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Aus: Ausgabe vom 04.03.2024, Seite 6 / Ausland
Großbritannien

Galloway siegt für Gaza

Großbritannien: Nachwahl in Rochdale geht an propalästinensischen Kandidaten. Labour und Tory verlieren, Unabhängiger mit Achtungserfolg
Von Dieter Reinisch
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Kein Blatt vor den Mund: George Galloway lässt sich am Freitag in Rochdale feiern

George Galloway wird nach einem deutlichen Sieg bei der Nachwahl in Rochdale in das britische Parlament zurückkehren. In seiner Siegesrede richtete der bekannte linke Politiker und Kriegsgegner eine Botschaft an den Labour-Vorsitzenden: »Keir Starmer, das ist für Gaza. Sie haben einen hohen Preis für die Rolle gezahlt, die Sie bei der Ermöglichung, Ermutigung und Deckung der Katastrophe gespielt haben, die sich derzeit im besetzten Palästina im Gazastreifen abspielt, und Sie werden ihn auch weiter zahlen.« Mit dem Wahlsieg zieht Galloways Workers Party of Britain erstmals ins Parlament ein.

Das frühere Labour-Mitglied kam auf 39,7 Prozent und hatte am Ende 5.697 Stimmen mehr als der lokale Geschäftsmann David Tully, der 6.638 Stimmen, also 21,3 Prozent, erhielt. Der konservative Kandidat Paul Ellison erreichte mit einem Minus von fast 20 Prozent nur zwölf Prozent. Den Sitz in Rochdale hatte Labour inne, die Sozialdemokraten entzogen ihrem Kandidaten Azhar Ali jedoch kurz vor der Wahl die Unterstützung – ihm werden mutmaßlich antisemitische Äußerungen vorgeworfen. Ali kam nun mit unter acht Prozent auf den vierten Platz. Notwendig wurde die Nachwahl, weil der Labour-Abgeordnete für Rochdale, Anthony Lloyd, im Januar verstorben war. Der ehemalige Bürgermeister von Manchester und Minister unter Anthony Blair vertrat die Sozialdemokraten 36 Jahre lang im Unterhaus.

Galloway profitierte von der Kontroverse zu Gaza in Labour. Da Starmer lange Zeit den israelischen Krieg gegen Gaza unterstützte, verlor Labour durch Austritte die Mehrheit in einigen Stadträten, wie in Oxford und Leicester. Laut Umfragen sollen 75 Prozent der muslimischen Labour-Wähler der Partei seit dem 7. Oktober den Rücken gekehrt haben. Rochdale ist ein Wahlkreis mit fast 40 Prozent muslimischer Wählerschaft. Galloway setzte ganz auf das Thema Palästina: Die Wahlplakate des Kandidaten der Workers Party zeigten ihn vor einer palästinensischen Flagge. Und es war bereits sein siebter Wahlsieg bei Parlamentswahlen. Vor 20 Jahren wurde er in einem »politischen Schauprozess« wegen seiner Kritik am Irak-Krieg aus der Labour-Partei ausgeschlossen. Vorgeworfen wurde ihm damals unter anderem, britische Truppen aufgefordert zu haben, sich illegalen Befehlen zu widersetzen.

In seiner Siegesrede teilte er wieder deutlich aus: »Dies wird eine Bewegung auslösen, einen Erdrutsch, eine Verschiebung der tektonischen Platten in zahlreichen Parlamentswahlkreisen, angefangen hier im Nordwesten, in den West Midlands, in London, von Ilford bis Bethnal Green und Bow.« Labour wisse, »dass sie das Vertrauen von Millionen ihrer Wähler verloren hat, die sie seit Generationen loyal und traditionell gewählt haben. Keir Starmer und Rishi Sunak sind zwei Backen desselben Hinterns, und beide haben heute Abend eine ordentliche Tracht Prügel bezogen«. Und Galloway hat noch viel vor: »Überall im Land werden sich nun Kandidaten der Workers Party gegen Labour stellen«, kündigte er an. In Rochdale selbst versprach er, die lokale Gesundheitsvorsorge zu verbessern und den in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Fußballverein AFC Rochdale zu sanieren. Die Region im Nordwesten Englands zählt zu den ärmsten Gegenden Großbritanniens.

Wie unbeliebt sowohl Regierung als auch die Opposition sind, zeigt sich am überraschend guten Ergebnis des unabhängigen Kandidaten Tully. Dieser positionierte sich gegen Tories und Labour, mit dem Ergebnis, dass zwei Drittel der Wähler für einen außerparlamentarischen Kandidaten stimmten. Die Wahlbeteiligung sank zugleich auf unter 40 Prozent. Das klare Ergebnis in einem migrantisch geprägten Arbeiterwahlkreis könnte den Sozialdemokraten Kopfzerbrechen bereiten. Im ganzen Land planen linke Initiativen gegen Labour bei den kommenden Unterhauswahlen ins Feld zu ziehen. Etwa die »Organise Corbyn Inspired Socialist Alliance« (OCISA), die den ehemaligen ANC-Parlamentarier und Antiapartheidaktivisten Andrew Feinstein im Wahlkreis von Starmer in London unterstützt. OCISA-Gründer Jim Breese zeigte sich denn auch vom Ergebnis in Rochdale begeistert und richtete Galloway »herzliche Glückwünsche« aus: »Wir müssen das wiederholen und Starmer aus dem Parlament werfen«, sagte er zu jW: »Das Wahlergebnis zeigt den Skeptikern in der Linken, dass dies machbar ist.«

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