische Interesse. Heute stehen wir erneut vor einem »Great Game«.

Eike Andreas Seidel, Buchholz in der Nordheide

Sightseeing und Spionage

Zu jW vom 4.3.: »›Man müsste es mal probieren‹«

Man könnte lauthals lachen, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Und damit meine ich nicht diese Veröffentlichung durch Russia Today, sondern die Aussagen, die Gerhartz und Co. machen. Hier ist eindeutig herauslesbar, dass die deutsche Generalität mit dem (atomaren) Feuer spielt. Es werden nicht die Generäle zurückgepfiffen, sondern es wird laut und deutlich über die russischen Geheimdienste und die Propagandamaschine Putins schwadroniert. Doch warum veröffentlicht Russland dieses Gespräch? Für mich ist es der berühmte Schuss vor den Bug. Es ist eine deutliche ­Warnung an die NATO, die weitere Eskalation zu ­vermeiden. Russland macht deutlich, dass sie wissen, was hier im Westen läuft. (…) Und ich möchte etwas an die Geschichte erinnern: Das Geschrei der deutschen Politik über diese »Abhöraffäre« ist so heuchlerisch. Wo war dieses laute Geschrei, als man feststellen musste, dass Angela Merkels Handy durch die US-Dienste abgehört wurde? Die lauteste Aussage damals war doch: »Unter Freunden macht man so etwas nicht!« Und was macht die CIA in den zwölf von der New York Times letzte Woche öffentlich gemachten Bunkern in der Ukraine? Bestimmt nicht bloß Poker spielen und ­Whiskey trinken. Ach so, es könnte Sightseeing sein, es laufen ja Leute mit amerikanischem Akzent in Zivilklamotten rum. Man kann nur hoffen, dass es noch Politiker gibt, die diese Warnung aus Moskau verstehen und nicht arrogant vom Tisch wischen – wie diese hohen Offiziere.

Andreas Eichner, Schönefeld

Abermals versagt

Zu jW vom 4.3.: »›Man müsste es mal probieren‹«

(…) Die Macht liegt nicht in den Händen von nationalen Regierungen, die Macht liegt längst bei anonymisierten Kapitalvereinigungen: Blackrock u. a. Wenn wir davor die Augen schließen, wird die Menschheit in ihren Untergang rennen. Wir können, aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse, nur noch darüber reden, wie schnell wir rennen. Dass Faschisten mehr von Propaganda verstehen und auch skrupelloser sind als Linke, wird uns täglich weltweit vorgeführt. Die »Wagenknechte« betteln bei Kabarettisten um Mitglieder, und die Linken winken aus dem »Elfenbeinturm« und werfen dem Volk die Ergebnisse von verfehlter Bildungspolitik vor. Die Linken zersplittern im Sektierertum, und die Rechten schmieden die »Einheitsfront«. Niemals hätte ich geglaubt, dass am Ende des Kalten Kriegs der Untergang der Menschheit näherkommt. Aber ich glaubte auch nicht an den Untergang des Sozialismus, denn ich wusste damals schon, dass im Kapitalismus Profitinteressen über Menschenrechten stehen. Nun versagen wir ein zweites Mal, es gibt leider zu viele, die den Worten von Trump und Konsorten glauben. Haben wir noch eine Chance?

Ronald Prang, Berlin

Im 19. Jahrhunderts ging es zwischen den imperialistischen Mächten um die Zerschlagung Chinas und die Verhinderung eines Vormarschs des zaristischen Russlands an den Indischen Ozean.

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