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Aus: Ausgabe vom 04.03.2024, Seite 16 / Sport
Falscher Acker

Im Fernsehen

Von René Hamann
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Berüchtigt für das vierfach gekreischte »’ey!«: Prithika Pavade

Tischtennis im Fernsehen ist so eine Sache. Es läuft so gut wie nie irgendwo, und zwar nirgends. Während der Mannschafts-WM, die neulich in Busan (Südkorea) stattfand, und bei der die Deutschen jeweils zumindest im Viertelfinale standen, gab es so gut wie nichts, nirgendwo. Am Ende hätten Japan bei den Damen und Frankreich bei den Herren fast die Sensation geschafft, »the mighty China« (Kommentar auf Youtube) im Finale vom Thron zu stoßen. Das wäre so gewesen, als wenn Borussia Dortmund in den vergangenen elf Jahren es einmal geschafft hätte, statt der Bayern die Meisterschale zu erringen.

Selbst im Netz war in den letzten Runden nicht allzu viel zu finden, noch nicht mal illegal. Die ITTF, der Weltverband, hat sehr viel auf dem eigenen Youtube-Kanal gespielt, aber eben nicht alles. Wo es spannend wurde, wurde abgedreht: Rechte bei Dazn oder sonstwo.

Woran liegt’s, abgesehen vom Geld für die Übertragung? Schaut man sich ein paar Spiele im Netz an, könnte man auf folgende Ideen kommen: Es liegt nicht an zu kleinen Bällen, zu tiefen Netzen oder zu kleinen Tischen; es liegt auch nicht an der Zählweise. Es liegt daran, dass Tischtennis ein Sekundenglück ist, ein Spiel, das im Schnitt Pi mal Daumen zwanzig Minuten dauert. Ein Ballwechsel ist in vier Sekunden Geschichte. Ehe man sich überlegt hat, was geschehen ist, ist der Punkt weg.

Vielsagend sind aber auch die Begleitumstände. Heutzutage muss man aufpassen, keinerlei Diskriminierung das Wort zu reden, indem man medizinisch oder psychologisch besetzte Begriffe benutzt. Von Autismus oder Zwangsneurosen möchte ich also nicht reden, aber vielleicht von Tics, von Spleens, von Nerdisms, denn das Tischtennis der Profis scheint stark davon geprägt zu sein: Die bierernsten Schiedsrichterinnen, die bei der Auszeit die Uhr auf die rechte Position rücken, die vor jedem Punkt auf der Stelle tänzelnden Spieler; ihr Handabstrich auf der Platte in Netznähe, was manche unfreiwillige Begegnung mit sich bringt; die Sache mit dem Handtuch. Alle machen ständig alles sauber. Es gibt Handtuchpausen nach dem zwölften Punkt.

Und dann wird nach jedem Punkt gekreischt, geschrien oder »ho!« gemacht. Der Japaner Harimoto Tomokazu ist der schlimmste: Monica Seles war eine prüde Viktorianerin dagegen. Enervierend. Die junge Französin Prithika Pavade schaffte es, vor (!) jedem Ball viermal »’ey!« zu kreischen, zu wem und warum auch immer.

Kenner wie die meisten offiziellen Kommentatoren können trotzdem viel mit dem Gebotenen anfangen. Und Spielerinnen wie besagte Pavade sind ansonsten natürlich eine Augenweide, weil sie druckvoll und energisch spielen.

Und Fan Zhendong ist eh über alle Zweifel erhaben.

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